Kernel-Log: 2.6.26-Entwicklung läuft schwungvoll an, Fehlerkorrekturen für 2.6.24 und 2.4.36

Die ersten Commits in der zu 2.6.26 führenden Hauptentwicklungslinie bringen den Debugger KGDB, PAT-Unterstützung und verschiedene Verbesserungen für WLAN-Hardware. Die Linux-Versionen 2.6.24.5 und 2.4.36.3 korrigieren derweil Fehler älterer Kernel.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Kaum 36 Stunden nach der Veröffentlichung der Linux-Version 2.6.25 begann Linus Torvalds mit der Aufnahme der ersten Änderungen für Linux 2.6.26. Unter den knapp 2500 bislang im Quellcodeverwaltungssystem vorgenommenen Commits findet sich nun nach einem mehrere Jahre dauerndenden Hin und Her endlich der Kernel-Debugger KGDB (Kern, x86-Unterstützung, Dokumentation, Kernel-Parameter). Er hatte zu Beginn des Entwicklungszyklus von Linux 2.6.25 zahlreiche Debatten ausgelöst, als Ingo Molnar den Debugger zusammen mit den Änderungen an der x86-Architektur in den Kernel hatte heben wollen; das hatte Torvalds, ursprünglich Gegner eines im Kernel integrierten Debuggers, aber bemerkt und erst mal abgeblockt.

Nach den ersten noch rudimentären Teilen zur Unterstützung von IEEE-802.11n im WLAN-Treiber iwl4965 von Linux 2.6.25 wurde dieser Code erheblich verbessert; auch soll mit den beiden neueren Treibern für Intels-WLAN-Module nun die bei vielen Notebooks zu findende WLAN-LED korrekt arbeiten. Erheblich erweiterten die Entwickler das WLAN-Hardware-Konfigurationsinterface cfg80211; der WLAN-Stack Mac80211 wurde derweil um Unterstützung für Mesh-Netzwerke ausgebaut. Rausgeflogen sind der alte IEEE80211-Softmac-Stack und der für Broadcom-WLAN-Hardware zuständige Treiber bcm43xx, dessen Aufgaben seit Linux 2.6.24 die Treiber b43 und b43legacy übernehmen. Auch entfernten die Entwickler den für Marvell-LAN-Hardware zuständigen Treiber sk98lin, den die schon länger im Kernel enthaltenden Treiber skge und sky2 ersetzen.

In die Hauptentwicklungslinie integrierte Torvalds ferner Unterstützung für PAT (Page Attribute Table) auf x86-Prozessoren (Dokumentation), wodurch der Kernel eine bessere Kontrolle über das Caching durch den Prozessor hat. Ingo Molnar sorgte allerdings wie schon bei 2.6.25 für einige Diskussionen. Recht lang geworden ist etwa die Debatte um einen von Molnar übermittelten Patch, mit dem der Kernel in der Standard-Konfiguration nur mehr 4K großen Stack pro Prozess/Thread nutzt. Die Diskussion um die Vor- und Nachteile von 4K-Stacks wurde in den vergangenen Jahren schon häufiger geführt – wie es diesmal weitergeht, muss sich zeigen. Anwender des Ndiswrappers sollten ihre Kernel allerdings weiterhin besser ohne 4k-Stacks kompilieren, da diese für einige Windows-WLAN-Treiber nicht ausreichen.

Andrew Morton kritisierte zudem einige Patches, die laut Morton über Molnar den Weg in die Hauptentwickungslinie fanden, ohne dass die Patches zuvor an die Linux-Kernel Mailing List (LKML) zum Review übermittelt worden waren. Dieses in letzter Zeit immer wieder und immer häufiger kritisierte Problem tritt aber nicht nur bei der x86-Architektur auf, sondern auch in anderen Subsystemen – seit dem Umstieg auf das (vielleicht zu gut arbeitende) Quellcodeverwaltungssystem git und der enormen Steigerung der pro Entwicklungsszyklus integrierten Patches müssen die Kernel-Hacker wohl die Prozeduren zum Review ein wenig optimieren.

