Schlagabtausch zwischen Axel Springer und Google
Bei einer Podiumsdiskussion zur geplanten Ausweitung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet erklärte ein Verlagsvertreter, dass reine Links außen vor bleiben sollen. Bei Nachrichten-Snippets für irgendwie geartete gewerbliche Nutzung wolle man aber die Hand aufhalten. Ein Jurist von Google äußerte massive Bedenken gegen das Vorhaben.
Christoph Keese, Cheflobbyist der Axel Springer AG, erläuterte am gestrigen Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion auf Einladung des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco die Vorstellungen der Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern von der geplanten Ausweitung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet. Reine Links sollen demnach nicht unter das angestrebte sogenannte Leistungsschutzrecht fallen. Für die Übernahme von Kurzzusammenfassungen von Nachrichten wolle die Branche aber die Hand aufhalten. Dabei handle es sich um eine journalistische Kleinform, die jeden Tag in "Hunderten von Arbeitsstunden in den Verlagen" geschaffen werde: "Das ist unser Eigentum."
Mit Google gebe es bereits seit etwa einem Jahr intensive Gespräche über eine entsprechende Bezahlung der sogenannten News-Snippets, "die größer als Null ist", führte Keese weiter aus. Diese ins Stocken geratenen Verhandlungen seien aber "nicht das Entscheidende" bei dem neuen Leistungsschutzrecht. Vielmehr sollten damit künftig auch "gewerbliche Nutzer" von Presseinhalten zur Kasse gebeten werden. Der Volkswirt brachte hier das Beispiel einer Bank, in der ein Mitarbeiter sich auf den Besuch eines Firmenkunden vorbereite, diesen vorher google und dabei Einträge auf Zeitungsseiten finde. Analog zur Nutzung eines Pressespiegels in Unternehmen sei auch für entsprechende Akte des Ausdruckens, Weiterleitens oder Speicherns auf der Festplatte zu zahlen.
Zu konkreten Kosten für Firmen konnte sich Keese noch nicht äußern. Er machte nur klar, dass es nicht um eine Beteiligung an den Pauschalabgaben für Privatkopien gehe, die derzeit fast ausschließlich den Autoren zugute komme, und auch nicht um die Erweiterung dieses Modells durch die Einführung einer Kulturflatrate. Zunächst sei es wichtig, dass die Verleger für ihre Leistungen ein eigenes Recht erhielten. Bisher gebe es mit den vielen beschäftigten Freien Mitarbeitern nur Einzelverträge mit den unterschiedlichsten Einräumungen von Rechten, auf denen sich kein "Massengeschäft" aufbauen lasse. Die Leistungsschutzrechte würden die Verlage dann an eine Verwertungsgesellschaft weiterleiten für deren kollektive Wahrnehmung. Diese wiederum würde kommerziellen Anwendern Lizenzmodelle unterbreiten.
Eine Art GEZ zur Einziehung der "fairen" Online-Gebühren soll es dem Springer-Vertreter zufolge nicht geben: "Wir gehen vom rechtstreuen Nutzer aus." Da Verstöße gegen das Urheber- und das daraus abgeleitete Leistungsschutzrecht strafbewehrt seien, würden sich zumindest GmbHs und andere größere Firmengesellschaften sicher an die Lizenzierungspflicht halten. Anteile der privaten oder gewerblichen Nutzung in Unternehmen sollten nicht etwa mit einschlägigen Cookies kontrolliert werden. Eine Ausgrenzung von Nutzern, die selbst Inhalte produzieren, werde es auch nicht geben, meinte Keese. Jeder Blogger etwa könne sich zum Presseverleger erklären und das Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen.
Generell bezeichnete der Verlagsmanager die zusätzliche normative Absicherung als unverzichtbar für die Branche, da diese derzeit insgesamt pro Jahr mit journalistischen Inhalten im Web nur 160 Millionen Euro erlöse. Dies seien "frustrierend niedrige Einnahmen". Qualitätsjournalismus würde daher im Internet über Preisvergleichmaschinen, Partnerbörsen oder Reiseangebote sowie die Einnahmen aus dem Printgeschäft quersubventioniert. Dies sei aber "gefährlich", da nicht alle Verleger diese Umstrukturierung vornähmen und mittelfristig die journalistische Vielfalt in Gefahr sei.
Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung bei Google Deutschland, zweifelte die Zahlen an, da allein Axel Springer 2008 im Digitalgeschäft deutliche Zuwächse erzielt und die Erlöse signifikant auf 383 Millionen Euro gesteigert habe. Der Konzernüberschuss habe sich auf die Rekordsumme von 571 Millionen Euro belaufen, da könne Google hierzulande nicht mithalten. Die Forderung nach Lizenzgebühren auf Basis des Leistungsschutzrechts verglich er mit der Idee einer notleidenden Oper, Taxi-Betriebe als Vermittler der Besucher zur Abgabe eines Obolus zu verpflichten. Die deutschen Verleger seien europaweit zudem die einzigen, die vergleichbare Gedankenspiele forcierten.
Auch Michael Frenzel, Leiter Unternehmenskommunikation der 1&1 Internet AG, betrachtete das Vorhaben skeptisch. Online-Portale müssten sich zwar derzeit noch "strecken", um Geld zu verdienen. Die Werbeeinnahmen dürften aber rapide zunehmen. Man plane auf jeden Fall nicht, nach Einführung eines Leistungsschutzrechts sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen durch einen "von Presseerzeugnissen befreiten Zugang" für Firmen zu bieten, die ihr Scherflein nicht an die angedachte Verwertungsgesellschaft zahlen wollten. Es sei aber denkbar, dass diese dann – "ähnlich wie beim Jugendschutz" – nutzerautonome Filtermöglichkeiten verlangten.
Im Gegensatz zur Ankündigung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bremste Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschuss des Bundestags, Hoffnungen der Verleger auf eine zügige Verabschiedung eines Gesetzes zum Leistungsschutzrecht. Die von beiden Seiten vorgetragenen Argumente sind laut dem CDU-Politiker zumindest genauso bemerkenswert wie die Tatsache, dass sich "zwei wirtschaftlich Starke gegenseitig die Zahlen um die Ohren hauen". Er empfahl den Streithähnen zunächst, die Gegensätze ohne Eingreifen des Gesetzgebers auszugleichen. Niemand dürfe sich auf der sicheren Seite fühlen, nur weil das Leistungsschutzrecht im Koalitionsvertrag stehe. Einige sich die Koalition in Teilpunkten nicht, "ist das ganze Projekte auf Eis gelegt". Ein Handlungsbedarf könne sich aber eventuell ergeben, wenn man die Situation der Presselandschaft im digitalen Zeitalter insgesamt betrachte. (jk)