eBay-Beschwerden als Objekte vergleichender Sprachstudien

Eine Linguistin hat untersucht, wie deutsche und angelsächsische eBay-Nutzer im Bewertungsforum des Online-Marktplatzes Dampf ablassen. Sie will dabei charakteristische Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt haben.

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Vermeintlich typische Unterschiede zwischen Bewohnern der britischen Inseln und Bundesrepublikanern werden immer wieder gern diskutiert – zuletzt ganz besonders anlässlich der Achtelfinalbegegnung im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft. Dass das, was "die Engländer" zu tun pflegen, dem ähnelt, was "die Deutschen" treiben, aber zugleich auch ganz anders sein kann, soll jetzt eine sprachwissenschaftliche Studie zeigen, die sich ausgerechnet mit Beschwerden im Bewertungsforum des Online-Marktplatzes eBay befasst.

So sollen "die Deutschen" etwa ganz besonders den übertriebenen Gebrauch des Ausrufezeichens pflegen, verstärkt Großbuchstaben zum virtuellen Schreien verwenden und ihre Gefühle mit Hilfe von "Emoticons" versinnbildlichen. Britische eBay-Nutzer, so heißt es, wenden sich bei Beschwerden bevorzugt direkt per "You" an die zu rügenden Geschäftspartner, während deutsche Kritisierer sich eher ans virtuelle Publikum wenden ("Ware nie angekommen; Hände weg von diesem Verkäufer!"). Eines der Ergebnisse scheint gängige Vorurteile über die Rechthaberei des "deutschen Michel" zu bestätigen: In den deutschen Bewertungskommentaren wird weit häufiger mit dem Anwalt gedroht als in den englischen.

Dr. Marja Meinl vom Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltistik der Universität Bonn hat den kulturellen Vergleich der Ausbrüche deutscher und britischer eBay-Nutzer zum Thema ihrer Dissertationsarbeit "Electronic Complaints. An Empirical Study on British and German Complaints on eBay" gemacht. Für ihre Studie wählte sie insgesamt 400 Beschwerdeeinträge von eBay.de und eBay.co.uk aus und verglich diese mit Hilfe statistischer Methoden. Bei den Beschwerden, die schwerpunktmäßig von Käufern stammten, ging es vorrangig um nicht erhaltene oder als mangelhaft empfundene Ware.

Insgesamt hat Meinl – für forenerfahrene Netzbürger wenig überraschend – festgestellt, dass die Anonymität des Internets die Hemmschwelle der Schreiber stark zu senken scheint. Selbst die in der gesprochenen Sprache üblicherweise eher als zurückhaltend geltenden Briten, so Meinl, hätten bei den eBay-Bewertungen gern zu drastischen Anschuldigungen ("LIAR!") und Flüchen gegriffen. So zögen sie mit den schon im Alltagsgespräch als eher direkt geltenden Deutschen gleich. (psz)