Weltwirtschaftsforum besorgt über "digitalen Protektionismus"
Eine vom Weltwirtschaftsforum in Auftrag gegebene Studie gibt Edward Snowden eine Mitschuld am Trend zur Fragmentierung des guten alten Internet. Die "ummauerten Gärten" würden die nächste Entwicklungsstufe des Internet und der Industrie behindern.
Walled Gardens, aber auch Datenschutz, Lokalisierungsplichten und generell zuviel regulatorische Eingriffe nannten Experten beim Weltwirtschaftsforum in Davos heute zentrale Probleme der zunehmenden Fragmentierung im Netz. In einer von dem Wirtschaftsverband in Auftrag gegebenen Studie werden die Trends im Bereich Technik, Regulierung und Geschäftsmodelle kartiert.
Ziemlich besorgt über die durch neue Datenschutzgesetze und Safe Harbour-Urteil entstehende Fliehkräfte gab sich in einer Diskussionsrunde in Davos Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves. Er sieht einen digitalen Protektionismus im Inneren der Gemeinschaft, aber auch im transatlantischen Verhältnis heraufziehen, und liegt damit ganz auf der Linie der Befürworter breit angelegter Freihandelsabkommen. Ohne grenzenlose Datenströme werde es aber schwer, das Internet der Dinge und die in Davos beschworene vierte industrielle Revolution zu schaffen, mahnte Ilves. Der autonom fahrende Mercedes, der an der deutsche Grenze einfach stehen bleibt, sei zwar nur eine Metapher, beschreibe aber das mögliche Problem.
Den "digitalen Protektionismus", vor dem die Studie so entschieden warnt, gibt es allerdings durchaus auch auf Seiten der Wirtschaft, die Nutzer gerne in ihrem Walled Garden hält oder Standards so versteht, dass sie sich die passende Standardisierungsorganisation aussuchen – oder auch mal neu schaffen kann. Von der klassischen Netz-Idee, dass man sich ein Device kauft und damit den Dienst seiner Wahl nutzt, entfernen sich die neuen Geschäftsmodelle. "Wenn man sich heute ein Gerät kauft, entscheidet man sich praktisch schon für ein Team und begibt sich in einen der konzentrischen Walled Gardens“, konstatierte Jonathan Zittrain, Professor für internationales Recht und für Computerwissenschaft an der Harvard Universität. Natürlich sei es komplizierter, dem Käufer eines selbstfahrenden Autos die Wahl des von ihm bevorzugten Codes zu überlassen. Trotzdem ist für Zittrain die Selbstbestimmung des Nutzers, der mehr und mehr netzfähige Geräte bis in sein Schlafzimmer läßt, die wichtigste Herausforderung.
IPv6 und TOR als zersetzende Faktoren?
Zu teilweise erstaunlichen Ergebnissen kommt das Kapitel zu möglichen, beziehungsweise schon bestehenden technischen Fragmentierungstrend. Neben den bekannten Themen wie Fragementierung durch blockierte Top Level Domains oder alternative Rootzonen, stehen so etwa auch der Übergang zu IPv6 und die Nutzung von TOR (oder VPNs) auf der Liste. "Das Fragmentierungsrisiko sei, dass der Übergang zu IPv6 sich weiter verzögert und am Ende ein Nebeneinander eines IPv4-Netzes und eines IPv6-Netzes entsteht", heißt es in der Studie. Warum Tor für eine Fragmentierung sorgt, bleibt ein wenig unklar. Man könne argumentieren, heißt es in Bezug auf Virtual Private Networks, als deren Spielart TOR bezeichnet wird, dass VPN-Nutzer sich vom allgemeinen Internet "absondern". (hag)