Überwachung im Netz: CCC und Anwaltsvereine kritisieren Juristentag
Der Chaos Computer Club und zwei Anwaltsvereinigungen stehen mit den Forderungen des Deutschen Juristentags auf Kriegsfuß, die Strafverfolgungsmöglichkeiten im Internet auszubauen.
Der Chaos Computer Club (CCC), der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen lehnen die Beschlüsse des Deutschen Juristentags zur Strafverfolgung im Internet ab. Dieser hatte vor gut einer Woche bessere Möglichkeiten gefordert, online begangenen Straftaten nachzugehen. Damit fordere der Deutsche Juristentag, heimliche Überwachungsmaßnahmen auszuweiten, "obwohl diese aus gutem Grunde von weiten Teilen der Öffentlichkeit als Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit des Bürgers skeptisch betrachtet werden", heißt es in einer Mitteilung.
Der Juristentag hatte sich für den Einsatz des Staatstrojaners und für eine mindestens sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Auch hatte er beschlossen, ein "Recht auf anonyme Internetnutzung" nicht anzuerkennen. Der CCC und die Anwälte meinen dazu, der Schutz der Daten vor dem Zugriff des Staates werde umso bedeutsamer, je mehr alle privaten Lebensbereiche von digitalen Kommunikationsmedien und Mobilfunknetzen abhängen. "Die Freiheit, unbeobachtet zu kommunizieren, muss daher in Zukunft besser geschützt und nicht etwa abgebaut werden." Wissenschaftliche Untersuchungen stellten den Nutzen beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten ohnehin in Frage.
Bereits heute würden Verbindungs- und Standortdaten und die Identität von Telefon-, Mobiltelefon-, E-Mail- und Internetnutzern in Strafverfahren standardmäßig abgefragt, heißt es weiter in der Mitteilung. Die Bundesnetzagentur habe allein für 2009 rund 4,5 Millionen Auskunftsersuchen deutscher Sicherheitsbehörden ermittelt. Dabei würden Informationen über viele Unbeteiligte ohne deren Wissen erhoben und an die Polizei weitergegeben. Die Informationsauswertung beschränke sich nicht allein auf die schlichten Verbindungsdaten, sondern mache über die Begleitumstände der Kommunikation auch Handlungen und Neigungen aus dem Privatleben sichtbar. Der CCC weist schließlich auch darauf hin, dass das von ihm voriges Jahr aufgedeckte Problem, die von deutschen Behörden verwendete Trojaner-Software genüge nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen, noch nicht gelöst sei.
Der Deutsche Juristentag repräsentiere als privater Verein nicht die Juristen in Deutschland, heißt es schließlich in der Mitteilung. In der Abteilung Strafrecht hätten etwa 80 Teilnehmer abgestimmt. Der 1979 gegründete RAV will die Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen verteidigen. Zusammen mit dem Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen und dem CCC gehörte der RAV 2007 zu den Gegnern der Vorratsdatenspeicherung. (anw)