In den nächsten Tagen dürften viele weitere Patches den Weg in die Hauptentwicklungslinie des Linux-Kernels finden – zahlreiche Kernel-Hacker baten Torvalds bereits darum, Änderungen aus ihren subsystemspezifischen Entwicklerzweigen in den offiziellen Kernel einzupflegen. Auch Andrew Morton gab auf der LKML einen detaillierten Statusbericht über den als Sammelbecken für die verschiedensten Änderungen dienenden mm-Entwicklerzweig und die Patches, die er für 2.6.26 an Torvalds übermitteln will. Das im mm-Kernel enthaltene Reiser4-Dateisystem soll dort aber wohl weiterhin verbleiben. Die Ex-Namesys-Entwickler haben derweil für den Code des Dateisystems ein neues Zuhause auf den Servern von Kernel.org gefunden, nachdem der Webserver von Namesys bereits seit mehreren Wochen nicht mehr zu erreichen ist.

Auch bei älteren Kernel-Versionen sind die Kernel-Hacker weiter fleißig. Kurz nach der Veröffentlichung von 2.6.25 etwa gaben die Verwalter der Stable-Series mit der Linux 2.6.24.5 eine überarbeitete Version der 2.6.24-Serie frei. Über 60 verschiedenen Patches bringen zahlreiche Korrekturen für den bald drei Monate alten Kernel 2.6.24 mit; die Kernel-Hacker stufen jedoch keine der Änderungen als sicherheitsrelevant ein. Durch das Erscheinen von 2.6.25 dürften die Verwalter der Stable-Series allerdings nun wie üblich die Pflege der 2.6.23-Serie in Kürze einstellen. Willy Tarreau pflegt derweil die 2.4-Serie weiter und gab kürzlich die Version 2.4.36.3 frei, die einige kleinere Korrekturen enthält. Aber auch die 2.4-Serie kommt immer mehr zur Ruhe, denn einen zu 2.4.37 führenden Entwicklerzweig hat Tarreau bislang nicht gestartet – Tarreau lässt offen, ob es einen solchen jemals geben wird.

Kernel-Log-Staccato:

  • Kaum hatten wir im vorangegangenen Kernel-Log über neue Grafikkartentreiber berichtet, da veröffentlichte auch AMD eine neue Version des proprietären Linux-Grafiktreibers fglrx. Mit dem Linux-Kernel 2.6.25 arbeitet die Version 8.4 aber noch nicht so recht, verschiedene Foren und Webseiten zum Treiber bieten aber inoffizielle Patches an, die den Treiber zur Zusammenarbeit mit der kürzlich veröffentlichten Kernel-Version überreden.
  • Der bei der Unterstützung des Power-Managements von Linux sehr aktive Kernel-Entwickler Matthew Garrett erklärt in seinem Blog detailliert, warum sich der Linux-ACPI-Interpreter in der Regel nicht als Linux, sondern als Windows ausgibt. Kurz zuvor hatte er in seinem Blog zudem dargelegt, welche Probleme die Grafikchips und ihre Initialisierung nach dem Standby-Modus bereiten und welche Änderungen die Situation bald verbessern sollen.
  • Der für seine verschiedenen Arbeiten im WLAN-Bereich bekannte Entwickler Luis R. Rodriguez arbeitet seit Kurzem beim WLAN-Hardware-Hersteller Atheros am Ath5k-Treiber; Rodriguez soll dafür sorgen, dass der von Linus Torvalds gewartete Kernel jegliche Atheros-WLAN-Chips von Haus aus unterstützt.
  • Creative Labs hat in einem hauseigenen Webforum eine neue Beta-Version von proprietären Treibern für die X-Fi-Soundkarten veröffentlicht. Anders als der früherer Beta-Treiber arbeitet er auch auf x86-32-Systemen.
  • Das X.org-Wiki enthält einige Stichpunkte und Notizen von der kürzlich abgehaltenen X Developers' Conference 2008; darunter finden sich einige Hinweise, Informationen und Statusberichte zu Neuerungen, an denen die X-Entwickler derzeit arbeiten.
  • Lennart Poettering erklärt in seinem Blog, wie der Sound-Server Pulseaudio von der mit Linux 2.6.25 integrierten Unterstützung für Real-Time Group Scheduling profitiert.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich auch in den vorangegangen Ausgaben des Kernel-Logs auf heise open:

Ältere Kernel-Logs finden sich über das Archiv oder die Suchfunktion von heise open. (thl)