Mehr Dampf fürs Funknetz

Um für Anforderungen an die Kapazität der Mobilfunknetze gerüstet zu sein, entwickeln Hersteller und Netzbetreiber die Netztechniken laufend weiter. LTE Advanced soll die Datenrate in wenigen Jahren auf über 1 GBit/s beschleunigen.

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Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Dr. Michael Meyer
  • Dr. Christian Hoymann
Inhaltsverzeichnis

Betreiber von Mobilfunknetzen befinden sich in ständigem Wettlauf mit immer weiter steigenden Ansprüchen, denn kein noch so leistungsfähiges Netz erfüllt die Anforderungen auf Dauer. Doch die Urheber haben beispielsweise schon UMTS von vornherein so konzipiert, dass es sich in weitem Rahmen erweitern lässt, etwa mittels HSPA.

Auch die noch junge LTE-Mobilfunktechnik ist so beschaffen, dass sie sich weiterentwickeln lässt. Das Third Generation Partnership Project (3GPP) hat LTE im Jahr 2008 spezifiziert und weil das Standardisierungsgremium alle seine Spezifikationen nummeriert, heißt die erste für LTE definierte „Release 8“. Darauf gründen die LTE-Netzelemente und -endgeräte, die mittlerweile in Deutschland und anderen Ländern auf den Markt kommen.

LTE unterscheidet sich von UMTS erheblich. Für den Nutzer am ehesten spürbar sind die höheren Datenraten und die kürzeren Signallaufzeiten. Die Laufzeiten auf der Strecke vom Teilnehmer zur Basisstation sind derart gering, dass je nach Netztopologie Ende-zu-Ende-Antwortzeiten von 20 bis 30 ms erreichbar sind. LTE eignet sich daher noch besser als UMTS mit HSPA+ für zeitlich anspruchsvolle Anwendungen wie Echtzeitspiele. Und mit der oft verwendeten Konfiguration von je zwei Sende- und Empfangsantennen lassen sich bei guter Signalqualität auf IP-Ebene in der Spitze rund 170 MBit/s zum Teilnehmer übertragen. Grundlagen und erste Erfahrungen zur aktuell in Deutschland eingesetzten Technik haben wir beschrieben [1, 2].

Auf dieser Basis setzt nun die kürzlich fertiggestellte Spezifikation „LTE Release 10“ auf. Ausgangspunkt der Entwicklung war der Anforderungskatalog der ITU für eine 4G-Mobilfunktechnologie.

Jeder Mobilfunkstandard der vierten Generation (4G) muss diese Anforderungen erfüllen (siehe Tabelle). Neben diesen hat das 3GPP allerdings auch noch eigene, teilweise erheblich höhere Anforderungen. Der Katalog ist auch unter dem Arbeitstitel „IMT-Advanced“ bekannt (International Mobile Telecommunications – Advanced). Davon abgeleitet wird „LTE Release 10“ häufig auch als LTE-Advanced bezeichnet.

Anforderungen an LTE-Advanced
ITU 3GPP
Spitzendatenraten - Downlink 1 GBit/s, Uplink 500 MBit/s
Spektrale Bandbreite 40 MHz bis zu 100 MHz
Nutzdatenlatenz 10 ms 10 ms
Kontrolllatenz 100 ms 50 ms
Spektrale Effizienz
Downlink 15 Bit/s/Hz 30 Bit/s/Hz
Uplink 6,75 Bit/s/Hz 15 Bit/s/Hz

Im Zentrum der Anstrengungen stand, LTE zu einer Gigabit-Technologie zu entwickeln. In Empfangsrichtung, also vom Netz zum Teilnehmer (Downlink), sollte LTE Advanced Spitzenraten über 1 GBit/s liefern, in Senderichtung (Uplink) mehr als 500 MBit/s. Zwei weitere Eckwerte zeigen zugleich auf, über welche technischen Mittel diese Spitzenraten erreicht werden sollten – über größere spektrale Bandbreite und erhöhte spektrale Effizienz. Die Zielwerte sollte Release 10 mit einer Funkbandbreite von 100 MHz und einer spektralen Effizienz von 30 Bit/s/Hz im Downlink sowie 15 Bit/s/Hz im Uplink erreichen.

