Reutlinger Richter lädt Facebook-Lobbyistin als Zeugin vor

Richter Sierk Hamann will die Facebook-Daten eines Angeklagten beschlagnahmen. Weil die auf Servern liegen, die seinem Zugriff entzogen sind, holt er nun Facebooks Cheflobbyistin in den Zeugenstand.

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Von
  • dpa

Richter Sierk Hamann lädt Facebooks Cheflobbyistin Erika Mann als Zeugin ans Reutlinger Amtsgericht. Grund dafür: Der Richter möchte die Facebook-Daten eines Angeklagten beschlagnahmen, um Hinweise zu finden, ob dieser an einem Einbruch beteiligt war. Facebook verweise aber darauf, dass die Daten des Angeklagten auf Servern in den USA gespeichert seien. Ein Zugriff für europäische Behörden sei damit nicht ohne Weiteres möglich – weshalb sich der Richter seinen Angaben nach für eine direkte Vorladung entschied.

Der Reutlinger Prozess wegen Wohnungseinbruchs sorgte bereits für Aufsehen, weil hier zum ersten Mal ein deutsches Gericht die Beschlagnahmung (PDF-Datei) von Facebook-Daten anordnete. Juristen hoffen, dass sich daraus ein Präzedenzfall entwickeln könnte: Wenn das Gericht auf offiziellem Rechtsweg an die Facebook-Daten des Angeklagten herankäme, könnte das Vorbildcharakter für Strafverfahren in ganz Deutschland haben.

In welchem Ausmaß Behörden dann auf Daten in sozialen Netzwerken zugreifen könnten, bleibt abzuwarten. Insgesamt könnte daraus ein ebenso kontroverses juristisches Thema wie die behördliche Überwachung von E-Mails werden.

Update: Facebook verwies am Donnerstag auf Anfrage darauf, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Man lege die Kontounterlagen aber ausschließlich auf der Basis der Nutzungsbedingungen und nach geltendem Recht offen. Dazu zähle auch ein Bundesgesetz der USA, der "Stored Communications Act". Für die Kommunikation mit den Behörden gebe es ein eingespieltes Verfahren, das man auf einer Sicherheitsseite auf Facebook auch beschrieben habe. Der Amtsrichter in Reutlingen sei auch nicht der erste Richter in Deutschland, der eine entsprechende Anfrage gestellt habe. Zu den Inhalten auf der persönlichen Seite eines Facebook-Mitglieds könne aber weder Facebook Deutschland noch eine Mitarbeiterin von Facebook in Belgien etwas sagen.

Richter Hamann warf dem Konzern vor, "widersprüchliche und verwaschene Angaben" zu machen. Entscheidend für die Frage, ob das soziale Netzwerk Daten an Justizbehörden herausgeben müsse, seien nicht die Betriebsrichtlinien von Facebook, sondern die Gesetze.

Hamann hatte seinen Beschlagnahme-Beschluss zunächst an Facebook Deutschland geschickt. Von dort bekam er nach eigener Darstellung eine Absage, weil nur die Kollegen in Irland Zugriff auf die Daten des Angeklagten hätten. Daraufhin habe er den Beschluss ins Englische übersetzen lassen und ihn an die Facebook-Europazentrale geschickt. Als er auch nach mehreren Monaten noch keine Antwort bekommen habe, sei er noch einen Schritt weiter gegangen und habe ein Rechtshilfeersuchen an die irischen Behörden gestellt.

Die Kollegen dort seien auch sofort tätig geworden, so Hamann. Doch von Facebook sei die Antwort gekommen, dass die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert seien. Um dort an die Daten heranzukommen, müsste nun ein Rechtshilfeersuchen an die US-Behörden gestellt werden. Außerhalb der Europäischen Union sei das allerdings ein extrem aufwendiges Verfahren, das den Rahmen des Prozesses am Amtsgericht sprengen würde.

Von Facebook jedenfalls hätte er sich etwas mehr Kooperationsbereitschaft gewünscht, sagte Hamann. "Ich habe so den Eindruck, dass Facebook nicht gerade dabei ist, der Wahrheitsfindung in diesem Prozess zu dienen." Auch der Angeklagte, der sich nach eigenen Angaben selbst darum bemüht, seine Daten ausgehändigt zu bekommen, habe bislang noch keine Antwort auf seine Anfrage erhalten.

Einige Hoffnungen setzt der Richter jetzt noch in das "Übereinkommen über Computerkriminalität", in dem zahlreiche Staaten eine intensive Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Cyberkriminalität vereinbart haben. Dieses Übereinkommen, das auch die USA unterzeichnet haben, könnte die irischen Behörden autorisieren, die Daten einzusehen und dann an das Amtsgericht Reutlingen zu übermitteln, sagte Hamann. (axk)