Verhaltener Börsenstart für AOL

Die Aktie des Internet-Unternehmens AOL ist bei ihrem Comeback an der New Yorker Börse mit Verlusten gestartet.

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Von
  • dpa

Der Internet-Pionier AOL ist nach acht erfolglosen Jahren unter dem Dach des US-Medienriesen Time Warner wieder als eigenständiges Unternehmen an die Börse zurückgekehrt. Der erste Kurs lag bei 23,27 Dollar und damit 1,7 Prozent unter dem Ausgabekurs von 23,67 Dollar. Mit der Trennung von AOL zog Time Warner einen Schlussstrich unter einen teuren Fehlschlag. Die rund 100 Milliarden Dollar schwere Fusion beider Unternehmen im Jahr 2001 war als Jahrhundert-Hochzeit gefeiert worden. Nach dem Platzen der Internet-Blase blieben gigantische Verluste, die Ehe galt als gescheitert.

Noch zuletzt hatte Time Warner auch wegen AOL einen Gewinneinbruch hinnehmen müssen. Der Überschuss fiel im dritten Quartal um fast 40 Prozent auf 661 Millionen Dollar (444 Millionen Euro). Die Internetsparte leidet seit längerem unter sinkenden Nutzerzahlen sowie niedrigen Werbeeinnahmen und wies in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen heftigen Umsatz- und Gewinnrückgang aus. Der Leidensdruck bei Time Warner war so groß, dass der Konzern AOL an seine Anteilseigner verschenkt: Für jeweils elf Time-Warner-Aktien erhalten die Aktionäre ein neues AOL-Papier zuzüglich einer Quartalsdividende von 0,1875 Dollar je Anteilsschein.

Nach der Loslösung, das hatte der bisherige Mutterkonzern zuvor klargemacht, muss AOL sein Geschäft auf Vordermann bringen und dafür teuer umbauen. Im November hatte AOL angekündigt, rund 2500 Stellen und damit ein Drittel aller Arbeitsplätze zu streichen. Die Kosten sollen dadurch um 300 Millionen Dollar pro Jahr sinken. Allerdings soll die Restrukturierung zunächst rund 200 Millionen Dollar kosten. Experten vermuten, dass die Gesellschaft in den kommenden fünf Jahren mit weiter sinkenden Gewinnen rechnen muss.

Zumindest die künftige Strategie scheint weitgehend klar, ob sie aufgeht, ist höchst ungewiss. Künftig will AOL nicht mehr die Tür zum Internet öffnen, sondern Werbung vermarkten. Dafür hat der Konzern in den vergangenen Jahren neben dem bekannten Portal AOL.com etliche Websites aufgebaut und angekauft. Neben eigenen Inhalten vermarktet AOL fremde Internet-Seiten. Eine mögliche Konkurrenz zum Internet-Konzern Yahoo fürchtet AOL-Chef Tim Armstrong nicht. "Wir haben unterschiedliche Geschäfte und Strategien. Wenn ich mir die Konkurrenzsituation anschaue, sehe ich keine Hindernisse für uns, erfolgreich zu sein", sagte Armstrong während einer Telefonkonferenz am Donnerstag. AOL biete mehr Inhalte an und könne sich auch mit größeren Konkurrenten wie Yahoo messen. Zudem kündigte der Manager an, die Aktivitäten im Videogeschäft verstärken zu wollen.

Begonnen hatte die Verbindung von Time Warner und AOL auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie zur Jahrhundertwende. Damals hatte allerdings noch der Schwanz mit dem Hund gewedelt: Die viel kleinere Internet-Firma AOL hatte – getragen von dem Höhenflug der Aktien – den "Old-Economy-Veteran" Time Warner übernommen und stieg zum damals weltgrößten Online- und Medienkonzern auf. Die Fusion machte AOL die enormen Medieninhalte des Time Warner-Konzerns zugänglich und eröffnete Time Warner die weltweiten AOL-Onlinedienste. Verbrauchergruppen und Konkurrenten waren damals auch deshalb gegen den Zusammenschluss ­ letztlich erfolglos – Sturm gelaufen.

Wirtschaftlich gesehen stand die Elefantenhochzeit von Beginn an unter einem schlechten Stern: Die Aktienkurse beider Gesellschaften fielen nach der Fusionsankündigung deutlich, so dass sich der Wert der Transaktion bis zu ihrem Abschluss bereits deutlich reduziert hatte. Mit dem Platzen der Internet-Blase führte der Deal zu gigantischen Verlusten. Bereits nach dem ersten Ehejahr verbuchte das ursprüngliche Traumpaar ein Minus von knapp 99 Milliarden Dollar. AOL wurde entsprechend seiner geschrumpften Bedeutung aus dem Unternehmensnamen getilgt und mutierte zu einer von vielen Sparten des Medienkonzerns. (keh)