Hingegen wurden die Latenzanforderungen gegenüber LTE Release 8 nicht weiter erhöht; sie liegen ohnehin im Bereich, den die ITU fordert. Allerdings achtete das 3GPP sehr darauf, die Erweiterungen abwärtskompatibel umzusetzen, denn nur so können bereits im Markt befindliche Endgeräte, die gemäß Release 8 gebaut sind, weiter betrieben werden.

Das 3GPP hat verschiedene Verfahren geprüft, um diese Anforderungen zu erfüllen. Es blieben letzlich vier Erweiterungen übrig, die man für LTE Release 10 herangezogen hat: die Trägerbündelung, erweiterte Mehrantennenkonzepte, Relay-Verfahren sowie umfassende Techniken für den Betrieb von heterogenen Netzen. Letzteres gewährleistet, dass Basisstationen mit großer und mit kleiner Sendeleistung weitgehend reibungslos nebeneinander arbeiten. Alle vier Punkte erläutern wir im Folgenden ausführlich.

LTE Release 8 nagelt die Breite der Träger auf maximal 20 MHz fest. Um die Geräte, die gemäß Release 8 arbeiten, nicht abzuhängen, durfte Release 10 also nicht die Breite eines einzelnen Trägers einfach auf 100 MHz erhöhen. Stattdessen erreicht Release 10 die Vorgabe über die Bündelung von bis zu fünf 20-MHz-Trägern. Sie werden als Komponententräger bezeichnet. Weil die Datenrate im gewählten Umfeld aus Modulation, Protokollen und Systemkonstanten mit der Bandbreite annähernd linear zunimmt, lässt sich so die Datenrate etwa auf 1 GBit/s verfünffachen.

LTE-Geräte, die gemäß Release 10 funken, können zwei bis fünf Träger bündeln, und zwar nicht nur, wenn sie im selben Band spektral getrennt sind, sondern selbst dann, wenn sie in verschiedenen Bändern liegen.

Die Trägerbündelung wurde für verschiedene Frequenzszenarien spezifiziert. Im einfachsten Fall lassen sich benachbarte Träger innerhalb eines Frequenzbands bündeln. Man kann jedoch auch Träger bündeln, die spektral getrennt im gleichen oder sogar in verschiedenen Bändern liegen.

Letzteres ist aufgrund der gegenwärtigen Frequenzzuteilungen für die deutschen Netzbetreiber besonders nützlich, weil sie typischerweise Frequenzen in den drei Bändern bei 800 MHz, 2 GHz und 2,6 GHz erstanden haben. So kann man zum Beispiel ein fragmentiertes Spektrum von 10 MHz im 800-MHz-Band und 20 MHz im 2,6-GHz-Band zu insgesamt 30 MHz zusammenfassen. Der Netzbetreiber verfügt also weiterhin über dieselben Funkbänder, kann Kunden aber erheblich höhere Datenraten anbieten als ohne die Bündelung. Weltweit sind jedoch weit mehr und auch komplexere Bandkombinationen gebräuchlich. Um die Spezifikation und die Technik übersichtlich zu halten, hat das 3GPP aber nicht sämtliche Variationen berücksichtigt, sondern nur die wichtigsten.

Ein netzseitig betriebener Scheduler verteilt bei LTE die Daten auf die Komponententräger in den Bändern A und B und legt dabei die Modulations- und Kodierstufe, die Antennenkonstellation und die OFDM-Ressourcen fest.

Bei der Trägerbündelung wird jeder einzelne Komponententräger wie in Release 8 betrieben, sodass LTE-Endgeräte der ersten Generation keinen Unterschied merken. Um den Energieverbrauch und auch die Komplexität in ökonomischen Grenzen zu halten, spezifiziert Release 10 einen primären Komponententräger, den jedes Endgerät verfolgt. Sollte nun während der Verbindung der Bedarf an Datenrate zunehmen, können bereits zuvor konfigurierte sekundäre Komponententräger dynamisch hinzugeschaltet werden. Dafür setzt 3GPP eine schnelle Signalisierung ein, die auf der Medium Access Control Protokollschicht (MAC-Schicht) beruht. So lässt sich ein sekundärer Komponententräger in wenigen Millisekunden aktivieren.

