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Was war. Was wird.

Wenn alles so kommt, wie sich das manche Politiker vorstellen, wird seine Wochenschau in Zukunft ganz anders aussehen, befürchtet Hal Faber.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Am Anfang kam die Wochenschau mit einem oder zwei Links aus, da wurde viel zitierter Text eingebaut, auf Bilder wie auf Videos verzichtet. Dies geschah vor allem darum, weil die Informationsbröckchen, die abseits der täglichen IT-Nachrichtenschau wichtig waren, auf Servern lagen, die bei einem Heise-Link schnell an ihre Grenzen kamen. Das hat sich seit dem Jahre 2000 grundlegend verändert: Das Web liefert und eigentlich kann ich auf alles verlinken, was mir gefällt oder nicht gefällt, im Rahmen der deutschen Gesetze. Gut, es gab schmerzhafte Niederlagen, aus denen zu lernen war, etwa die Verlinkung auf ein (heute noch vorhandenes) Foto eines verstorbenen Münchener Anwaltes im Kampfanzug, behängt mit allerlei Waffen. Der immerzu auf dem Kriegspfad lebende Waffenfan sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Eine Wochenschau erschien anno 2005 unter Verzicht auf alle Links als Protest gegen ein Urteil, das damals die Musikindustrie gegen den Heise-Verlag durchsetzte. Wie schrieb ich damals?

"Halten wir also fest, dass die Eigentumsinteressen der Musikindustrie die Pressefreiheit einschränken dürfen. Wer wirklich Pressefreiheit will und keinen Staat, in dem das Urheberrecht pervertiert als Eigentumsinteresse diese Freiheit erodiert, muss offensichtlich die mächtige Musikindustrie eines Besseren belehren.

*** Die ganze Geschichte hinter dieser Meldung kann in der Dokumentation Heise versus Musikindustrie nachgelesen werden, jede Zusammenfassung würde hier nur stören. Denn jetzt sind die Verleger selbst dabei, die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken zu wollen in schöner Perversion ihrer vom Grundgesetz geschützten Aufgabe. In dieser Woche ist der Entwurf für ein Leistungsschutzrecht bekannt geworden, der eine Wochenschau wie diese nachhaltig verändern wird, sollte dieses Erpresse-Erlöse-Gesetz tatsächlich verabschiedet werden. Dieser Entwurf wird bereits heftig kritisiert und juristisch en Detail analysiert. Was er für eine Wochenschau wie diese bedeuten kann, die eine Lieferung eines glücklichen Freien an einen Verlag in kommerzieller Absicht entsteht, wird bestens von Augen Geradeaus! auf den Punkt gebracht. Keine Links auf deutsche Texte von FAZ, tageszeitung und Co. mehr, nur noch knappe Zusammenfassungen wie anno 2000. Im Gegenzug werden internationale Medien wichtiger, die nicht von kleinkarierten schwarzgelben Lobbygesetzen betroffen sind. Immerhin kann auf offizielle Webseiten verlinkt werden, auf Blogs und auf verlegerische Texte, die ausdrücklich das Verlinken und Zitieren gestatten. Ähnlich wie die Flattr- oder Facebook-Buttons wird es einen Button oder eine Creative Commons-Lizenz für LSR-freie Zonen geben.

*** Vorsicht wird geboten sein, nicht nur bei Texten, Bildern und Videos, die Verlage über ihre Webpräsenz veröffentlichen. Die vorige Wochenschau beschäftigte sich beispielsweise mit der Liaison von Schufa und Hasso-Plattner-Institut (HPI) und der sofortigen Kündigung der Zusammenarbeit nach heftiger Kritik. Das war kein unbeachteter Informationsbrocken, nur eine besonders dämliche PR, von kurzatmigen Medien aufgegriffen. In dieser Woche hat das HPI nachgelegt und ein Video veröffentlicht, in dem der Namensgeber Hasso Plattner den Schufa-Deal verteidigt. Es bleibt künftig ohne Link, der nur mit Genehmigung des Institutes erfolgen darf. Selbst die Pressemitteilung zur Plattner-Rede kann künftig problematisch werden, da der Informationsdienst Wissenschaft ein eingetragener Verein mit verlegerischem Charakter ist, der künftig einen findigen Anwalt beschäftigen könnte. Zukünftig wird der Blick in die jeweiligen Nutzungsbedingungen solcher Angebote Bestandteil der Recherche.

