Vorratsdatenspeicherung: Gesetzentwurf im Unterhaus
Nach dem Willen des britischen Innenministeriums sollen Provider Verbindungs- und Standortdaten ein Jahr lang aufbewahren und Strafverfolger ohne Richtergenehmigung darauf zugreifen dĂĽrfen.
Das britische Innenministerium hat am Donnerstag den bereits angekündigten Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ins Parlament eingebracht. Laut der – einschließlich Erläuterungen über 100 Seiten starken – Vorlage (PDF-Datei) sollen Provider Verbindungs- und Standortdaten ein Jahr lang aufbewahren. Strafverfolger dürften ohne Richtergenehmigung auf die Informationen zugreifen; sie müssten allein eine Bestätigung eines Vorgesetzten vorlegen, dass sie die Daten für eine spezielle Untersuchung benötigten. Alle anderen zugriffsberechtigten Stellen bräuchten eine Anordnung eines Gerichts.
Vorzuhalten seien künftig auch Verbindungsdaten rund um die Nutzung sozialer Netzwerke, von Online-Spielen sowie Internet-Telefonaten, betonte die britische Innenministerin Theresa May gegenüber der BBC. Die Konservative bestätigte damit im Februar erschienene Berichte. Sie unterstrich auch, dass trotz der Ausweitung Kommunikationsinhalte außen vor bleiben sollten. Besuchte Homepages seien zu registrieren, nicht jedoch die aufgerufenen einzelnen Unterseiten. Der Vorstoß sei nötig für eine angemessene Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus.
Telecom- und Zugangsanbieter sollen weiterhin für die geforderten Dienste, die auch gezielte Suchen nach personenbezogenen Daten und das Ausfiltern überschüssiger Informationen umfassen, entschädigt werden. 1,8 Milliarden Pfund (derzeit 1,45 Milliarden Euro) plant das Innenministerium dafür im Rahmen der nächsten zehn Jahre ein. Gleichzeitig erwartet es, dass eine Überwachung nach seinem Gusto, zum Beispiel durch damit ermöglichte Beschlagnahmen, der öffentlichen Hand einen geldwerten Vorteil von 6,2 Milliarden Pfund, einbringt.
Den Kreis der Berechtigten, die prinzipiell Zugang zu den Daten erhalten sollen, schränkt die Gesetzesinitiative immerhin ein. Derzeit gehörten Hunderte öffentlicher Stellen dazu, erläutert das Innenressort. Künftig sollten neben der Polizei und Geheimdiensten nur noch die Serious Organised Crime Agency (SOCA), die National Crime Agency (NCA) sowie der Zoll einen Datenzugriff beantragen dürfen. Eine zentrale Datenbank beim Staat, wie sie die frühere Labour-Regierung vorgesehen hatte, werde es nicht geben. Zudem solle der britische Datenschutzbeauftragte Christopher Graham darüber wachen, dass die Informationen ausreichend geschützt und nach der Jahresfrist gelöscht werden.
Die Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten hatte nach ihrem Wahlsieg 2010 zunächst versprochen, die Vorratsspeicherung von Internet- und E-Mail-Verbindungsdaten zu beenden. Das von Bürgerrechtlern abgelehnte und mit einer Petition bekämpfte Vorhaben ist daher auch im Regierungslager umstritten. Der konservative Abgeordnete David Davis hält den Plan für einen "unglaublich starken Einschnitt in die Grundrechte", mit dem nur die "Unschuldigen und Inkompetenten" gefangen würden. Sein liberaler Kollege Tom Brake verweist auf die unklare Abgrenzung zwischen Verbindungs- und Inhaltsdaten und die bereits jetzt hohe Zahl von 500.000 Abfragen pro Jahr. Der Entwurf müsse vom Parlament nun genau unter die Lupe genommen werden. Die Liberalen konnten unter anderem erreichen, dass für die Beratungen mehr Zeit veranschlagt und eine Expertenanhörung durchgeführt wird. (ssu)