Wie im Bild dargestellt, können Datenströme flexibel auf die zur Verfügung stehenden Komponententräger verteilt werden. Für jeden Komponententräger ist eine MAC-Instanz zuständig. Ein netzseitig betriebener, zentraler Scheduler trifft basierend auf Pufferfüllständen, Kanalzuständen und QoS-Parametern die Entscheidung, welche und wie viele Daten übertragen werden. Dafür legt er die Modulations- und Kodierstufe, die Antennenkonstellation und die OFDM-Resourcen fest [1]. Letztlich verteilt also der Scheduler die Daten auf die Komponententräger.

Entsprechend dieser Entscheidung stellt der Radio Link Control Layer (RLC) die Daten den einzelnen MAC-Instanzen zur Verfügung. Im Empfänger läuft der Prozess analog zum Sender, nur umgekehrt: Korrekt empfangene Daten fließen vom MAC-Layer zu den entsprechenden RLC-Instanzen, die sie zusammenfassen und an die nächste Protokollschicht hinaufreichen. Daten, die der MAC-Layer trotz Fehlerkorrektur (HARQ) nicht korrekt übergeben kann, werden mittels des ARQ-Protokolls im RLC-Layer erneut angefordert, bis sie schliesslich ebenfalls korrekt vorliegen.

Im Normalfall werden Kontrolldaten auf dem gleichem Träger wie die Nutzdaten versendet. Es ist jedoch auch ein Cross-Carrier-Betrieb möglich, bei dem Kontrolldaten auf einem separaten Träger versendet werden. Die Anzahl der Komponententräger lässt sich für den Uplink und den Downlink getrennt konfigurieren.

Der Cross-Carrier-Betrieb kann nützlich sein, wenn der Netzbetreiber gezwungen ist, die Nutzdaten in einem nur mäßig geeigneten Teil des Spektrums zu übertragen. Wenn wenigstens die Signalisierung in einem robusten Teil des Spektrums abläuft, steigt unterm Strich die Zuverlässigkeit der Verbindung. Ein solches Szenario kann man sich für den 2,6-GHz-Bereich und den 800-MHz-Bereich vorstellen. Dabei könnten Kontrolldaten ausschließlich im robusten 800-MHz-Band übertragen werden, Nutzdaten jedoch in beiden Bändern.

Schon in der ersten LTE-Version stellte die Mehrantennentechnik ein Kernelement zur Erhöhung der Übertragungrate dar. Damit lässt sich zum Beispiel das Beamforming nutzen, also das Mobilfunksignal gezielt in Richtung des empfangenen Endgerätes bündeln. Alternativ dazu kann Antennendiversität eingesetzt werden, bei der der Sender jedes modulierte Symbol doppelt überträgt. Jede Version wird dabei anders phasengewichtet und der Empfänger empfängt so verschiedene Versionen. Durch nachgeschaltete Signalverarbeitung lässt sich dann das Optimum aus dem Signalgemisch herausholen und die Robustheit der Übertragung steigern.

Daneben besteht die Möglichkeit, die Antennen zu nutzen, um mit Hilfe des räumlichen Vielfachzugriffs MIMO (Multiple Input Multiple Output) mehrere räumlich getrennte Signale gleichzeitig zu senden. Dadurch lässt sich die Datenrate drastisch erhöhen. Die Signale können dabei zu einem (Single-User MIMO) oder zu mehreren Endgeräten (Multi-User MIMO) gesendet werden. Release 8 spezifiziert bis zu vier Sendeantennen an der Basisstation, mit denen im räumlichen Vielfachzugriff bis zu vier Mobilfunksignale zu einem einzelnen Endgerät gesendet werden können.

Anders als LTE Release 8 nutzt Release 10 die MIMO-Technik aber auch im Uplink, also vom Teilnehmer zur Basisstation. Künftige Endgeräte wie Mobilfunk-Router oder Laptops können also mit bis zu vier LTE-Sendeantennen ausgestattet werden und bis zu vier Datenströme gleichzeitig senden, während aktuelle LTE-Geräte mit nur einer Antenne lediglich einen Stream senden.

