Die Welt in einer Scheibe

Apple hat am Mittwoch seinen lang erwarteten Tablet vorgestellt. Mit dem iPad will Steve Jobs die Lücke zwischen Notebook und Smartphone schließen - für einige könnte es auch ein Notebookersatz sein.

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Von
  • Achim Barczok
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Apple hat am Mittwoch seinen lang erwarteten Tablet vorgestellt. Mit dem iPad will Steve Jobs die Lücke zwischen Notebook und Smartphone schließen - für einige könnte es auch ein Notebookersatz sein.

Mit 24 cm × 19 cm etwas kleiner als ein DIN-A4-Blatt, etwa 1,3 cm dick und je nach Ausstattung 680 beziehungsweise 730 Gramm schwer – das sind die Maße des iPads. Was wie ein überdimensionierter iPod Touch aussieht, soll die Lücke zwischen Notebook und Smartphone füllen. "Ein wahrhaft magisches und revolutionäres Produkt", sagte Apple-CEO Steve Jobs bei der Präsentation in San Francisco am Mittwoch.

Der Homescreen des Apple iPad

(Bild: Apple)

Das iPad ist in erster Linie ein Multitouch-Tablet zum Surfen und für Multimedia-Anwendungen, das ein bisschen mehr als die Kernfunktionen eines iPhones oder iPods mitbringt und sich über den App Store erweitern lässt. Die Grundausstattung: Der Webkit-Browser Safari, eine E-Mailanwendung, Google Maps, ein Notizenprogramm, Kalender und Adressbuch; für Multimedia liefert das Tablet einen Fotobetrachter, einen Videoplayer, den iPod-Musikplayer, einen You-Tube-Client und einen E-Book-Reader mit. Der Zugang zum iTunes Store auf dem Gerät ermöglicht den Einkauf von Musik und Videos, für die Datensynchronisation per USB benötigt man einen PC mit iTunes.

Besonders beim Browsen soll das iPad mit 9,7-Zoll-Display und Fingerbedienung glänzen: "Viel besser als ein Notebook, viel besser als ein Smartphone", so Jobs, der mit dem iPad auf dem Schoß die Webseiten der New York Times, dem Times Magazine und National Geografic vorführte. Allerdings konnte man da schon eine Einschränkung erkennen: Flash wird wohl (vorerst) nicht unterstützt.

Neu gegenüber dem Anwendungsportfolio des iPhones und des iPods ist der E-Books-Reader iBooks. Er zeigt Bücher im Format Epub an, durch die der Anwender per Fingerstreich oder -Tappen blättert. Man kann die Schriftgröße anpassen und zwischen einigen Schriftarten wechseln. Eine Suchfunktion oder die Möglichkeit, eigene Kommentare einzugeben, was beispielsweise der E-Book-Reader Kindle bietet, waren nicht zu sehen.

Die im iBookstore erworbenen E-Books werden in ein virtuelles Bücherregal gestellt.

(Bild: Apple)

In iBooks ist der Shop iBookstore integriert, über den Verlage ihre Bücher verkaufen können. Als Partner nannte Jobs fünf große Verlagshäuser: Penguin, HarperCollins, Simon & Schuster und Hachette, weitere sollen folgen. "Wir öffnen ab heute die Schleusen für alle anderen Verlage", so Jobs. Bücher im iBookstore sind mit dem Apple-eigenen Kopierschutz FairPlay versehen, der schon bei Kaufvideos im Einsatz ist und das Abspielen auf eine begrenzte Anzahl von Geräte einschränkt.

Das bedeutet, dass die bei Apple erworbenen E-Books auf anderen E-Book-Readern mit Epub-Unterstützung wahrscheinlich nicht angezeigt werden können, und umgekehrt wird man vermutlich in iBooks keine Epub-Bücher mit dem bei deutschen Verlagen populären Adobe DRM lesen können. Sollte Apple aber iPad-Versionen der für das iPhone bereits verfügbaren E-Book-Reader-Apps wie Txtr Reader oder Amazons Kindle-App zulassen, könnte man darüber auch andere E-Book-Formate auf dem iPad lesen.

Laut einem Hinweis in einem Werbevideo wird es iBooks nur in den USA und "ausgewählten Ländern" geben – auf der deutschen iPad-Seite fehlt diese Anwendung bisher. Doch die Chancen stehen gut, dass Apple auch hierzulande Verlagspartner finden wird, um iBooks mit den passenden Inhalten nach Deutschland bringen zu können.

Der Erfolg des iPads dürfte im Wesentlichen von dem abhängen, was außer den Standard-Anwendungen sonst dafür zu haben sein wird; der Funktionsumfang ist mit Anwendungen aus dem App Store erweiterbar. Fast alle iPhone-Apps sollen sich auch auf dem iPad installieren lassen, sie starten auf dem iPad in Originalgröße oder auf die volle Displaygröße hochgerechnet. Programmierer können mit der seit Mittwoch zur Verfügung gestellten Entwicklungsumgebung ihre bereits bestehenden Anwendungen für die Auflösung des iPads optimieren und spezielle für das iPad entwickeln. Wie beim iPhone bestimmt Apple, welche Software über den Store verkauft werden und damit auf dem iPad Platz finden darf und welche nicht. Und es bedeutet auch: Apple verdient bei jeder iPad-Software mit 30 Prozent Anteil kräftig mit.

Beispiele für weitere, für das iPad optimierte Anwendungen zeigte Apple gemeinsam mit einigen Partnern auf dem Show-Event. Apples Marketing-Chef Phil Schiller führte durch eine iPad-Version von Apples Office-Suite iWork mit den Anwendungen Keynote, Pages und Numbers, die jeweils 10 US-Dollar kosten sollen. Die Spieleschmieden Gameloft und Elecronic Arts präsentierten Ego-Shooter, Renn- und Sportspiele.

