MWC: Getrennte Welten bei Mobile Money

Am ersten Tag des Mobil World Congress beschäftigten sich die Kongressteilnehmer mit mobilen Zahlungssystemen. Deren Entwicklung ist nicht nur in Entwicklungsländern interessant.

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Der erste Kongresstag des Mobile World Congress stand im Zeichen von Mobile Payment und Mobile Money. Nach Wünschen von Netzbetreibern, Handyherstellern, Geldinstituten, Regierungen, NGOs, aber auch zahlreichen Unternehmen und Endkunden sollen Mobiltelefone eine wesentliche Rolle bei der Abwicklung von Zahlungsvorgängen, Überweisungen und der Inanspruchnahme diverser Finanzdienstleistungen spielen.

Soweit ist sich die Branche einig. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, wer dabei welche Rolle übernehmen und wieviel am Kuchen mitnaschen soll. Zudem unterscheiden sich die technologischen Ansätze. Zur Wahl stehen SIM-basierte Anwendungen, am Handy installierte Software (etwa auf Java-Basis), Browserlösungen (Unstructured Supplementary Service Data (USSD), eher unsichere SMS-Transaktionen sowie die technisch aufwendige, in der Nutzung aber flotte Near Field Communication (NFC). Ein Favorit hat sich noch nicht herauskristallisiert.

Es gibt zwei grundverschiedene Ausgangssituationen: Einerseits entwickelte Märkte, wo ein Großteil der Bevölkerung über Bankkonten verfügt und sich das Handy als Zahlungsmittel gegen Bargeld, Geldkarten, Debitkarten, Kreditkarten, Schecks und/oder Banküberweisungen behaupten muss. Andererseits Entwicklungsländer mit geringer Verbreitung von Bankkonten und entsprechend bargeldzentrierten Volkswirtschaften.

Auf den ersten Blick müsste mobiles Bezahlen in entwickelten Märkten florieren: Die Kunden sind literat und bargeldloses Wirtschaften gewöhnt. Sie vertrauen grundsätzlich in Banken und Technik, kaufen regelmäßig neue Mobiltelefone, und die möglichen Akzeptanzstellen verfügen häufig bereits über Anbindungen an Systeme zur Autorisierung von Zahlungen; immer häufiger setzen öffentliche Verkehrssysteme beim Ticketing auf NFC. In Japan besitzen bereits 60 Millionen Kunden des Netzbetreibers NTT DoCoMo ein NFC-Handy, und 31 Prozent von ihnen verwenden es auch für Zahlungen. Und in Agram und Wien werden bereits 75 Prozent respektive 40 Prozent aller Parkscheine per SMS gelöst.

Aber in der Summe ist M-Payment in den reichen Ländern ein nur spärlich sprießendes Schattengewächs. Die Gründe dafür sind vielfältig. "Interoperabilität" und "Kooperation" zählten in den "Mobile-Money"-Themenveranstaltungen am MWC zu den häufigst bemühtem Vokabeln. Und genau daran hapert es auch. Die Zusammenarbeit zwischen Banken und Netzbetreibern, aber auch Banken beziehungsweise Netzbetreibern untereinander gestaltet sich als schwierig. Die Banken fürchten eine Kannibalisierung ihrer etablierten bargeldlosen Zahlungssysteme. Die Netzbetreiber wollen unbedingt die bestehende Abrechnungsbeziehung zu ihren Kunden für M-Payment nutzen. Sie möchten das Geschäft für sich haben und nicht zur reinen Datenleitung für Banken werden. Sie möchten aber auch die Kunden für sich behalten und nicht fürchten, sie an andere Mobilfunk-Anbieter zu verlieren, weshalb sich netzbetreiberübergreifende Systeme als schwierig zu etablieren erweisen. Noch seltener sind Kooperationen für grenzüberschreitende Zahlungsvorgänge.

Unklar ist auch, welche Techik sich durchsetzen wird. NFC hat den Vorteil einer sehr schnellen und kontaktlosen Abwicklung: Das NFC-Handy muss nur an einem aktiven Lesegerät vorbeigeführt werden. Für einen durchgreifenden Erfolg von NFC bräuchte es hingegen viel mehr passende Endgeräte. Aber Handyhersteller wie etwa Nokia wollen erst einmal selbst eigene Zahlungssysteme ohne Beteiligung der Netzbetreiber etablieren und zögern daher mit dem Einbau von NFC-Chips in alle neuen Modelle.

Nur einige der offenen Fragen: Soll die "NFC-Intelligenz" in den Akzeptanzstellen oder in den Handys stecken? Wer soll den Rollout der Akzeptanzstellen finanzieren? Und was kann man von wem pro Transaktion verlangen? Key Pousttchi von der wi-mobile Research Group der Universität Augsburg warnte im Gespräch mit heise online vor einem Selbstkannibalisierungseffekt durch zu hohe Gebühren: Wenn der Endnutzer pro Transaktion eine spürbare Gebühr entrichten muss, würde das spätestens bei intensiver Inanspruchnahme zu einer inakzeptablen Kostenbelastung führen. Das System limitierte seinen Erfolg dabei selbst.

Denkbar schlecht ist die Lage auf den ersten Blick in weniger wohlhabenden Staaten: Banken und Konten sind den häufig illiteraten Menschen fremd, das Vertrauen in bargeldlose Systeme ist gering, alle Transaktionen laufen bislang bar ab. Schon verlässliche Stromversorgung ist vielfach ein Problem. Namhafte Ersparnisse sind selten, vorhandenes Geld muss schnell ausgegeben werden. Die Verbreitung von Mobiltelefonen ist geringer, und wenn, werden in der Regel sehr einfache Modelle genutzt. Und wie viel Gebühren kann man bei wirklichen armen Menschen schon kassieren?