*** Was dann übrig bleiben könnte, wäre das vom Zitatrecht gedeckte "Forschung missbraucht keine Daten, sondern analysiert lediglich, wie man gesammelte Informationen nutzen kann", ein Satz, der angeblich nach der Pressemitteilung in deutlicher Weise das HPI von aller Schufa-Schuld freispricht. Dass im "analysiert lediglich gesammelte Informationen" die Jahrhunderte alte Trauergeschichte unpolitischer Wissenschaft steckt, überlesen wir an dieser Stelle einfach. Lässt man das Traktat zum Data Mining beiseite, könnte vielleicht noch das große Na Na Na zitiert werden, dass von den "Informatikwissenschaftlern" den Informatiklaiendarstellern unter den Kritikern hinterhergerufen wird:

"Das Ziel der HPI-Informatikwissenschaftler war es daher nie, Grundlagenforschung rund ums Text Mining zur Bewertung der Zahlungsfähigkeit einer Person heranzuziehen. Beide, die Schufa und das Hasso-Plattner-Institut, hatten bereits in den ersten Gesprächen klargestellt, dass sich solche explorative Grundlagenforschung über den Einsatz von Textanalyseprogrammen nicht für Bonitätsprüfungen eignen würde oder verwenden ließe."

*** Ganz nebenbei bleibt die Frage, was von einer Grundlagenforschung zu halten ist, die von vornherein ausschließen kann, dass sie sich für Bonitätsprüfungen eignet? Drittlagenforschung? Feigenblattwissenschaft? Ahornblattkreiselei?

*** Zu den betrüblichen Nachrichten dieser Woche zählt der Tod der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die die schöpferische Vernunft der Commons erforschte, vom Weideland über den Meeresgrund, von Alpenalmen bis zu dem kulturell gewachsenen Wissen, das niemals einem Einzelnen gehört. Aber was allen gehört, muss auch für alle zugänglich, erhalten, also nachhaltig bewirtschaftet werden. Ein großer Gedanke in einer Zeit, in der Leistungsschutzrechte diskutiert werden. Wie war das noch mit dem heutigen Geburtstagskind John Hersey, der als Journalist seine epochale Hiroshima-Reportage zunächst an den New Yorker verkaufte, dann aber unter der Auflage verschenkte, eine Spende an das Rote Kreuz zu überweisen, damit alle erfahren können, was sich nach einem Atombombenabwurf abspielt?

*** Was spielt sich ab, wenn Fußball gespielt wird? Die Bildregie der UEFA blendet besser als jeder staatliche Zensor alles aus, was sich in Polen und der Ukraine abspielt. Dass politische Plakate hochgehalten werden, dass Bananen gegen den schwarzen Italiener Balotelli geworfen werden und dass die Promis fehlen. Ein Trainer Löw wird gezeigt, der einen Balljungen angeblich mitten im Spiel piesackt. Bald werden Politiker zu sehen sein, die klatschend ihren Landsleuten zujubeln, ohne jemals im Stadion gewesen zu sein. Ja, es ist ein Freudenfest, diese schönste Nebensache.

*** Hinzu kommt die Verblödungsbereitschaft der deutschen öffentlich-rechtlichen Sender, die offenbar ein Leistungsverweigerungsrecht kennen. Derweil wird die Demokratie abgeschafft und Europa liquidiert. Dass ich das noch zitieren darf aus der oben stehenden Verlinkung, das wird in ein paar Jahren ein kleines Wunder sein – wenn das Leistungsschutzrecht denn durchkommt:

"Wer könnte insofern Verschwörungstheoretikern und Anhängern der These vom Massenbetrug durch Kulturindustrie leicht widersprechen, wenn sie argwöhnten, die ganze EM diene einer Ablenkung von der Brüsseler Umstellung auf Demokratur? Das Fernsehen jedenfalls verhält sich so, als sei das so und dies sein erwünschter Beitrag."

Was wird.

Heute vor 127 Jahren kam die Statue namens Liberty Enlightening the World in den USA an, ein Geschenk des französischen Volkes. Die Fackel der Aufklärung sollte ankommende Schiffsreisende daran erinnern, dass Freiheit ein kostbares Gut ist, so die Idee des französischen Politikers Laboulaye. Was von der Idee der Freiheit im Internet künftig verwirklicht werden kann, will nun die Europäische Union auf dem ersten Digital Enlightment Forum besprechen. Auf der Tagesordnung der Digitalen Aufklärung stehen: Das Verhältnis von Technologie und Recht, die staatliche Kontrolle oder Nicht-Kontrolle des Netzes und die ganz schufanisch einher kommende Frage, ob Data Mining die Privatsphäre bedroht. Vom Programm (PDF-Datei) her ein nobles Unterfangen, das in der Realität etwas anders aussieht. Die Brüsseler Umstellung auf Demokratur wird nicht nur in Deutschland kritisch gesehen. (anw)