Das technische Potenzial dieses Verfahrens zeigte Ericsson auf dem Mobile World Congress 2010 in Barcelona. Damals gelang dem Netzwerkzulieferer weltweit erstmals eine Übertragungsgeschwindigkeit von 1 GBit/s über LTE. Entsprechend spezifiziert Release 10 nun Basisstationen mit bis zu acht Sendeantennen. Damit lassen sich bis zu acht Datenströme (spatial Streams) gleichzeitig senden.

Vorausgesetzt, die Funkbedingungen erlauben diese Betriebsmodi, verdoppelt LTE Release 10 also die Spitzendatenrate auf der Downstream-Strecke und vervierfacht sie auf der Upstream-Strecke. Die Trägerbündelung und die erweiterten MIMO-Konzepte verhelfen LTE dazu, 1 GBit/s im Downlink und 500 MBit/s im Uplink zu übertragen.

Weit wichtiger als neue Höchstgeschwindigkeiten unter Optimalbedingungen ist für den Endnutzer allerdings eine gute Leistung unter regulären Bedingungen. Erste Maßnahmen dafür nutzt bereits LTE Release 8, indem es hohe Datenraten auch am Zellrand liefert und die Abdeckung der Mobilfunknetze generell verbessert. Release 10 führt diese Bestrebungen mit zwei weiteren Ergänzungen fort.

Um die Netzabdeckung an Zellrändern oder in Abschattungsgebieten zu verbessern, wurde ein netzseitiges Relay-Verfahren spezifiziert. Dabei bildet eine Relay-Station einen Netzknoten, der ein Mobilfunksignal des Senders empfängt, dekodiert und in verbesserter Qualität zum Empfänger weiterschickt.

Mit Funk-Relays lässt sich die Reichweite von Basisstationen einfach erhöhen. Anders als Basisstationen müssen die Zwischenstationen nämlich nicht aufwendig per Kabel oder per Richtfunk an das Kernnetz angekoppelt werden.

Mit solchen Zwischenstationen lässt sich die Reichweite von Basisstationen deutlich erhöhen und damit die Netzdeckung einfach verbessern – denn anders als die Basisstationen müssen die Zwischenstationen nicht aufwendig per Kabel oder per Richtfunk an das Kernnetz angekoppelt werden; es genügt, sie mit guter Anbindung zur Basisstation aufzustellen.

Relay-Stationen lassen sich aber auch innerhalb des Abdeckungsbereichs einer Basisstation aufstellen. Dadurch lässt sich die Qualität der Versorgung steigern. Um das Potenzial von Relay-Stationen auszuschöpfen, muss der Netzplaner solche Stationen dichter an die zu versorgenden Endgeräte platzieren. Zugleich sollte die Funkverbindung zur Basisstation sehr gut sein und die versorgende Basisstation muss Konnektivität zu herkömmlichen Terminals bieten.

Teilnehmergeräte kommunizieren mit der nur mittelbar erreichbaren Basisstation wie gewöhnlich – bis darauf, dass bei dieser vermittelten Kommunikation die Signallaufzeiten geringfügig zunehmen. Die Vermittlung bringt aber eine bessere Anbindung im Vergleich zur direkten Verbindung mit der Basisstation.

LTE Release 10 spezifiziert Relay-Stationen sowohl auf der Aufwärtsstrecke als auch auf der Abwärtsstrecke zwischen Basisstationen und Endgeräten. Aus Sicht eines Endgerätes ist das Relay unsichtbar. Es versorgt jedoch wie eine normale Basisstation seine eigene Zelle, in der die LTE-Funkstandards unverändert eingesetzt werden. Im Prinzip stellt eine Relay-Station also eine Basisstation dar, die drahtlos per LTE am Mobilfunk-Kernnetz angekoppelt ist.

Relay und Basisstation kommunizieren ebenfalls per LTE miteinander. Dabei lassen sich zwei Arten unterscheiden: Outband-Relaying und Inband-Relaying.

