Wettrennen um sichere Quantennetze

Das Rennen um ein abhörsicheres, unknackbar verschlüsseltes Computernetz ist in vollem Gange. Und diesmal sind die Europäer ganz vorn mit dabei.

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Wettrennen um sichere Quantennetze

Ronald Hanson vom QuTech-Institut in Delft arbeitet am Quanteninternet der nächsten Generation.

(Bild: KLAPSTUK/QuTech)

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Mit dem Quantensatelliten, der Mitte August Richtung All abhob, will die chinesische Regierung nicht nur wissenschaftliche Grundlagen erforschen, sondern auch ihren technischen Vorsprung demonstrieren. Die Europäer allerdings wollen Fernost das Thema nicht allein überlassen. Zum einen will die EU in den nächsten Jahren bis zu eine Milliarde Euro in ein Leuchtturmprojekt zur Quantentechnologie stecken, das auch Quantenkryptografie mit einschließt. Zum anderen arbeitet auch ein Team in den Niederlanden an Quantennetzen der zweiten Generation, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (ab heute im Handel und m heise shop bestellbar).

Der Satellit, mit dem die Chinesen in Kooperation mit dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Wien mit verschränkten Photonen den ersten interkontinentalen quantenkryptografischen Schlüsseltausch demonstrieren wollen, ist nur das Sahnehäubchen auf einem umfangreicheren Projekt: Noch in diesem Jahr will ein Team der University of Science and Technology eine 2000 Kilometer lange Quantenverbindung zwischen Shanghai und Peking schaffen. Bereits bestehende, kleinere Quantennetzwerke wollen die Forscher an diese Verbindung anschließen. Das Netzwerk zwischen den einzelnen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen knüpfen sie mithilfe von Vermittlungsknoten, sogenannten Trusted Nodes.

Sicherheitsexperten wie Vadim Makarov, Leiter des Quantum Hacking Labs an der University of Waterloo bleiben dennoch skeptisch. Denn die Satellitenverbindung kann zwar niemand unbemerkt anzapfen. In den Satelliten selbst aber könnte man einen Speicher einbauen oder den geheimen Quantenschlüssel über einen versteckten Kanal an einen Geheimdienst funken, sagt Makarov. Ähnliches gilt für die Knoten. "In der Praxis müssen Sie also dem Provider vertrauen, bei dem diese Knoten stehen", sagt Makarov.

In der Praxis machen sich Quanten-Hacker wie Makarov auch die Tatsache zu Eigen, dass unterwegs immer wieder Photonen verloren gehen. Eine gewisse Fehlerrate – ein wichtiges Maß für die Sicherheit einer Quantenverbindung – muss man also aus pragmatischen, physikalischen Gründen akzeptieren. Als einzige Lösung sieht der Quanten-Hacker ein Verfahren namens Device Independent Cryptography. "Aber das ist noch mindestens 20 Jahre von der Realisierung entfernt."

Ronald Hanson vom QuTech-Institut in Delft arbeitet jedoch genau daran. Device Independent Cryptography steht für geräteunabhängige Quantenkryptografie. "Sie würde das Abhörproblem lösen", sagt Hanson. "Aber dazu brauchen Sie völlig neue Hardware."

Die besteht in seinem Fall aus dünnen Diamant-Plättchen, in deren Kristallgitter einzelne Atome fehlen. Die Forscher bringen an zwei dieser Plättchen Elektronen, die in diesen Fehlstellen gefangen sind, mit Lasern dazu, Photonen auszusenden. In der Mitte zwischen den beiden Diamanten treffen sich die Photonen. Die Quantenzustände der Elektronen werden dort mit halb durchlässigen Spiegeln, hinter denen zwei Photodetektoren sitzen, miteinander verknüpft. "Wenn wir von allen beiden Detektoren Klicks bekommen, wissen wir: Jetzt haben wir Verschränkung", sagt Hanson. Auf diese Weise registrieren die Forscher tatsächlich jedes einzelne verschränkte Quantenpaar.

Noch ist die Rate "nützlicher Ereignisse" viel zu gering, aber bereits in fünf Jahren wollen die Forscher mit einem Prototyp die Städte Delft, Den Haag, Leiden und Amsterdam verbinden. Ein ehrgeiziger Zeitplan, aber die Wissenschaftler sind optimistisch.

Mehr dazu lesen Sie in der neuen Ausgabe von Technology Review (ab sofort im Handel und online im heise shop erhältlich). (jle)