Analyse zu Navigationssystemen ab Werk: Das Update-Drama

Wer in einem Gebrauchtwagen die Software halbwegs aktuell halten möchte, hat sich einiges vorgenommen. Durch den Dschungel, am Beispiel einer Mercedes C-Klasse.

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Das weniger teure Navigationssystem wurde in der Mercedes C-Klasse immer mal wieder nachgebessert - ohne richtig toll zu werden.

(Bild: Franz)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Tempo der Entwicklung von Infotainmentsystemen hat in den vergangenen Jahren gewaltig angezogen. Wer sich die bisherige Praxis der langfristigen Pflege der ab Werk eingebauten Systeme anschaut, kann es angst und bange werden. Denn ein Auto ist kein Smartphone, allein die durchschnittliche Nutzungsdauer legt das überdeutlich nahe. Wer sich aufmacht, ein nicht mehr ganz frisches System zumindest bei der Software aufzufrischen, hat sich einiges vorgenommen. Die Mercedes C-Klasse dient nur als ein Beispiel, bei vielen anderen Herstellern sieht es kaum einfacher aus. Immerhin: Besserung ist in Sicht, zumindest auf den ersten Blick.

Die Mercedes C-Klasse der Baureihe 205 ist seit Anfang 2014 auf dem Markt. Seitdem gab es mehrere Updates des Infotainmentangebotes, die nicht alle offensichtlich sind. Grundsätzlich bietet Mercedes zwei unterschiedliche Systeme an. Die Chance ist insbesondere bei der etwas weniger überteuerten Lösung groß, in einer der Fallstricken hängenzubleiben, die Mercedes und Garmin gemeinsam ausgelegt haben. Dazu kommt: Wo zahlungsbereite Kundschaft in Not ist, sind zweifelhafte Anbieter nicht weit. Wir haben uns mal durch den Update-Dschungel des kleinen Navigationssystems gearbeitet.

Gebrauchtwagen

Die kleine Navi-Lösung baut auf dem serienmäßigen Radio auf und wird von Garmin zugeliefert. Man muss den Garmin-Verkäufern Respekt zollen, denn was sie Mercedes da untergejubelt haben, ist bemerkenswert. Die bis 2017 eingebaute Hardware agiert zäh und ist gleichzeitig funktionsarm. Ende 2015 kamen wenigstens Online-Verkehrsdaten hinzu, 2017 lindert Mercedes den größten Schmerz mit einem Hardware-Update. Um das einmal grob ins Verhältnis zu setzen: Das Tempo der Ursprungsversion unterbietet jenes in einem 2009er-BMW-Dreier souverän. Das betrifft nicht nur die Streckenberechnung, sondern auch den Bildaufbau der Karte. Dafür inklusive Touchpad, CD-Player und Navi-Vorrüstung seinerzeit mehr als 1100 Euro zu kassieren, war schon kühn.

Mercedes hatte Glück, die meisten Kunden akzeptierten den Aufpreis, wohl auch in der Befürchtung, ein Auto in dieser Klasse ohne Navi später nicht mehr loszuwerden. Wer mag, kann das kleine Navi recht einfach nachrüsten, sofern die Navi-Vorbereitung mit geordert wurde. Die dafür nötige SD kostet auf offiziellem Weg allerdings fast 600 Euro.

Kartendaten und Betriebssystem sind auf einer SD abgelegt. Die war anfangs 16 Gigabyte klein, seit 2016 fasst sie 32 GByte. Die Karte wird beim ersten Einlegen ins Auto mit diesem verheiratet. Dafür werden im nicht so ohne weiteres veränderbaren Card Identification (CID) Bereich Daten abgelegt, an denen das Auto die SD erkennt. Eine gebrauchte Karte lässt sich also nicht einfach in einer anderen, ansonsten identisch ausgestatteten C-Klasse nutzen. Auch eine Sicherungskopie, die sich mit dem Mercedes Download Manager problemlos erstellen lässt, funktioniert im Auto nicht.

Im Prinzip hat Mercedes sich bei den Updates etwas Kluges überlegt. Der gesamte Support liegt bei ihnen, über Garmin bekommt der Kunde nichts. Damit ist man der denkbaren Reibung zwischen verschiedenen Anbietern aus dem Weg gegangen. Der zweite an sich kluge Gedanke: Nach dem ersten Kennenlernen von Karte und Auto kann der Kunde 60 Tage lang kostenlos aktuelles Kartenmaterial über ein eigenes geschaffenes Programm, den Mercedes-Benz Download Manager, herunterladen und installieren, danach nicht mehr. Für frischeres Kartenmaterial muss dann eine neue SD gekauft werden. Das Kartenmaterial stammt übrigens von Here. Für die kostenlose App auf dem Smartphone wird es kostenlos angeboten, was manchem Mercedes-Käufer ziemlich sauer aufstoßen dürfte.