Das Inband-Relay kommuniziert mit der Basisstation über den gleichen Träger wie mit Endgeräten. Dabei verhindert ein Zeitmultiplexverfahren wechselseitige Störungen. Deshalb schaltet das Relay ständig zwischen Sende- und Empfangsbetrieb hin und her – zuerst empfängt es auf der Abwärtsstrecke Daten von der Basisstation und dann sendet es diese zum Endgerät weiter. Ebenso alternierend arbeitet es auf der Aufwärtsstrecke.

Das Zeitmultiplexverfahren zog einige Modifikationen des LTE-Funkstandards nach sich, die allerdings nur Basis- und Relay-Stationen betreffen. Zum Beispiel müssen Kontrolldaten auf einem eigenen Kanal gesendet und Schutzzeiten zum Umschalten zwischen dem Sende- und Empfangsbetrieb eingehalten werden.

Wenn eine Basisstation mit der Relay-Station über einen separaten Träger kommuniziert, spricht man vom Outband-Relaying. Die Relay-Station benutzt dann einen weiteren Träger zur Kommunikation mit den Endgeräten. Unterschiedliche Frequenzen auf den beiden Übertragungsstrecken verhindern wechselseitige Störungen. Außerdem sind die Übertragungen voneinander unabhängig und das Relay sendet und empfängt gleichzeitig. Wegen der doppelten Ausstrahlung ist die Latenz aber auch bei diesem Verfahren leicht erhöht gegenüber der Relay-losen Übertragung. Ein Vorteil dieses Ansatzes ist jedoch, dass der LTE-Funkstandard beim Outband-Relaying zwischen Basis- und Relay-Stationen unverändert eingesetzt werden kann.

Es ist abzusehen, dass das Datenvolumen in mobilen Breitbandnetzen noch weiter zunehmen wird. Um Datenstau zu vermeiden, muss die Kapazität der Netze also weiter erhöht werden. Das geht eigentlich sehr effektiv, indem man Mobilfunkzellen etwas dichter aufstellt. Jedoch verteilen sich Endgeräte oft nicht gleichmäßig auf die abgedeckte Fläche. In Cafés oder Bahnhöfen konzentrieren sich oft sehr viele Nutzer, die gleichzeitig auf engem Raum auf mobile Breitbanddienste zugreifen. An solchen Orten kann es sinnvoll sein, Basisstationen aufzustellen, die mit einer vergleichsweise geringen Sendeleistung nur diese stark frequentierten Bereiche versorgen.

Wird ein Mobilfunknetz mit Netzelementen verdichtet, die mit geringerer Leistung senden als konventionelle Basisstationen, so erhält man einen Verbund von Makro-, Pico- und Femtozellen (siehe Bild). Eine solche Infrastruktur wird als heterogenes Netz bezeichnet.

Ein Mobilfunknetz, das Basisstationen mit unterschiedlicher Sendeleistung kombiniert, wird als heterogenes Netz bezeichnet. Damit es eine höhere Kapazität liefert als ein homogenes Netz, bedarf es spezieller Tricks.

Konventionelle Makro-Basisstationen senden mit bis zu 40 W Leistung, Pico-Basisstationen senden mit nur wenigen Watt. Die Femto-Basisstationen, die der Teilnehmer ähnlich wie WLAN-Router selbst aufstellt und dessen Zugriffsrechte er auch selbst konfiguriert, senden mit noch geringerer Leistung; die Anbindung erfolgt via DSL [3].

Man kann ein Netz aber nicht beliebig verdichten, weil mit Zunahme der Zellen auch die gegenseitigen Störungen durch Signalinterferenzen zunehmen. Dagegen helfen verschiedene Strategien. Eine der einfachsten besteht darin, potenziell störende Zellen in separaten Frequenzbändern zu betreiben. Die sind jedoch nicht beliebig verfügbar.

Eine elegantere Methode nutzt zwei Effekte, die der geringeren Sendeleistung von Pico- oder Femto-Zellen geschuldet sind: Die kleinen Stationen stellt man so auf, dass sie gerade den von den Nutzern verwendeten Bereich besser ausleuchten als eine laut sendende, aber zu weit entfernte Makro-Station. Außerdem nutzt man aus, dass die Störreichweite geringer ausfällt und kann so dieselbe Frequenz auf gleicher Fläche häufiger verwenden.

