US-Bürgerrechtler befürchten "Next Generation Big Brother"

Dokumente über das Projekt "Next Generation Identification", die Bürgerrechtler nun veröffentlicht haben, zeigen die Rolle des FBI beim Aufbau einer großen biometrischen Datenbank auf.

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Das Datenerfassungsprojekt Next Generation Identification (NGI) der US-Ermittlungsbehörde FBI hat nach Ansicht von Bürgerrechtlern möglicherweise größere Folgen für die Privatsphäre der Bürger als bisher bekannt. Das gehe aus Dokumenten hervor, die das Day Laborer Organizing Network (NDLON), das Center for Constitutional Rights (CCR) und die Cardozo Law School Immigration Justice Clinic auf Basis des Freedom of Information Act (FOIA) angefordert haben. Diese haben sie vorige Woche im Web veröffentlicht.

Für NGI sollen für rund eine Milliarde Dollar neue Systeme für Finger- und Handballenabdrücke, Iris-Scans und Gesichtererkennung entwickelt und eine große Datenbank aufgebaut werden. Diese Datenbank soll nicht nur zur Erkennung von Kriminellen und potenziellen Terroristen im Rahmen der Strafverfolgung und Immigrationsüberwachung dienen, sondern laut Planung auch eine Schnittstelle für Firmen bereitstellen, um Mitarbeiter überprüfen zu können. Im März 2011 hat das FBI begonnen, die seit 2007 geplante Datenbank in Betrieb zu nehmen.

Ein Teil des Projekts NGI ist das "Secure Communities deportation programm" (S-Comm). Dabei werden von lokalen Strafverfolgern Fingerabdrücke von ausländischen Staatsbürgern registriert, die in den USA in Haft sind – egal aus welchem Anlass –, und an eine zentrale Datenbank weitergeleitet, die vom FBI gepflegt wird. Auf der Suche nach illegalen Einwanderern bedient sich daraus die Polizei- und Zollbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) des Department of Homeland Security (DHS, Ministerium für innere Sicherheit).

Die nun veröffentlichten Dokumente ließen daraus schließen, dass das FBI S-Comm als eine erste von weiteren geplanten Komponenten einer USA-weiten Erfassung biometrischer Daten auch von US-Bürgern ansieht. Jessica Karp vom NDLON meint, S-Comm sei eine Hintertür zu einer "nationalen ID Card", die nicht in der Brieftasche, sondern im Körper der Bürger selbst mitgeführt werde. NGI sei so nicht nur als ein "next generation Big Brother" angelegt, sondern darüber hinaus anfällig für Hacker und Sicherheitslücken, berge also ein großes Risiko des Identitätsdiebstahls.

Am Programm S-Comm ist in den USA zuvor bereits rege Kritik aufgekommen. Eigentlich sollten damit Schwerkriminelle ausfindig gemacht und ausgewiesen werden, doch jüngst berichtete die US-Zeitung Boston Globe über den Fall einer Brasilianerin, die in den USA aufgewachsen ist, und die wegen Autofahrens ohne Führerschein festgenommen wurde. Nun wartet sie auf ihre Abschiebung.

Die Teilnahme an dem Programm S-Comm war ursprünglich freiwillig, doch das wird sich voraussichtlich auf Betreiben des FBI ändern. Beispielsweise hatte der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo aus dem Programm ausscheiden wollen, DHS und ICE hätten ihm aber mitgeteilt, dass das nicht möglich sei, berichtete MSNBC.com. Ihr Ziel ist, dass bis 2013 sämtliche gut 3100 Strafverfolgungsstellen in den USA daran teilnehmen. Die Bürgerrechtler meinen, mit den Dokumenten nun die Erklärung für das Bestreben des FBI in den Händen zu haben, die Teilnahme an S-Comm zu verpflichten. (anw)