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Was war. Was wird.

Das Segelschulfschiff ist wieder da, der talentierte Herr aber schon weg. Hal Faber kann derweil auf eine Woche voller Bestien und Freudentränen zurückblicken.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Usama bin Ladin ist tot. Ein Double-Tap, ein Schuss ins linke Auge und in den Oberkörper richteten ihn hin. Ein Foto wurde gemacht und dieses mit einer Gesichtserkennungs-Software analysiert, die die Ähnlichkeit mit Usama bestätigte. Ein hartgesottener Kämpfer musste sich neben den toten Usama legen – ein Maßband hatte niemand dabei, die 1,92 cm zu vermessen. Nun werden die mitgenommenen Computer, Telefone und USB-Sticks ausgewertet, immer in Angst davor, bei falscher Passworteingabe einen Löschvorgang auszulösen. Fotos werden vorsichtshalber von Hand gelöscht. Derweil diskutiert die halbe Welt, ob Hillary Clinton Angst hatte oder gar Angst vor der Angst. Am Ende soll es ein Hatschi gewesen sein oder gar ein Gähnen, das beim Vorspielen des tonlosen Videos unterdrückt werden musste. Derweil hoppeln die leise hubschraubernden Seehunde weiter – in Syrien muss der nächste Massenmörder ausgeschaltet werden. Alles nur ein schlechter Scherz? So oder so, die USA bewies Manieren. Man hätte auch pünktlich zur Trauung des Jahrhunderts die Aktion durchziehen können.

*** Natürlich blühen die Verschwörungstheorien wie gedopter Löwenzahn, am schönsten die, die die USA im Visier haben. Professionelle Verschwörungstheoretiker beweisen, dass sie vor keiner Klitterung zurückschrecken, wenn als Titelbild zu Nine Eleven mal eben die Challenger-Katastrophe hineinkopiert wird – für die offenbar auch George W. Bush verantwortlich war. Irgendwie wird das schon zusammenhängen, die Empörer und Erklärer haben Konjunktur.

*** "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten." Ganz Deutschland empört sich über diesen Satz von Angela Merkel. – Ganz Deutschland? In dem Satz fehlt die Mahnung zum rechtsstaatlichen Handeln und das Töten erinnert im Vergleich zum Hinrichten oder Ermorden an die enthaltsame Außenpolitik unseres Landes. Bedenklicher ist schon, dass ein amtierender Innenminister in der Debatte um die Sicherheitsverwahrung in einer Radiosendung von "Bestien" spricht und keinen Widerspruch erfährt:

"Da geht es eben nicht darum, ihn für seine frühere Tat zu bestrafen, sondern heute die Bevölkerung davor zu schützen, dass sie erneut Opfer einer solchen Bestie wird.

Heckmann: Ăśber die Konsequenzen aus dem gestrigen Karlsruher Urteil haben wir gesprochen mit Joachim Herrmann, dem Innenminister Bayerns von der CSU. Herr Herrmann, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Herrmann: Ich danke Ihnen auch! Einen schönen Tag!

Heckmann: Ihnen auch."

*** Einen schönen Tag allen, die unwidersprochen derartiges akzeptieren, aber beim "Töten" die Bibel in der Mottenkiste suchen! Mitunter muss man Innenministern für ihre Klarheit dankbar sein. Etwa für die Aussage des Bundesinnenministers, nach denen die Terroristen der "Düsseldorfer Zelle" durch die Analyse der Fluggastdaten von amerikanischer Seite ins Visier der Trojaner-Installateure und sehr erfolgreichen Abhörer genommen wurden. Das führt indes zur Frage, wofür genau die verdachtsunabhängige Volks-Vorratsdatenspeicherung von sechs Monaten gebraucht werden. BKA-Chef Ziercke spricht nur davon, dass es beinah schiefgegangen sei. Wann, wenn nicht jetzt, nach der Verhaftung der "Düsseldorfer Zelle", ist ein günstiger Zeitpunkt, en Detail zu erläutern, was beinah schiefgegangen wäre und warum dagegen die Totalerfassung aller Kommunikationsdaten hilft? Ein BKA-Chef, der diese Forderung nicht versteht und obendrein erklärt, dass er die Politik nicht versteht, lässt doch den Verdacht aufkommen, dass sein verstehendes Organ defizitär arbeitet. Hier dauern die weiteren Ermittlungen noch an.

*** Passend zur Einfahrt der Gorch Fock sind die Ergebnisse der Dissertationsuntersuchung der Universität Bayreuth bekannt geworden. Schwarz auf weiß ist von einer "vorsätzlichen Täuschung" die Rede, die der talentierte Herr Guttenberg begangen hat, beim Versuch, Stroh zu Gold zu spinnen. Bekanntlich macht der altgriechisch sprechende Adlige beim versäumten Kairos der Dissertation die Schergen des Internets dafür verantwortlich, dass es mit dem Täuschungsversuch nicht recht geklappt hat. So bleibt es dem Chronisten in dieser kleinen Wochenschau übrig, mit dem großen Ovid und seiner trefflichen Beschreibung des Internets zu antworten:

Höf' und Säle durchwühlt's; leichtflatternde gehen und kommen;
Und mit wahren GerĂĽchten ersonnene wild durcheinander
Ziehn bei Tausenden um und rollen verworrene Worte.
Einige füllen davon mit Geschwätz die müßigen Ohren;
Andere tragen Erzähltes umher; und das Maß der Erdichtung
Wächst; und es fügt zum Gehörten das Seinige jeder Verkünder.
Dort ist gläubiger Wahn und dort zutappender Irrtum,
Eitele Fröhlichkeit dort, bei dumpf anstarrenden Schrecken,
Aufruhr, jählich empört, und unverbürgte Gezischel.

