Die Mehrheit der Mittelständler findet keine guten Mitarbeiter

Der Fachkräftemangel ist im Mittelstand besonders schlimm. Und weil alle darüber reden, pokern die umworbenen Kräfte besonders hoch.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Fachkräftemangel ist im Mittelstand früher angekommen, als erwartet: Bereits heute haben drei von vier Firmen Probleme, qualifiziertes Personal zu finden. Die leicht rückläufige Konjunktur könnte hilfreich sein und ein paar Kräfte freisetzen – tut sie aber nicht. Den Fehler, bei den ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Flaute gute Leute zu entlassen, macht heute kein Unternehmer mehr, der das Überleben seiner Firma auch langfristig sichern wird. Und doch gehört der Fachkräftemangel für den Mittelstand nicht zu den schwierigsten Herausforderungen, denen man sich akut stellen muss. Mehr Sorgen machen den Unternehmen laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young nur die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise.

Zur aktuellen Situation hat auch der Bund der Selbständigen Baden-Württemberg (BDS) insgesamt 757 Unternehmer im Rahmen seiner Konjunkturumfrage befragt. 72 Prozent meldeten Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Vor einem Jahr tat dies mit 68 Prozent ebenfalls schon eine deutliche Mehrheit, doch der Wert ist weiter gestiegen, das Problem wird also größer. Vor fünf Jahren lag der Wert übrigens noch bei 49 Prozent.

Am schlimmsten ist es mit 83,1 Prozent betroffenen Firmen im Handwerk, gefolgt vom Einzelhandel (65,1 Prozent), den Industriebetrieben (64,9 Prozent) und den Dienstleistern und freien Berufen (62,4 Prozent). Besonders betroffen sind außerdem Firmen zwischen fünf und 50 Mitarbeitern. Unternehmen mit mehr Beschäftigten scheinen für Fachkräfte deutlich attraktiver zu sein, denn hier ist das Fachkräfteproblem derzeit nicht ganz so groß.

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings auch eine Kienbaum-Studie, die sich näher mit diesen heiß ersehnten Mitarbeitern befasst hat. Auch hier wird darauf verwiesen, dass derzeit 74 Prozent der Firmen Probleme bei der Suche nach den geeigneten Kandidaten haben. Allerdings liegt es nicht immer an der Ausbildung. Vielmehr erweisen sich dieser Studie zur Folge viele High Potentials in der Praxis als unfähig, die nach ihren Zeugnissen eigentlich hervorragende Markt- und Karriereaussichten haben müssten. Doch die bringen zwar das nötige Know-how mit, aber an der Charakterbildung fehlt's eben gewaltig: 94 Prozent der Gescheiterten leiden an Selbstüberschätzung, 89 Prozent an mangelnder Fähigkeit zur Selbstkritik. So jedenfalls die Einschätzung der Personaler, die diese Fachkräfte dann auch wieder gefeuert haben.

Gute Nachrichten gibt es in diesem Zusammenhang aber auch: haben sich Unternehmen und Fachkraft gefunden, ist die Liason in der Regel von größerer Dauer. Mindestens drei Jahre hält die berufliche Ehe im Durchschnitt. Und wer dann wechselt, tut es in der Regel nicht, weil ein besseres Angebot winkt, sondern aus privaten Gründen, so jedenfalls die weiteren Ergebnisse der Kienbaum-Studie. (masi)