Fotografieren im Winter: Tageszeiten und Weißabgleich beherrschen

Der Winter erschafft erstaunliche Farbspiele. Die Kamera kann diese automatisch oft nicht einfangen. Fotografen müssen daher selbst tätig werden.

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In der Polarnacht oberhalb des 64° Breitengrades erreicht das direkte Licht der Sonne im Dezember selbst Mittags lediglich noch höhere Wolkenformationen, wie dieses zerfallene Sturmsystem vor der Küste der Lofoten.Nikon D800 | 16 mm | ISO 100 | f/11 | 1,3 s

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nicolas Alexander Otto
Inhaltsverzeichnis

Für Landschaftsfotografen haben die Wintermonate bisweilen einen entschleunigenden Charakter. Ein großer Vorteil sind die späten Sonnenaufgänge und frühen Untergänge. Während im Sommer die Sonne etwa in München bereits gegen viertel nach fünf über den Horizont lugt und erst nach neun Uhr abends wieder versinkt, verkürzt sich der Tag um einige Stunden bis zur Wintersonnenwende. Dann geht die Sonne erst um acht Uhr auf und schon um halb fünf nachmittags wieder unter. Das ist besonders großartig für Morgenmuffel und jene, die auf dem Weg von der Arbeit ein schönes Bild am Wegesrand bei Abendlicht machen wollen. Natürlich steigert sich dieser Effekt je weiter im Norden man wohnt: Zum Vergleich, bricht der neue Tag auf Rügen am 21. Dezember erst um halb neun an. Trauen Sie sich noch weiter nach Norden, so kommen Sie ab dem 64. Breitengrad (etwa in der Mitte Schwedens) in der Polarnacht an, wo die Sonne sich gar nicht mehr zeigt.

Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass der Sonnenverlauf im Winter flacher ist. Das heißt, dass auch während des Sonnenhöchststandes das Licht weicher ist als im Sommer, wo die Sonne, je nachdem wo sie sich in Deutschland aufhalten, gut 40° höher am Himmel steht. Ich fahre sehr gerne im Winter in den hohen Norden Skandinaviens und fotografiere dort das arktische Licht. Im Januar geht die Sonne dort nur so weit auf, dass Sonnenaufgang und Sonnenuntergang direkt ineinander übergehen. Nimmt man noch die Blaue Stunde hinzu, so können wir etwa acht Stunden bei hervorragendem Licht durchfotografieren.

Winterfotografie

Der niedrige Sonnenstand um die Wintersonnenwende ermöglicht es, einige fantastische Farbspiele einzufangen. Ich fotografiere besonders gerne in der goldenen Stunde, da die Farbkontraste aus den warmen Schattierungen der niedrigstehenden Sonne und dem kalten weiß-blau von Schnee und Eis fabelhafte Farbkontraste ergeben. Normalerweise assoziieren wir Schnee und Winter mit Kälte, doch gerade dieses visuell zu kontrapunktieren, ergibt überraschende Aufnahmen. Häufig spiele ich mit dem Weißabgleich, um die Farbkontraste noch etwas zu verstärken. So ist es möglich, durch das Verringern der Farbtemperatur das Bild noch kälter erscheinen zu lassen, und umgekehrt durch das Erhöhen, das Bild wärmer zu gestalten. Beides kombiniert ergibt eine interessante Mixtur und erzeugt Dynamik, strahlt aber auch eine gewisse Ruhe aus. Dabei achte ich stets darauf, dass die Schatten eher kalt wirken und die Lichter dagegen warm, da dies einen realistischeren Eindruck kreiert. Dies kann man gut an dem folgenden Beispiel, aufgenommen am Kochelsee (Bayern) mit seinen Fischerhäusern, erkennen. An einem kalten Neujahrsmorgen habe ich hier im Nebel den Sonnenaufgang fotografiert. In der Nachbearbeitung wärmte ich den von der Sonne erhellten Nebel im Raw Konverter etwas auf und kühlte die Schatten im Schnee und an den Häusern etwas ab. Vor Ort waren es etwa -7° C doch das Bild sieht nicht mehr danach aus, stattdessen mutet es warm und angenehm an, nur der Schnee und die kühleren Schatten lassen vermuten, wie bitterkalt es doch war.