Was wird.

In der Regel wird an dieser Stelle ein Blick auf kommende Ereignisse geworfen, damit sie nicht ganz so überraschend kommen wie der Muttertag oder die Abstimmung zwischen Nolympianern und OlympiJanern in Garnix-Partenkirchen. Keine Regel ohne Ausnahme, daher geht es noch einmal um den Zensus 2011. Der ist, wenn die Erhebungsbeauftragten losziehen, größtenteils abgeschlossen: Die Haus- und Wohnungsbesitzer sind befragt, die Meldedaten und die Daten der Arbeitsagentur und die anderer Behörden sind zusammengeführt. Das Volk spielt bei dieser Volkszählung noch die geringste Rolle von 9,8 Prozent und ist dementsprechend desinteressiert. Dennoch gibt es Journalisten, die allen Ernstes die sozialen Netzwerke für das Desinteresse verantwortlich machen.

Ähnlich wie das Sicherheitstheater der Innenminister ist der Besuch von Erhebungsbeauftragten bei zufällig ausgewählten Bürgern etwas aus der Abteilung teure Placebos. Das zeigt der Fragebogen. Es gibt Fragen zur Schulbildung, angeblich um die verkorkste Bildungspolitik aller Bundesländer "planbarer" zu machen. Es gibt Fragen zur Arbeitssuche, mit der die Daten der Arbeitsagenturen abgeglichen werden. Heißer Tipp: Morgen erscheint auch die neue c't , die Stellenanzeigen enthält. Damit kann jeder Leser dieser Wochenschau Frage 40 ohne Probleme mit "Ja" beantworten: Was angesichts der Zwangsdrohungen bleibt, nennen kluge Politikwissenschaftler den vernakulären Widerstand und sprechen von der Obfuskation der Daten. Das ist eine Technik, die mancher Leser als Quelltextverschleierung kennt. Es gibt keinen triftigen Grund, auf diese Technik des Widerstandes zu verzichten. Die Argumente, dass es um eine bessere Stadtplanung und den Bedarf an Kindergärten und Schulen geht, beleidigen den Verstand. Es geht um den Länderfinanzausgleich, um die Verteilung der Bundesratssitze und um Kontrolldaten für den gespeicherten Wahnsinn namens ELENA, wo viele Firmen längst kapituliert haben und nichts mehr melden. Wer wissen will, wohin die im Mai 2017 zu löschende Datenhamsterei führen kann, sei auf den neu konzipierten US-amerikanischen Antragsbogen zum Reisepass (PDF-Datei) verwiesen, mit dem der Kampf gegen den Terror verbessert werden soll. Immerhin ist uns das Terror-Argument erspart geblieben. Bis jetzt. Zu Ehren eines genialen Werbespots für alkoholfreies Clausthaler schließe ich heute mit einem kleinen Sketch.

Klingelinglingeling. "Ist offen, kommense man rein!"

"Guten Tag, ich bin der zuständige Erhebungsbeauftragte."

"Mensch Kalle, was machst du denn hier? Hastes nich mehr ausgehalten bei deinen SchĂĽlern? Ist doch allet so RĂĽtli bei euch."

"Ich bin Erhe.."

"Geschenkt Alter, issja ne heiĂźe Sache das mit der Bildung. KĂĽmmelchen?"

"Ich bin im Dienst. Als Erhebungsbeauftragter fĂĽr den Zensus 2011"

"Dienst nennste das? Issja ein Witz, dass ausgerechnet Informatoren als Informanten rumlaufen und Leute nach dem Bildungsabschluss befragen. Ey, die haben sogar unser Transformatorenhäuschen da hinne angeschrieben, die Registergestützten. War ganz verdaddert und hat Kurzschluss als höchsten Abschluss angegeben. Nochn Kümmelchen?

"Klllar. WeiĂź garnicht, ob ich dich befragen darf, Aller."

"Kannst du, kannst du, kennst doch unsere HĂĽtte und die kleinen ScheiĂźer. Ich hol noch ne Flasche."

"Das isses ja. Also, du bist geschieden, nachdem Hanna die Hormonpimperung machte, lebst aber in Lebenspartnerschaft mit ihr, äh ihm, der jetzt verbandelt ist mit einer alleinerziehenden Witwe, die Kinner geröslert hat. Unf all die Gören, fascht so ville wie meine Klassen. Prost. Und eure Jöhl, Jöhl.."

"Jedi heißt datte. Nich Jöhl. Kümmelchen?"

"Ämja, Ämja, meinja, das ist alles so nackt, ähm beknackt pliziert bei euche. Steht ganix von drinne im Handtuch. Prost!"

"Weissewas, gib einfach mal dĂĽsse Fetzelchen rĂĽber. Dat kann nachher der Bengel machen mitm Lappplop unem Innernet online. Issja janz stolz drauf, unser Little Bobby Tables. Hat auch sonen Eifon, ganz kluges Ding. Legste einfach auf den Krams, verpetzt alles. Solln die Spastistiker doch diesen Jobs machen. Prost Kalle, auf die alten Zeiten. Weissenoch?"

"Prost. jau, voll der Hammer. 10.000 Sandsäcke und alle so ruhig. Janz anners als die Penne. Los, aufstehen. Hick! PARCERE SUBIECTIS ET DEBELLARE SUPERBOS! Hick!" (anw)