Allerdings lassen sich so nicht alle Störungen zwischen den Knoten vermeiden, sodass man bei GSM- und UMTS-Netzen schnell an die Grenzen dieser zweiten Methode stößt.

Die sind bei LTE jedoch nicht so eng, denn mittels der OFDM-Technik lässt sich die Funkressource über Unterträger fein granulieren. So kann man die Signale von benachbarten Zellen in Frequenz oder Zeit voneinander trennen. Beispielsweise kann eine potenziell störende Basisstation solche Unterträger meiden, über die in einer Nachbarzelle kritische Informationen übertragen werden. Solche Fälle berücksichtigt eine durchdachte Netzplanung, indem sie den Betrieb solcher Basisstationen koordiniert.

Daneben müssen die Netzplaner berücksichtigen, dass bei heterogenen Netzen der Algorithmus für den netzseitig ausgelösten Zellenwechsel eines Handys (Handover) in die Irre geführt werden kann. Um eine gute Verbindung zu gewährleisten, versucht das Handy nämlich grundsätzlich den Kontakt zu der Basisstation zu halten, die von ihm aus gesehen am besten erreichbar ist. In einem homogenen Netz aus Makrozellen ist das in der Regel die örtlich nächste und das Netz löst den Handover aufgrund der vom Handy rückgemeldeten Empfangspegel etwa in der Mitte zwischen zwei Makro-Stationen aus.

Wenn sich das Handy nun aus der Pico-Zelle herausbewegt und dabei ein starkes Signal einer Makro-Zelle empfängt, erscheint die Makro-Zelle viel attraktiver und das Netz neigt dazu, das Handover zu früh auszulösen. Das möchten Netzplaner verhindern, weil dadurch die wirksame Flächendeckung der Pico-Zelle schrumpft und ihre Kapazität brachliegt. Das lässt sich einfach unterbinden, indem man für das Handover der Pico-Zellen einen Offset festlegt, der die Pico-Zelle scheinbar größer macht.

Zusätzlich greift die Netzplanung gezielt in das Funkressourcen-Management ein, um die starke Störstrahlung der Makro-Zelle zu dämpfen – beispielsweise, indem sie die Unterträgeraufteilung anpasst. Unterm Strich hält das Netz die Teilnehmer so länger in der Pico-Zelle, entlastet die Makro-Station und erhöht die Gesamtkapazität.

Die erste LTE-Version, auf der die in Deutschland im Aufbau befindliche Netztechnologie basiert, stellt bereits eine sehr gute Alternative zu drahtgebundenen Breitbandzugängen dar. Um für kommende Anforderungen gerüstet zu sein, planen Netzwerkausrüster, Endgeräte-Hersteller und Netzbetreiber aber bereits jetzt mit der Gigabit-Technik LTE Release 10. Sie dürfte im Laufe der nächsten Jahre in den Mobilfunknetzen Einzug halten.

Die Entwicklung ist mit Release 10 allerdings noch längst nicht zuende; der Standardisierungsprozess geht laufend weiter. Inzwischen tüfteln Spezialisten LTE Release 11 aus. Auch diese LTE-Version wird wieder zahlreiche Verbesserungen enthalten. Ersten Anzeichen nach wird es noch intensiver um heterogene Netze und kooperierende Basisstationen gehen – also um Verfahren, die die Datenraten unter mäßigen Sende- und Empfangsbedingungen noch weiter verbessern.

Dr. Michael Meyer und Dr. Christian Hoymann sind im Bereich Forschung bei Ericsson tätig.

  1. Dr. Michael Meyer, Breitband-Mobilfunk, LTE setzt neue Maßstäbe, heise mobil 2011
  2. Urs Mansmann, Das Ende der weißen Flecken, Flächendeckend schnelle Internet-Zugänge per LTE, c’t 13/11, S. 116
  3. Philipp Thier, Arbeitsteilung, Wie Femto-Zellen die Mobilfunknetzabdeckung verbessern, heise mobil 2011

(dz)