Schutzanspruch auf KontextmenĂĽ ist "Softwarepatent des Monats"

Beim NoSoftwarepatents-Award kürten Nutzer per Internet-Abstimmung ein Europa-Patent von Philips zum März-Gewinner, doch der Elektronik-Konzern fühlt sich zu Unrecht "geehrt".

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Das Rennen bei der erstmaligen Kür zum "Softwarepatent des Monats" über die Ende Februar gestartete Plattform NoSoftwarepatents-Award konnte ein Schutzanspruch von Philips auf die Darstellung eines Kontextmenüs für sich entscheiden. Über 57 Prozent der knapp 3000 Surfer, die sich an der Internetabstimmung beteiligten, sprachen sich für den 1987 vom Europäischen Patentamt (EPA) unter der Nummer EP249293 vergebenen Monopolanspruch aus.

Das Patent bezieht sich auf eine von den meisten Betriebssystemen und unzähligen Software-Programmen verwendete Funktion: Beim Klick auf die rechte Maustaste erscheint ein Menü, aus dem verschiedene Arbeitsvorgänge ausgewählt werden können. Philips' im kommenden Jahr auslaufender Schutzanspruch ist damit für die Wahl zum "Softwarepatent des Jahres 2006" nominiert, die im Herbst stattfinden soll. Ziel der Preisverleihung ist es, auf die möglichen von Patenten auf "computerimplementierte Erfindungen" ausgehenden Gefahren für Anwender und Entwickler von Software hinzuweisen. Den Award haben 1&1 und GMX gemeinsam mit Partnern ins Leben gerufen.

Das Philips-Patent für ein "prozessorgesteuertes Anzeigegerät für Daten und/oder Graphik" verwies Konkurrenten wie Monopolansprüche auf die zentralisierte Verwaltung untergeordneter Datenbanken, auf im Netz editierbare Dokumente mit Nutzererkennung oder auf die Bezahlung per Chipkarte auf die Plätze. Abgeschlagen landete ein Patent auf die Anzeige von Bildern in Grafikprogrammen auf dem hintersten Rang. Beim Gewinner stößt die Wahl aber auf Unverständnis: Er fühle sich geehrt, erklärt der verantwortliche Erfinder David Clark, da es sich beim Siegeranspruch "in der Tat nicht um ein Softwarepatent handelt". Vielmehr sei die Erfindung der "Pop-out"-Menüs das Ergebnis vierjähriger Arbeit in den 1980ern. Philips erklärt in einer Stellungnahme, dass sich "die drei Ansprüche des erteilten Patentes auf ein Wiedergabegerät beziehen und nicht auf ein Menü oder ein Software-Programm". Geschützt werde eine technische Innovation für die einfachere Verwendung interaktiver Fernseher und Computer.

Harald Talarczyk, Kampagnenmanager des NoSoftwarepatents-Award, hält die Argumentation Philips für ein Ablenkmanöver: "Die Diskussion um Begriffe wie 'Software als solche' verbreitet patentbegrifflichen Nebel, hinter dem Softwarepatente schwerer erkennbar sein sollen." Unabhängig davon gelte, dass Inhaber softwarebezogener Patente die Nutzung der beschriebenen Programm-Funktionen einschränken oder sogar blockieren könnten – falls die Schutzansprüche tatsächlich rechtlich durchsetzbar seien und vor Gericht Bestand hätten. Der daraus folgende wirtschaftliche Schaden könne für betroffene Unternehmen immens sein. Es möge wohl dem "Großmut" Philips zuzuschreiben sein, dass der Konzern das Patent nicht als strategische Waffe eingesetzt und andere Marktteilnehmer verklagt habe. Derlei Marktblockaden könnten Patenthalter aber künftig leichter gerichtlich errichten, falls sich Regierungsvertreter und die Patentanwalt-Lobby mit dem Wunsch nach Einführung eines European Patent Litigation Agreement (EPLA) durchsetzen würden.

Für den Softwarepatent-Gegner Florian Müller zeigt das gewählte gewerbliche Schutzrecht, "wie man ein Patent auf der Grundlage einer allgemeinen Beschreibung einer Idee anmelden kann". Es werde das Recht monopolisiert, ein allgemeines Problem zu lösen, anstatt eine tatsächliche technische Lösung offenzulegen. Selbst jemand, der die Patentschrift genau lese, sei anhand der darin getätigten reinen "Aufgabenbeschreibung" nur "ein Prozent näher daran, ein Programm zu schreiben, das tatsächlich ein Kontextmenü implementiert". Das Europäische Patentamt wollte sich nicht konkret zu dem ins Licht der Öffentlichkeit gerückten Patent äußern. Eine "Erörterung" sei generell bei bereits erteilten Schutzansprüchen praktisch nur noch über ein kostenpflichtiges Einspruchsverfahren möglich.

Die Kampagne geht nun mit fünf Kandidaten für die Wahl des "Softwarepatent des Monats April" in die nächste Runde. Zur Abstimmung stehen dieses Mal die letzten fünf vom EPA im Jahr 2005 erteilten Patente. Darunter finden sich je ein Schutzanspruch von Microsoft, von Fujitsu sowie der Techem AG, einem Dienstleister für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Ein Patent gehört der kanadischen Firma LMS Medical Systems, ein weiteres ging an den Franzosen Franck Jean Frédéric Perdrizet für ein Verfahren zur Handhabung von Baumdatenstrukturen zur räumlichen Navigation.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)