Martin Nisenholtz von der New York Times führte eine iPad-Version der US-Zeitung vor, die dem Layout des Originals sehr nahe kommt und dabei Video-Einbettung, Schriftanpassung und schnelles Navigieren durch die Zeitungsressorts bietet. "Wir sind ganz aufgeregt, Pioniere für die nächste Version des digitalen Journalismus zu sein", so Nisenholtz. Damit scheint sich abzuzeichnen, dass Zeitungs- und Magazinabos auf dem iPad nicht wie beim Kindle in einem definierten Layout-Format über einen zentralen Inhalteshop vertrieben werden, sondern die Verlage sich ihre eigenen Anwendungen basteln: Wie sie ihre Inhalte aufbereiten und strukturieren, bleibt ihnen selbst überlassen.

Um den Boden für grafiklastige Spiele und andere ressourcenhungrige Anwendungen zu legen, hat Apple das iPad mit aktueller Hardware ausgestattet. Im Tablet steckt ein von Apple selbst gefertigtes ARM-SoC mit 1-GHz-Takt, den das Unternehmen Apple A4 nennt – die Spekulationen über die Details sind bereits in vollem Gang. Je nach Preis fasst der Flashspeicher 16, 32 oder 64 GByte. Das LCD mit LED-Hintergrundbeleuchtung hat eine Diagonale von 9,7 Zoll und löst mit 1024 × 768 Pixel (132 dpi) auf, hat also ein 4:3-Format.

Ungewöhnlicher Notebook-Ersatz: Eine optionale Dockingstation mit Tastatur richtet das iPad hochkant auf.

(Bild: Apple)

Es wird zwei Modelle geben, Wifi und Wifi + 3G. Bei beiden sind WLAN (802.11n), Bluetooth, Kompass, Beschleunigungssensor, Mikrofon und Lautsprecher eingebaut, eine Kamera fehlt. Das Modell Wifi + 3G hat zusätzlich ein UMTS-Modul für Datendienste und einen GPS-Empfänger eingebaut, verfügt aber über keine Telefonie- oder SMS-Funktionen. Als Betriebssystem setzt Apple ein angepasstes iPhone OS ein. Der nicht austauschbare Akku soll laut Apple bei halber Helligkeitsstufe rund 10 Stunden halten. In einem ersten Hands-on von heise online machte das Display einen gut lesbaren Eindruck, die Bedienoberfläche fuhr schnell hoch und reagierte auf alle Eingaben äußerst flott.

Außer einer 3,5-mm-Buchse hat das iPad nur einen proprietären 30-Pin-Anschluss für Zubehör, immerhin ermöglicht der mitgelieferte Adapter auch die Verbindung per USB. Als Zubehör wird unter anderem ein SD-Karten-Lesegerät und Dockstationen mit und ohne Tastatur angeboten, die das iPad hochkant aufrichten.

Ende März soll die WLAN-Version des iPads weltweit auf den Markt kommen, mit 16 GByte kostet sie 500, mit 32 GByte 600 und mit 64 GByte 700 US-Dollar. Die Modelle mit UMTS sind 130 Dollar teurer und erst ab Ende April in den USA und ausgewählten Ländern verfügbar, wie es in der Pressemitteilung von Apple dazu heißt. Während Apple die Verfügbarkeit der WLAN-Variante in Deutschland ab März bestätigt hat, ist noch unklar, wann das UMTS-Modell in Deutschland zu haben sein wird. Einige deutsche Online-Shops listen seit Freitag bereits beide Versionen zur Vorbestellung zu Preisen ab 500 Euro, der T-Online-Shop hat das Angebot inzwischen wieder aus dem Netz genommen.

Das UMTS-Modell des iPads kommt ohne SIM-Lock, sodass der Nutzer sich selbst für einen Mobilfunk-Provider entscheiden kann. Das dafür benötigte SIM-Kartenformat Micro-SIM haben viele Provider noch nicht im Programm, das dürfte sich aber schnell ändern. In den USA bietet AT&T zwei Tarife ohne Vertragsbindung für das iPad an: 250 MByte im Monat für 15 US-Dollar und eine Flatrate für 30 Dollar monatlich.

Die Reaktionen auf das iPad im Netz waren durchwachsen. Viele Blogger und IT-Newssites zeigten sich ob der hohen Erwartungen im Vorfeld enttäuscht, viele hatten etwas mehr Ausstattung, bessere Hardware und die eine oder andere große Überraschung erwartet. Und viele hatten eher auf ein Macbook ohne Tastatur mit Mac OS gehofft statt auf einen großen iPod Touch mit UMTS-Modul. Mit dem iPad bietet Apple nun etwas, was zwar für den Geek nur ein weiteres Gadget für 500 Euro aufwärts ist, aber möglicherweise für viele andere das Zeug zur Notebook-Alternative hat.

Wer auf seinem Notebook vor allem surft, Filme schaut und hin und wieder eine Mail oder einen Brief schreibt, dem reicht ein eingeschränkter Tablet ohne Tastatur völlig aus, zumindest wenn das Bedienkonzept stimmt, wenn man seine bestehende Mediensammlung darauf übertragen kann und der App Store in Zukunft wenig Wünsche offen lässt. Und vielen ist wahrscheinlich auch egal, dass Apple das Ökosystem von Anwendung bis E-Book kontrolliert und kräftig daran mitverdient, solange das Angebot ausreichend ist und akzeptable Preise hat.

(acb)