Saisonkräfte bei Amazon sorgen für Wirbel
Das NRW-Arbeitsministerium wirft Amazon vor, neue Mitarbeiter im Vorweihnachtsgeschäft zwei Wochen lang unbezahlt probearbeiten zu lassen, während die zuständige Arbeitsagentur von einer üblichen und sinnvollen Praxis spricht.
Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider hat eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen an den Standorten Werne und Rheinberg des Online-Versandhandelsunternehmens Amazon angekündigt. Anlass dafür sei, dass Zeitungen "offenbar skandalöse Praktiken bei der Beschäftigung von Aushilfen" aufgezeigt hätten, wie Schneider am Donnerstag, dem 10. November, in Düsseldorf erklärte. Es geht dabei um den Vorwurf, dass Amazon neue Mitarbeiter, die aus der Arbeitslosigkeit kommen, im Vorweihnachtsgeschäft anfangs zwei Wochen lang unbezahlt probearbeiten lasse. Innerhalb dieser Zeit erhalten die Mitarbeiter Leistungen von der Arbeitslosenversicherung beziehungsweise vom Jobcenter. Bei vielen davon geht es um Arbeitslosengeld II ("Hartz IV"), für das der Steuerzahler aufkommt. Unter anderem daran machte sich die Kritik fest.
Laut der zuständigen Geschäftsstelle Unna der Arbeitsagentur Hamm handelt es sich dabei jedoch um eine übliche Praxis, um Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Praktika dieser Art bedeuteten "große Chancen" und seien "sinnvolle Fördermaßnahmen". Das müsse auch der Arbeitsminister eigentlich wissen, sagte Werner Marquis als Sprecher für die NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Die Rheinische Post berichtet am heutigen Samstag, Amazon habe das Verfahren der 14-tägigen Praktikumsphasen mit der örtlichen Behörde abgestimmt.
Amazon hat allein am Standort Werne 1034 Arbeitslose für Praktika von der Arbeitsagentur Hamm vermittelt bekommen. Das Jobcenter Wesel vermittelte 413 Personen an das neue Logistikzentrum Rheinberg. Marquis erklärte, dass in Werne 90 Prozent der Praktikanten übernommen worden seien, in Rheinberg 78 Prozent – letztere laut einem Bericht von Der Westen allerdings nur befristet auf wenige Monate.
Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forums Deutschlands, bezeichnete die Äußerungen des NRW-Arbeitsministers Schneider als scheinheilig, schließlich geschehe dies "mit Wissen und dem Segen des NRW-Arbeitsministeriums". Behrsing kritisierte scharf die Praxis des Umsonst-Arbeitens, von der auch andere Unternehmen profitierten.
Auch Geschwerkschaftsvertreter äußerten sich nun zu der Angelegenheit. So kritisierte Verdi-Referent Julian Jädicke laut eines Berichts des WDR, dass Amazon gezielt Hunderte neuer Mitarbeiter für das boomende Weihnachtsgeschäft einstelle, die zwei Wochen von den Arbeitsagenturen subventioniert würden, anschließend aber nur für wenige Wochen oder Monate weiter beschäftigt würden. "Wenn jemand erst einmal ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren muss, und dann doch nur befristet für drei bis fünf Monate angestellt wird, ist das ein bisschen wenig gemessen an der Vorlaufzeit", so Jädicke. Amazon arbeite bewusst am liebsten mit befristeten Arbeitsverhältnissen.
Amazon hat laut WDR schriftlich mitgeteilt, dass das Unternehmen das Ziel habe, auch nach der Weihnachtssaison "möglichst viele der saisonalen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in langfristige Arbeitsverhältnisse zu übernehmen.". Das Jobcenter in Unna hat laut Sprecherin Antonia Mega die Subventionen für Amazon-Praktikant(inn)en vorübergehend eingestellt: Bei den 2000 zusätzlichen Hilfsarbeitern, die Amazon jüngst gesucht habe, handele es sich ausschließlich um Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft. "Das subventionieren wir natürlich nicht“, erklärte Mega. (mfi)