Web 2.0 als Minenfeld für US-Richter

Eine Disziplinarkommision in Ohio sieht den Online-Umgang von US-Richtern mit zum Beispiel Anwälten auf Facebook & Co unter bestimmten Bedingungen durchaus als statthaft an. In Florida hat der Ethikrat hingegen dem Befreunden auf Facebook eine Absage erteilt.

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Soziale Netzwerke stellen für Richter anscheinend ein Minenfeld dar. Wenn Justizia einen Anwalt zum Facebook-"Freund" hat, wenn ein Richter Tweets eines Polizeibeamten retweetet oder die Website einer Lobbyorganisation "mag", kann schnell der Eindruck von Befangenheit entstehen. Doch in den USA sind diesbezügliche Richtlinien, wenn es sie überhaupt gibt, widersprüchlich. Kürzlich hat die Disziplinarkommission des Supreme Court of Ohio ihre Meinung dazu geäußert (MS-Word-Dokument). Richter dürfen demnach auf Facebook und Co tätig sein, müssen sich aber selbst beschränken und stets wachsam bleiben.

Auf neun Seiten versucht die Kommission, die bestehenden Regeln über richterliches Verhalten auf das Web 2.0 anzuwenden. Sie kommt zum Schluss, dass ein Richter auch mit Anwälten, die in seinen Verfahren auftreten, auf Facebook "befreundet" sein darf. Denn schließlich sei auch der gesellschaftliche Umgang außerhalb des Internet zulässig.

Allerdings müssten alle Aktionen und Interaktionen eines Richters das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit untermauern. Daher sei schon der Eindruck von Unschicklichkeit zu vermeiden. Richter müssten dies bei allen Online-Aktivitäten beachten. Auf den Prozess bezogene Kommunikation mit nur einer Partei sei online auch in Notfällen zu unterlassen – was freilich offline nicht so streng gesehen wird. Äußerungen zu laufenden oder erwarteten Prozessen sind selbst gegenüber Dritten zu unterlassen. Rechtliche Ratschläge im Internet zu erteilen ist überhaupt verboten, auch wenn dies mit konkreten Fällen vor Gericht nichts zu tun hat.

Untersagt ist den Richtern außerdem, sich selbst online eine Meinung zu bilden. So ist dem Dokument zu Folge etwa das Aufsuchen von Facebook-Pages oder Webseiten von Prozessparteien oder Zeugen tabu. Überhaupt darf der Richter keinerlei Fakten selbst ermitteln, sondern darf nur beachten, was im Prozess vorgebracht wird. Sollte er bereits Tatsachenwissen über etwas haben, was in seinem Verfahren umstritten ist, habe sich der Richter selbst zu disqualifizieren.

Die öffentliche Kommunikation mit Personen oder Organisationen sei danach zu beurteilen, ob sie das Vertrauen in die Unabhängigkeit der gerichtlichen Entscheidungsfindung beeinträchtige. "Es gibt keine klare Grenze", betont die Disziplinarkommission von Ohio, die zudem darauf hinweist, dass ihre Meinung hypothetische Fragestellungen betrifft und nicht verbindlich ist.

In Kentucky ist es nach einer Stellungnahme der dortigen Ethikkommission den Richtern ebenfalls gestattet, auf Facebook, LinkedIn, Myspace und Twitter mit Verfahrensbeteiligten in Kontakt zu stehen. Schließlich vermittle ein "Friend" auf Facebook für sich genommen nicht den Eindruck, dass diese Person den Richter beeinflussen könne. Auch in South Carolina und New York wurde das nicht verboten. In gewisser Hinsicht sei das ähnlich eines Adressbucheintrags oder einer Unterhaltung in der Öffentlichkeit, meint der Ethikrat in New York.

Ganz anders die Situation in Florida: Dort hat der Ethikrat dem Befreunden auf Facebook eine klare Absage erteilt. Dies würden den Eindruck vermitteln, die Person könne den Richter beeinflussen. Selbst ein Disclaimer auf der Facebook-Seite des Richters, wonach die gelisteten "Freunde" keine Freunde im herkömmlichen Sinn seien, würde sozialnetzwerkenden Richtern in Florida nicht helfen. Und auch wenn ein Richter alle Anwälte gleichermaßen "frienden" würde, selbst jene, die er nicht einmal dem Namen nach kennt, wäre das kein Ausweg.

Aus North Carolina ist ein Fall bekannt, in dem ein Richter von der zuständigen Kommission für seine Webaktivitäten öffentlich gerügt wurde (PDF-Dokument). Er hatte über Facebook mit dem Anwalt des Kindesvaters relativ unverfängliche Kurzbotschaften über einen laufenden Sorgerechtsstreit ausgetauscht. Außerdem hatte der Richter die öffentliche Website der Kindesmutter aufgesucht und dort Gedichte gefunden, von denen er eines leicht abgewandelt im Prozess zitierte. Seiner Aussage nach hätten diese Gedichte seine Meinung über die Mutter positiv beeinflusst. Trotzdem fühlte die Frau Ihr Anliegen nicht objektiv und sachlich behandelt und erhielt auf ihren Antrag hin ein neues Verfahren mit einem anderen Kadi. (dz)