Eine Aktualisierung des Betriebssystems ist im Prinzip immer möglich. Es spielt also erst einmal keine Rolle, wie alt die Karte und ihr Softwarestand ist – mit einer entscheidenden Einschränkung: Ein Update auf die aktuellen Versionen von Kartenmaterial und Betriebssystem ist nur mit der 32-GByte-Karte möglich – auf der 16-GByte-Karte ist nicht mehr ausreichend Platz. Auf den üblichen Online-Märkten wird die kleine Karte noch immer neu und original verpackt angeboten. Leider ist von außen nicht zu erkennen, welche Größe enthalten ist. Wer bei der kleinen SD zuschlägt, kann nicht auf das modernere Design wechseln, das seit Februar 2017 freigeschaltet ist. Es ist etwas weniger verspielt und ähnelt mehr dem ansonsten im Interface üblichen Design. Dazu agiert das System minimal flotter.

Navigationssystem in der Mercedes C-Klasse 205 (13 Bilder)

Die Darstellung vor dem großen Update war deutlich verspielter ...

Der Käufer muss ohnehin wirklich ganz genau ansehen, was er da kauft. Denn die Kartengröße ist nur ein Kriterium. Seit August 2017 nutzt Mercedes mit Panasonic einen anderen Zulieferer für das kleine Navi. Die Karten sind untereinander nicht kompatibel. Das gilt auch für die Facelift-C-Klassen ab dem Frühjahr 2018, die wieder andere SDs benötigen.

Kaufen Sie nur die 32-GB-Karten. Die gibt es mit verschiedenen Softwareständen für Kartenmaterial und Betriebssystem, deswegen gibt es verschiedene Teilenummern, die Sie verwenden können. Beides kann aktualisiert werden, sofern die Karte mit keinem anderen Auto verheiratet wurde und zum jeweiligen System passt. Eine ältere, noch nicht registrierte Karte kann also ein sehr guter Kauf sein. Grundsätzlich muss man nur auf das Baujahr des Autos achten. Es gibt drei Ausführungen, die untereinander nicht kompatibel sind: bis Baujahr 7/2017, zwischen 8/2017 und 4/2018 und für den Zeitraum danach.

Meine Erfahrung ist die, dass nicht einmal alle Händler die Problematik komplett verstehen. Noch undurchsichtiger wird es, wenn man die abenteuerlichen Preise der Werksvertretungen umgehen möchte. Auf offiziellem Weg kosten die Karten beim Mercedes-Händler zwischen 150 und 185 Euro. Auf eBay, Amazon und Co gibt es entsprechende SDs ab etwa 30 Euro. Zumeist dürften das Raubkopien sein. Vereinzelt ist in Foren zu lesen, dass die Karten nicht so lange halten wie die originalen, wenn sie es denn überhaupt tun. Fast immer funktioniert die seit 2015 in Verbindung mit originalen Karten angebotenen Online-Verkehrsdaten mit den günstigen Alternativen aus dem Netz nicht.

Vor einer Aktualisierung der SD sei wärmstens eine Sicherungskopie empfohlen, die sich über den erwähnten Download-Manager erstellen lässt. Mit einem USB-3.0-Kartenleser war die Kopie auf eine SSD nach knapp fünf Minuten erledigt. So problemlos läuft es offenbar nicht in jedem Fall. Zahlreiche Einträge in Foren berichten, dass gerade die Updates immer wieder unterbrochen wurden. Geht dabei etwas schief, kann man die Karte mit einem Backup zumindest wieder auf den vorherigen Stand zurücksetzen.

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Das ganze Drama ist nur noch für Gebrauchtwagen-Käufer relevant. Sie sollten ein Update des Kartenmaterials als Verhandlungsmasse sehen. Seit dem 2018er-Facelift gibt es in der C-Klasse freilich auch einen anderen Weg - selbstverständlich gegen Aufpreis. Wenn der Kunde zuzahlt, können iOS und Android Auto eingebunden werden. Eine nachträgliche Freischaltung wird zu höchst unterschiedlichen Preisen angeboten und erscheint als Umgehung der lausigen Werkslösung ziemlich verlockend. Käufer älterer Gebrauchtwagen bleibt die Hoffnung, dass die Schnittstelle zwischen Auto und Android Auto/Apple CarPlay langfristig funktioniert.

Mittlerweile hat sich die Welt der Updates ein wenig weitergedreht, zugunsten der zahlungskräftigen Kunden. Erstkäufer bezahlen die Kartenupdates für einige Zeit schon mit dem Kauf des Neuwagens. Was danach werden wird, muss sich zeigen. Wie immer gilt: Sieht der Hersteller die Chance, daraus ein lohnendes Geschäft zu formen, wird dort eines entstehen. Der Umkehrschluss daraus gilt selbstverständlich auch. Fragen für den Geschmack der Controller zu wenig Gebrauchtwagen-Käufer kostenpflichtige Updates nach, erlahmt das Interesse der Hersteller an einem langfristigen Support. Und zwar weitgehend unabhängig davon, ob der Kunde für ein Update zum Händler muss oder die Aktualisierung over-the-air ins Auto gelangt.

(mfz)