Wikipedianer bei PR erwischt
Weil er von der Tourismusbehörde in Gibraltar bezahlt wird, ist ein Vorstandsmitglied des britischen Wikimedia-Chapters in die Kritik geraten. Auch ein weiterer britischer Wikipedianer bot seine Dienste gegen Bezahlung an.
Normale Projektarbeit oder bezahlte Tourismus-Werbung? Weil er von der Tourismusbehörde in Gibraltar bezahlt wird, ist ein Vorstandsmitglied des britischen Wikimedia-Chapters in die Kritik geraten. Auch ein weiterer britischer Wikipedianer bot seine Dienste gegen Bezahlung an.
Während der Konferenz Wikimania im Juli hatte die Wikimedia Foundation ihre Zusammenarbeit mit der Regierung des britschen Überseegebiets bekannt gegeben: Gibraltar sollte zur ersten "Wikipedia City" werden. Beide Seiten wollen sich gemeinsam bemühen, mehr und bessere Informationen über Gibraltar in die Wikipedia zu bringen. Gleichzeitig werden über QR-Codes Gebäude gekennzeichnet, um Touristen einen direkten Zugang zu dem betreffenden Wikipedia-Artikel zu gewähren.
Doch das Projekt "Gibraltarpedia" ist in die Diskussion geraten, seit bekannt wurde, dass einer der Initiatoren von Gibraltar bezahlt wird. Roger Bamkin, der gleichzeitig im Vorstand des britischen Wikimedia-Chapters ist, wird nach eigenen Angaben fĂĽr die Schulung von Freiwilligen und das Erstellen der QR-Codes bezahlt.
Bezahlte Arbeit ist in der Online-Enzyklopädie Wikipedia, deren Artikel von unbezahlten Autoren geschrieben werden, ein heikles Thema. Unter allen Umständen wollen Wikipedianer einen Interessenkonflikt vermeiden und löschen allzu werblich erscheinende Beiträge rigide. Gleichzeitig gibt es immer wieder bezahlte Projektarbeiten im Zusammenhang mit Wikipedia: So startete Wikimedia Deutschland im Jahr 2007 ein von der Bundesregierung gefördertes Projekt zur Verbesserung der Informationen über nachwachsende Rohstoffe. In diesem Jahr trat mit Marcus Cyron der erste deutsche Wikipedian in residence seinen Dienst im Deutschen Archäologischen Institut an. Die Demarkationslinie bei solchen Projekten: Der bezahlte Mitarbeiter macht seine Rolle transparent und darf sich selbst nicht an der Artikelarbeit beteiligen.
Diese Schwelle soll Bamkin überschritten haben, in dem er Artikel über Gibraltar immer wieder auf der Titelseite der englischen Wikipedia verlinkte. Andere Editoren fiel auf, dass Gibraltar ganze 17-mal in der Sektion "Did you know..." auftauchte, bei denen Leser auf besonders interessante Artikel hingewiesen werden. Die geschäftlichen Verbindungen von Bamkin wurden darauf Gegenstand einer hitzigen Diskussion.
Bamkin selbst ist sich keiner Schuld bewusst. "Die Arbeit in Gibraltar ist auf die Technik namens QRpedia ausgerichtet", schreibt er auf Anfrage von heise online. "FĂĽr das Editieren von Artikeln werde ich nicht bezahlt." Gleichzeitig gibt er an, dass er selbst die Zusammenarbeit zwischen Gibraltar und der Wikimedia Foundation in Gang gebracht habe. Da aber Wikimedia UK keine finanzielle UnterstĂĽtzung zu dem Projekt leiste, sieht er darin keinen ernsthaften Interessenkonflikt. Im ĂĽbrigen sei der gemeinnĂĽtzige Verein ĂĽber seine Projekte informiert gewesen, er habe deshalb auch seinen RĂĽcktritt angeboten. Wikimedia UK stellte in einer ersten Stellungnahme klar, dass Bamkin nach dem bisherigen Stand nicht gegen die Regeln des Vereins verstoĂźen habe.
Ein anderer britischer "Wikipedian in Residence" Maximillian Klein ist wegen seiner Consulting-Firma in die Diskussion geraten, mit der er Dienste rund um Wikis vermarktet. Auf der Webseite der Firma Untrikiwiki hatte er angeboten, Artikel in der Wikipedia zu platzieren. In einer Stellungnahme räumt Klein das Angebot ein, er habe es aber nie umgesetzt. "Wir glauben fest daran, dass es nicht falsch ist, bezahlte Dienste anzubieten, die das Editieren in der Wikipedia umfassen, solange sie transparent und ethisch korrekt durchgeführt werden", heißt es dort. In der Wikipedia-Community ist dieser Standpunkt allerdings derzeit nicht mehrheitsfähig. Wikimedia-Gründer Jimmy Wales gehört zu den erbittertsten Gegnern des "paid editing". (axk)