Whisteblower Snowden lieferte tausende Dokumente über PRISM
Die bislang veröffentlichten Dokumente sind wohl nur ein Bruchteil des Materials, das Edward Snowden zum US-Überwachungsprogramm geliefert hat. Weltweit regt sich die Kritik an der US-Regierung. Und die Zukunft des Whistleblowers ist noch völlig unklar.
Edward Snowden, der Informant hinter den aktuellen Vorwürfen zur US-Spionage im Internet, hat laut einem beteiligten Reporter den Medien tausende Dokumente übergeben. Davon sei Vieles berichtenswert, sagte der Journalist und Datenschutz-Aktivist Glenn Greenwald der New York Times am Dienstag. Greenwald berichtet für die Zeitung Guardian über das US-Geheimprogramm mit dem Namen PRISM und hat das Interview mit Snowden geführt.
Bisher wurden von Snowden mitgenommene Dokumente nur sehr zurückhaltend veröffentlicht. So zeigten Guardian und Washington Post nur 4 von 41 Seiten einer Präsentation des Geheimdiensts NSA, in der es um die Internet-Überwachung unter PRISM ging. Den Berichten zufolge kann die NSA damit in großem Stil Nutzerdaten von Internet-Unternehmen abgreifen. Nach Behörden-Angaben ist es dagegen nur ein internes Computer-System.
Die US-Regierung steht wegen des Vorwurfs massenhafter Sammlung von Daten über Internetnutzer heftig in der Kritik. Gleichzeitig versuchen Politiker, mehr über das Ausmaß und die rechtlichen Grundlagen des Programms zu erfahren. So will etwa das deutsche Innenministerium von den USA wissen, in welchem Umfang Daten gesammelt worden seien und nach welchen Gesetzen oder Vorschriften. Innenminister Friedrich sagte, er habe erst aus den Medien über die Vorgänge erfahren. Ebenfalls will Angela Merkel beim kommenden Treffen mit Obama das Thema wohl ansprechen. Abgeordnete des Europaparlaments kritisierten ebenfalls, dass die USA unterschiedliche Datenschutzstandards bei eigenen und fremden Bürgern anlegten, und forderten Aufklärung.
Unter dem Dach von BestBits zusammengeschlossene Nicht-Regierungsorganisationen wenden sich derweil mit einer Unterschriftenliste an die Vereinten Nationen. In einem Brief an den Menschenrechtsausschuss fordern sie eine Sondersitzung, um die Verletzung der Artikel 12 und 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Artikel 17 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch die USA zu untersuchen.
Währenddessen hält sich Snowden an einem unbekannten Ort auf. Er suchte vor drei Wochen in Hongkong Zuflucht und enttarnte sich dort selbst als Quelle für die Informationen über PRISM. Am Montag soll er sein bisheriges Hotel verlassen haben. Seitens mancher US-Politiker wurden bereits Rufe nach einer Auslieferung laut, der US-Republikaner John Boehner bezeichnete ihn als "Verräter".
Ein führender russischer Außenpolitiker sprach sich im Gegensatz dafür aus, Snowden politisches Asyl zu gewähren. Die US-Geheimdienste verletzten mit der Überwachung von Telefongesprächen und des Internets Gesetze, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexej Puschkow. "In diesem Sinne ist Snowden ein Bürgerrechtler, dem Russland Zuflucht gewähren sollte – auch wenn die USA einen hysterischen Anfall bekämen", erläuterte Puschkow der Agentur Interfax zufolge. Der Kreml äußerte sich zurückhaltend. "Sollte Snowden Russland um Asyl bitten, werden die Behörden seinen Antrag prüfen", sagte ein Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin der Zeitung Kommersant.
Wenn die USA einen Auslieferungsantrag an Hongkong stellen sollten, würde letztlich China über Snowdens Schicksal entscheiden. "Da Hongkong zu China gehört, ist die chinesische Regierung der einzige Beteiligte, der entscheidet", sagte der renommierte Professor für internationale Beziehungen an der Volksuniversität, Shi Yinhong, in Peking der Nachrichtenagentur dpa. Shi Yinhong geht nicht davon aus, dass China von sich aus in den Fall eingreift. Der Wikileaks-Gründer Julian Assange empfahl Snowden, Asyl in Lateinamerika zu suchen. Snowden selbst hatte gegenüber der Washington Post erklärt, er suche nun "Asyl in jedem Land, das an Redefreiheit glaubt und dagegen eintritt, die weltweite Privatsphäre zu opfern".
Im Netz regt sich vor allem die Solidarität mit dem 29-jährigen Whistleblower. Unter anderem läuft derzeit ein Crowdfunding, das Snowden für seine Weitergabe der brisanten Informationen belohnen will. Finanzierungsziel sind 15.000 US-Dollar, derzeit sind rund 12.000 US-Dollar eingesammelt, 8 Tage läuft das Projekt noch. Über welche Kanäle das Geld dem abgetauchten Snowden zukommen soll, wird nicht erklärt. Auch wurde auf den Seiten des Weißen Hauses eine Online-Petition gestartet, die die vollständige Begnadigung von Edward Snowden fordert. Zur Stunde haben rund 48.000 Leute die Petition unterzeichnet, insgesamt müssen bis zum 9. Juli 100.000 Unterschriften zusammenkommen. Ist diese Schwelle überschritten, befasst sich ein Mitarbeiter des Weißen Hauses mit der Petition und nimmt dazu Stellung.
Snowdens ehemaliger Arbeitgeber Booz Allen Hamilton bestätigte inzwischen, dass Snowden rund drei Monate lang in einem Team des Unternehmens auf Hawaii für die NSA gearbeitet habe.Sein Gehalt, das der Guardian mit 200.000 US-Dollar angab, wird in der Mitteilung mit 122.000 US-Dollar im Jahr (rund 92.000 Euro) beziffert. Allerdings habe man Snowden am Montag dieser Woche "wegen der Verletzung des Ethikkodexes und der Richtlinien der Firma" entlassen, teilte Booz Allen Hamilton mit. (Mit Material von dpa) / (axk)