Neu und bunt: Gnome 2.22
Im ĂĽblichen Halbjahresrhythmus ist das neue Release der Desktop-Umgebung fĂĽr Linux erschienen. Eine Reihe von Verbesserungen und mehrere neue Anwendungen geben dem System eine Frischzellenkur.
Alle sechs Monate geben die Gnome-Entwickler ein neues Major-Release der populären Linux-Desktopumgebung heraus. Die heute erschienene Version 2.22 bringt, wie auch schon das Vorgänger-Release 2.20, neben Bugfixes eine Menge Verbesserungen am System und an bestehenden Gnome-Anwendungen. Aber auch einige neue Programme geben ihr Debüt.
Mussten Linux-Distributionen bislang selbst Compiz Fusion in Gnome integrieren, damit Anwender in den Genuß von 3D-Effekten auf dem Desktop kamen, kümmert sich jetzt Gnomes Standard-Fenstermanager Metacity mithilfe eines eigenen Compositing-Managers darum. Das neue Feature ist jedoch standardmäßig deaktiviert und auch noch nicht in den Einstellungen des Fenster-Managers aufzufinden. Wer weiß, dass seine Hardware Compositing unterstützt, kann wenn gewünscht selbst Hand anlegen und die Funktion enweder mit dem grafischen Gonf-editor oder mit dem Kommandozeilenwerkzeug Gconftool-2 einschalten:
gconftool-2 -s --type bool /apps/metacity/general/compositing_manager true
Die Effekte zeigen sich dezent in Form von Fenstern mit Schlagschatten, Transparenzeffekten und Vorschaubildern beim Umschalten zwischen Fenstern mit Alt-Tab.
Neues und Buntes
Besitzer einer Webcam können mithilfe des an Apples PhotoBooth angelehnten neuen Programmes Cheese Fotos und Videos machen. Neu ist auch der Stand-alone-Flashplayer Swfdec, der nicht nur Flash-Inhalte auf dem Desktop abspielt, sondern auch Vorschaubilder der Filme im Dateimanager Nautilus anzeigen kann. Der Audio- und Videoplayer Totem wartet mit Plug-Ins für YouTube und MythTV auf und erlaubt das Verfügbarmachen der eigenen Playlist per HTTP.
Mit Vinagre gesellt sich zum VNC-Server Vino ein neuer Client. Er speichert Kennwörter im Gnome-Schlüsselbund und beherrscht nützliche Funktionen wie Copy and Paste. Das Aussehen von Evolution frischten die Entwickler mit Tango-Icons auf. Das Mail- und Kalenderprogramm kennt jetzt die von Googles Gmail bekannte Verschlagwortung mittels Tags und unterstützt Google Calender. Außerdem lassen sich Kontakte nun direkt über das Suchwerkzeug Deskbar öffnen.
Auch in Sachen Barrierefreiheit schreitet die Desktop-Umgebung voran. Mit dem Modul Mousetweaks, das im vergangenen Jahr im Rahmen von Googles Programmierwettbewerb Summer of Code entstand, lassen sich unter anderem die verschiedenen Arten von Mausklicks per Software bewerkstelligen. Ein Kontextmenü bietet denjenigen Auswahlmöglichkeiten, die nur einen Button bedienen können. Auch kann man die Maus anweisen, Cursorbewegungen innerhalb eines definierten Rahmens zu ignorieren.
Ein nettes Feature ist die Weltzeituhr, die jetzt die Uhrzeit an mehreren Orten gleichzeitig einblenden kann. Der Dokumentenbetrachter Evince soll im neuen Release an Geschwindigkeit zugelegt haben und weniger speicherhungrig sein als noch die Vorgängerversion. Eine weitere kleinere Änderung betrifft die Notizverwaltung Tomboy, die Informationen inzwischen in mehreren Notizbüchern unterbringen kann.
Unter der Haube
Neu ist das virtuelle Dateisystem Gvfs, das in Zukunft das bisherige Gnome-vfs komplett ersetzen soll. Es läuft im Userspace und enthält Backends für diverse Dateisysteme und Protokolle, darunter SMB, WebDAV und SFTP. Im Gegensatz zu Gnome-vfs "merkt" sich Gvfs Anmeldungen während der gesamten Sitzung, sodass ein unter Umständen wiederholtes Eingeben von Benutzernamen und Kennwort entfällt. Zu den GTK+-Anwendungen, die bereits auf das neue System portiert sind, gehören unter anderem der Dateimanager Nautilus, der Webbrowser Epiphany, der grafische Login-Manager Gdm und der PDF-Betrachter Evince.
Entwickler dürften sich über die Aufnahme der integrierten Entwicklungsumgebung für C und C++ Anjuta in die Gnome Developer Suite freuen. Für Administratoren interessant ist die Integration des Sicherheitsframeworks PolicyKit, mit dem sich für Anwender der Zugriff auf Einstellungen, Anwendungen und Systemdienste, für die sie sonst keine Berechtigungen hätten, steuern lässt.
Der Gnome-eigene Webbrowser Epiphany setzt nach wie vor auf die Rendering-Engine Gecko von Mozilla. Wer die Software mit dem alternativen WebKit-Backend einsetzen will, muss den Browser selbst kompilieren. WebKit, das seine Wurzeln im KDE-Projekt hat, kommt zum Beispiel auch in Apples Browser Safari zum Einsatz. Ob und wann WebKit Gecko als Standard-Engine für den Gnome-Browser ablösen wird, ist unklar.
Traditionsgemäß geben die Release-Notes eine ausführliche und reich bebilderte Übersicht über die Neuerungen und Änderungen von Gnome 2.22 (auch in deutscher Sprache). Das neue Release lässt sich auch ohne Installation bestaunen. Zu diesem Zweck steht eine Live-CD per Bittorrent zum Download bereit.
Gnome 2.22 wird Bestandteil der kommenden Versionen von sowohl Ubuntu als auch Fedora sein. Ubuntu 8.04 ("Hardy Heron") ist für den 24. April angekündigt, während Fedora 9 nach derzeitiger Planung am 29. April erscheinen soll. Das Opensuse-Projekt folgt am 19. Juni mit Opensuse 11. Einen Ausblick auf Gnome 2.24, das im September erscheinen soll, gibt die Gnome-Roadmap. (akl)