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Was war. Was wird.

Märchenstund hat Gold im Mund. Oder so. Oder anders. Märchenstunde aber bleibt es, und damit müssen wir nun vier Jahre leben, oder wie, oder was? Hal Faber schaudert ob der Neuauflage des Winterhilfswerks, oder so, oder anders.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Jede Woche müht sich ein Kampfradler ab, eilt durch die Eilenriede, dabei fluchend, dass der Umwerfer hakt, um schließlich auf einem dunklen Parkplatz den Stick mit der kleinen Wochenschau NSA-sicher in einen toten Briefkasten zu werfen, dabei fluchend. Es ist kein schönes Schaupiel, aber ein notwendiges, bei Wind und Wetter, die Basecap tief ins Gesicht gezogen. Und nun das: "Wir wollen darauf hinwirken, dass deutlich mehr Fahrradfahrer Helm tragen." Ja, über den schwarzroten Koalitionsvertrag ist viel gesagt worden, auch über den sigmariösen Unsinn, die geplante Vorratsdatenspeicherung mit dem Breivik-Massaker zu begründen. Aber kein Wort über die sinnlose Behelmung des deutschen Fahrradfahrers. Nein, dieser großen Koalition kann kein Radler seinen Segen geben, der eben nicht im Peloton durch die Gegend rast oder mit dem Mountainbike einen Berg hinunter brettert. Der Sinn und Nutzen von Fahrradhelmen ist umstritten, aber was schert das die Große Koalition? Einen feuchten Nieser? Nein, auch das wird zu regeln sein: "Wir wollen den Schutz der Menschen vor Erkältung verbessern und erarbeiten dazu im Dialog mit allen Vereinen und Verbänden der Bundesrepublik sowie den in keinem Verein oder Verband organisierten Bürgerinnen und Bürgern den nationalen Wintersicherheitsplan." Große Worte, denen noch größere Taten folgen sollen, man denke nur an die Internationale und "die Sonn' ohn' Unterlass", die nach der Vertreibung von Rabe und Geier scheinen muss zum Schutz gegen die Erkältung. Auf der anderen Seite: Es gab auch schon mal ein Winterhilfswerk, unseligerweise.

*** Seltsamerweise findet sich die Steinbrücksche hätte, hätte, Fahrradkette nicht im Koalitionsvertrag. Dafür gibt es jede Menge anderer Ketten. Das Zeitalter der Kette ist angebrochen, weil alles mit allem zusammen irgendwie clustergefucked ist: Bildungskette, Innovationskette, Reisekette, Rohstofflieferkette, Rohstoffwertschöpfungskette, Transportkette und Wachstumskette zeugen vom ganzkettlichen Denken. Schade, dass im Vertrag die Netikette fehlt, da hätte im Dialog mit allen Vereinen und Verbänden der Bundesrepublik sowie den in keinem Verein oder Verband organisierten Bürgerinnen und Bürgern der nationale Internethöflichkeitsplan erarbeitet werden können. Ein Internethilfswerk gab es bislang allerdings noch nicht, vielleicht fassen künftige Generationen die Schengenrouting-Pläne darunter.

*** Aber von wegen der Höflichkeit: Dieses kleine Quatsch-Video zum Thema der in Parteien versammelten Bürgerinnen und Bürger als verfassungsrechtlich problematisch legitimierten Abnicker des Koalitionsvertrages hat es in die Top Charts bei Dutube geschafft. Das war zwar mitnichten großer Journalismus, weil ein Gespräch mit dem Verfassungsrechtler fehlte, aber ein guter Vorgriff auf dass, was uns blüht, komplett mit einer SMS an den Intendanten. Aus den Kotzbrocken sind Elefanten geworden, die jedwede Widerständigkeit wegfurzen werden. Da hilft dann auch kein Fahrradhelm.

*** Dann gibt es da noch die Digitale Agenda, die mit hehren Worten eine sonnige Zukunft verspricht. "Der Erhalt des offenen und freien Internets, die Sicherung von Teilhabe, Meinungsvielfalt, Innovation und fairer Wettbewerb sind zentrale Ziele der Digitalen Agenda. Der diskriminierungsfreie Transport aller Datenpakete im Internet ist die Grundlage dafür." Toll. Das ist doch mal ein anderes Kaliber als der nationale Wintersicherheitsplan gegen Erkältungen. Netzneutralität soll es auch geben, aber nicht überall, denn Mobilfunkanbieter sollen die Internettelefonie "gegebenenfalls gegen separates Entgelt" anbieten. Mit Skype soll der Extra-Rubel rollen. Komm lieber Gilb und mache unser Netzelein wieder heil, könnte man trällern für den Wunsch nach einem ungestörten Schengenrouting im Gespräch von Frank und René. Dabei will dem René seine Firma gar nicht mehr der Gilb vergangener ruhmreicher CCC-Tage sein: "Das, was du als Beamtenladen bezeichnest, schlägt sich seit fast 20 Jahren erfolgreich in einem brutalen Wettbewerb. Die Kunden vertrauen uns." Dem Frank sein Verein will regionale, nationale, europäische Angebote haben, um gegen Spion & Spion ankommen zu können. "Es muss um das Fördern von Angeboten – nicht um Zwang – gehen, um langfristig eine Technologiesouveränität herzustellen." Soso. Um es mit Carl Schmitt zu sagen: Souverän ist derjenige, wer über den Abhörzustand entscheidet.