Erstaunlich hohe, und das mit Erfolg, wie verschiedene Beispiele zeigen. M-Pesa in Kenia hat nicht einmal drei Jahre nach dem Start bereits über acht Millionen Kunden. Jede Transaktion kostet etwa einen halben Euro, der zwischen Sender und Empfänger geteilt wird. Trotzdem erfreut sich das System regen Zuspruchs. Es gibt mangels Bankkonten einfach keine Alternative außer Bargeld, was leicht abhanden kommen kann und sich schlecht über Distanzen übermitteln lässt. Um das Vertrauen der Kunden zu stärken, wird jede Ein- oder Auszahlung trotz vollelektronischer Abwicklung zusätzlich händisch in ein großes Buch eingetragen.

Der panafrikanische Mobilfunker Zain ist der größte Mobile-Payment-Anbieter der Welt. Vor exakt einem Jahr in zwei Ländern gestartet, zählt er heute in sieben Ländern zwölf Millionen Nutzer. Ziel ist, in allen 20 Zain-Ländern den Zap genannte Dienst anzubieten, doch die Genehmigungsverfahren der Bankenaufsichten ziehen sich. Zap kann durch besonders einfachen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr punkten. In Barcelona wurden auch erfolgreiche Angebote aus Pakistan, Bangladesch und von den Philippinen präsentiert. Während in Kenia eine SIM-Applikation genutzt wird, setzt man in Pakistan auf USSD – die dortigen Kunden sind USSD von anderen Diensten bereits gewohnt. NFC ist bislang kein Thema.

Hier sind die Banken klein und haben nichts zu verlieren. Durch Kooperationen mit den Mobilfunkern kommen sie an große, bislang unerreichbare Kundenschichten heran. Großkonzerne wie Visa oder Western Union wittern zudem das Geschäft mit internationalen Transaktionen. In reichere Länder ausgewanderte Menschen schicken tendenziell viel Geld an ihre Familien im Herkunftsland. Ebenso gibt es häufig einen Geldstrom innerhalb der Entwicklungsländer von reichen Städtern zu armen Verwandten auf dem Land. Entsprechend wird in Städten mehr eingezahlt und auf dem Land mehr abgehoben, was unterschiedliche Kommissionssätze und Aufwand bei der Bargeldverteilung erfordert.

Zwar gibt es bisweilen Probleme mit den regulatorischen Genehmigungen, doch die Regierungen stehen den neuen Diensten grundsätzlich positiv gegenüber: Sie können auf diese Weise Geldströme verfolgen und besteuern.

Die Melinda und Bill Gates Stiftung hat namhafte Beträge für den Rollout von Mobile Money zur Verfügung gestellt. Die Armen sollen von den neuen Möglichkeiten profitieren, so die Hoffnung. Sie können besser disponieren, ihren erreichbaren Markt vergrößern und in einem zweiten Schritt erstmals Mikrokredite aufnehmen, Sparguthaben anlegen oder Versicherungen abschließen, und so ihre wirtschaftliche Situation durch Eigeninitiative verbessern. Neue Wirtschaftszweige können entstehen und das Wirtschaftswachstum beschleunigen.

Doch nicht überall läuft es so rund wie bei M-Pesa oder Zap. Zahir Khoja vom afghanischen Mobilfunk-Marktführer Roshan berichtete über eine hinter den Erwartungen zurückbleibende Nutzung des Mpaisa genannten Systems für bargeldlose Überweisungen zwischen den Kunden. Zudem fürchten manche Händler die erstmals mögliche steuerliche Erfassung ihrer Umsätze und akzeptieren Mpaisa nicht oder nur unwillig. Die Kunden wiederum haben kein Vertrauen in Banken. Geld in ein Handy-Konto zu stecken, um es irgendwann später verwenden zu können, ist da häufig zu viel verlangt.

Daher wird in Afghanistan mit sanftem Zwang operiert. Polizisten bekommen ihre Gehälter häufig nur noch auf ihre Handys geladen – und wollen sie sich sofort komplett in bar auszahlen lassen. Da alle Angestellten ihre Gehälter am gleichen Tag erhalten und alle alles sofort in bar wollen, bilden sich bei den Banken Schlangen mit stundenlangen Wartezeiten. Die (noch eher wenigen) Mobile Money Kunden profitieren dabei bei der Mpaisa-Partnerbank von Expressschaltern mit kurzen Wartezeiten.

Trotzdem waren die Polizisten unzufrieden und beschwerten sich über verspätete Gehaltsauszahlungen, was bei Roshan Kopfzerbrechen verursachte, waren doch alle Zahlungen nachweislich korrekt erfolgt. Schließlich stellte sich heraus, dass die Polizisten die SMS mit der Information über ihre Gehaltszuteilung mangels Lesekenntnissen nicht verstanden. Sie wähnten sich erst bezahlt, wenn ihnen ein Lesekundiger die Nachricht vorlas.

Roshan hat eine Lösung gefunden: Die Gehaltsempfänger werden nun von einem Computer angerufen und in der Sprache ihrer Wahl über ihr neues Guthaben informiert. Diese Kreativität lässt auch in so schwierigen Landstrichen auf den langfristigen Erfolg von Mobile Money hoffen. (ll)