Türkei: AKP-Anhänger greifen Redaktion der Zeitung "Hürriyet" an
Offenbar weil sie mit einem Tweet der türkischen Zeitung Hürriyet nicht einverstanden waren, haben Hunderte AKP-Anhänger versucht, deren Redaktion zu stürmen. Hintergrund ist die Auseinandersetzung um eine Verfassungsänderung.
Rund 200 Anhänger der islamisch-konservativen AKP haben am Montagmorgen versucht, das Gebäude der Zeitung "Hürriyet" in Istanbul zu stürmen. Die Menschen hätten AKP-Slogans gerufen und die Scheiben der Drehtür zum Gebäude eingeschlagen, berichtet die englischsprachige Hürriyet Daily News. Die Polizei habe die Menge vom Gelände gedrängt.
Ein Tweet als Auslöser
Auslöser war nach Medienberichten eine Twitter-Nachricht der "Hürriyet", die sich auf eine Äußerung des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem Live-Interview am Sonntag bezog. Erdogan hatte im regierungsnahen Fernsehsender A-Haber gesagt: "Wenn eine Partei es geschafft hätte, 400 Abgeordnete oder die (nötige) Anzahl, für eine (neue) Verfassung zu bekommen, würde die Situation heute ganz anders aussehen." Die "Hürriyet" brachte die Äußerung online mit dem tödlichen PKK-Angriff in Dağlıca in Verbindung, bei dem offenbar mindestens 15 Menschen getötet wurden. Erdogan bestritt noch während des Live-Interviews, dass seine Werbung für eine parlamentarische Mehrheit zur Einführung eines Präsidialsystems eine direkte Reaktion auf den Anschlag war.
Der eigentlich zur Neutralität verpflichtete türkische Präsident Erdoğan hatte vor den Parlamentswahlen am 7. Juni vehement für 400 Abgeordnete geworben. Damit hätte die AKP die Verfassung ändern und ein Präsidialsystem einführen können, das Erdoğan mehr Macht verliehen hätte. Die AKP verlor jedoch ihre absolute Mehrheit. Bis zu den Neuwahlen am 1. November wird die Türkei derzeit von einer Übergangsregierung geführt. Unterdessen sind die Kämpfe mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK wieder aufgeflammt.
Angriffe auf Presse- und Meinungsfreiheit
Soziale Medien und vor allem Twitter stehen in der Türkei immer wieder im Fokus der Politik. So wird beinahe regelmäßig der Zugang zu dem Mikroblogging-Dienst gesperrt, um die Verbreitung unliebsamer Nachrichten, darunter vor allem Bilder, zu stoppen. Auch gegen die Presse geht der Staat immer wieder vor, jüngst etwa gegen den Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet und Journalisten von Vice News. (mho)