*** Was Frank da dem René vorschlägt, formuliert der Koalitionsvertrag übrigens so: "Es wird ein Förderprogramm 'Innovation in IT-Forschung und Sicherheit' zur Stärkung der nationalen F&E-Aktivitäten in diesen Bereichen weiterentwickelt, wobei Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit für unterschiedliche Anwendergruppen in Einklang gebracht werden." Da können wir froh darüber sein, dass ein Einklang für Unterschiede festgelegt wurde. Manchmal ist so ein Einklang nichts weiter als drei ordentlich geparkte Autos vor dem Amt für Innovationsförderung des Bildungs- und Forschungs-Ministeriums. Bleibt schließlich noch die Frage, ob es beim Förderprogramm auch echte Förderknete gibt und diese abseits der stets knetbereiten Fraunhofer-Institute unabhängigen Projekten zugute kommt.

*** Wer Microsoft weiter regieren soll, steht kurz vor der Entscheidung. Es gibt zwei Favoriten und noch ein paar weitere Kandidaten. In der Süddeutschen Zeitung, die ein Faible für Bill Gates hat, steht in der Wochenend-Ausgabe ein Interview mit Gates, in dem sich dieser rühmt, bei der Nachfolgersuche geholfen zu haben. Weil das Gespräch nicht online steht, dürfte die Welt niemals erfahren, dass es im Hause Gates keinen Bannfluch für Apple-Geräte mehr gibt. Noch bedauernswerter ist die launige Schilderung vom Hacker als jungen Mann: "Ich brachte ein großes Computernetzwerk zum Absturz. Computer waren damals ja so teuer, dass sie von mehreren Leuten zusammen genutzt wurden. Solche Netzwerke waren sehr anfällig. Die erste freie Computerzeit, die ich bekam, war bei einer Firma, bei der man Computer kostenlos nutzen konnte, solange man Fehler darauf fand. Ich konnte Problem nach Problem finden. Das war ein großartiges Training. Aber Computer waren damals noch sehr unsicher." Am Ende verteidigt Gates die segensreiche Erfindung des Computers und wendet sich gegen Maschinenstürmerei: "Computer verletzen keine Menschen. Aber es gibt Cyberterrorismus. Und Einbrüche in die Privatsphäre. Man lässt sich scheiden, und es steht online. Sollte das wirklich jeder wissen?" Wie und wo dieser Scheidungsanzeiger funktioniert, lässt Gates offen.

*** Fluch und Segen der Computertechnik liegen bekanntlich so eng beisammen wie Nasenlöcher. Ich finde es himmlisch, selbst in tiefster Nacht Hinweise zu weiteren Geschichten von meinen Lesern per Mail zu bekommen, auch wenn ich erst am nächsten Tag antworte – keine Mail, keinen Tweet nach 22:00, wenn der Rotwein dekantiert ist. Das finden nicht alle, weshalb es vollkommen OK ist, wenn der Betriebsrat eines Unternehmens wie VW eine Betriebsvereinbarung zum Mailstopp am Feierabend durchsetzt. Deswegen eine allgemeine Regel zu fordern, ist eine typische Fehlleistung von Ministerin von der Leyen gewesen, die nach neuesten Gerüchten Bildungsministerin mit Internet-Verantwortung werden soll. Das jetzt der neue Chef der IG-Metall klare Vorgaben fordert, womöglich eine gesetzliche Regelung, ist eine klare Aussage zur Digitalen Agenda in Deutschland. Wie war das noch mit der Bahnsteigkarte und der Maut im Gedicht von Lenin? Call me easy...

Was wird.

Die letzten Lose sind vergeben, der erste echte Test der elektronischen Gesundheitskarte kann starten. Arvato Systems baut die telematische Infrastruktur, T-Systems International bekommt die Testregion Südost, die CompuGroup die Testregion Nordwest. Ärzte bekommen ihren Heilberufsausweis, Versicherte eine Gesundheitskarte und eine PIN zur Dokumentation ihres Einverständnisses beim Zugriff auf die Kartendaten abseits der Stammdaten. Diese Stammdaten und der Zuzahlungsstatus werden telematisch online überprüft, während die Ärzte dank der Schlüssel auf ihrem Heilberufsausweis sich untereinander die Befundungen End-to-End-verschlüsselt schicken können. Welches Netz und welchen Provider sie dafür nutzen, ist ihnen freigestellt. Unterdessen werden von den Kassen herkömmliche neue Gesundheitskarten ohne Foto ausgegeben, weil vermehrt religiöse Gründe geltend gemacht werden. Es ist geradezu unheimlich, wie kurz vor Weihnachten und Chanukka der Pastafarianismus um sich greift. Darauf heben wir einen Adorno. (jk)