Handel verschenkt Chancen im Filial- und Onlinegeschäft

Wenn es um die Umsetzung kanalübergreifender Vertriebsstrategien in Unternehmen geht, sind die meisten Probleme hausgemacht. Auch mangelt es oft an echtem Gespür für Kundenwünsche.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das kanalübergreifende Vertriebsstrategien wichtig sind, um im modernen Wettbewerb mithalten zu können, weiß inzwischen jeder Unternehmer. Doch von der Theorie bis zur praktischen Umsetzung ist es ein weiter Weg. Obwohl der Umsatz im Einzelhandel stagniert, schaffen es die meisten Unternehmen nicht, sinnvolle Cross-Channel-Vertriebsstrategien zu erarbeiten und umzusetzen. Von dem Angebot eines kanalübergreifenden Einkaufserlebnisses für den Kunden sind sie weit entfernt: Produktsortiment, Preisgestaltung, Serviceleistung oder Zuständigkeiten der einzelnen Vertriebskanäle sind meist nicht aufeinander abgestimmt. Dies zeigt eine Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des Instituts für internationales Handels- und Distributionsmanagement in Zusammenarbeit mit dem Magazin "Der Handel".

Befragt wurden 69 europäische Handelsunternehmen. Davon verfügt nicht einmal ein Viertel über eine ausgereifte Cross-Channel-Commerce-Strategie. Die meisten haben keine klaren Vorgaben, kein Budget und kein Personal, dass explizit diesem Bereich zugewiesen wurde. Und selbst wenn es eine Strategie gibt, wird in der Praxis oftmals versäumt, bei der Umsetzung ein gegenseitiges Verständnis zwischen den einzelnen Vertriebskanälen aufzubauen. Bei 36 Prozent der Firmen interessiert sich das Top-Management gar nicht für das Cross-Channel-Thema.

Stattdessen wird weiterhin die strikte Trennung von Online- und Offline gelebt. 60 Prozent der Unternehmen haben für jeden Vertriebskanal ein eigenes Management und das soll auch so bleiben. Fast jedes zweite befragte Unternehmen legt keine Priorität auf Cross-Channel-Strategien oder will die entsprechende Verzahnung der Kanäle frühestens ab 2015 in Angriff nehmen.

Die Analysten halten diese Aussagen für gefährlich. Schließlich zeige die Entwicklung ganz klar, dass der Kunde seine Shoppingtouren immer häufiger ins Internet verlagert. Außerdem würden die Verbraucher integrierte Services zunehmend schätzen und auch nachfragen: Wer es möglich macht, dass seine Kunden mit ihrem Smartphone Produktbewertungen über Barcodes an Verkaufsregalen abrufen oder Onlinekäufe noch am selben Tag in der Filiale abholen können, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil, so das Fazit. Wer die Chance versäumt, seine Verkaufskanäle zu vernetzen, riskiere, Marktanteile an besser aufgestellte Wettbewerber zu verlieren.

Doch um die Verzahnung der Kanäle in Angriff zu nehmen, müssten die Unternehmen überhaupt mal zur Kenntnis nehmen, was ihre Kunden wollen. Und dabei sieht es offenbar nicht besonders gut aus. Maximal ein Drittel der Unternehmen hat umfassende Kenntnis über seine Käufer und deren Gewohnheiten sowie Bedürfnisse. Rund 70 Prozent können lediglich auf kanalspezifische Kundendaten zugreifen oder tauschen Erfahrungswerte zwischen offline- und online-Vertriebskanälen aus. Oftmals liegt das Problem in einer mangelnden technischen Ausstattung: Informationen zu Artikelbeständen, Preisen und Käuferpräferenzen können die meisten nur behelfsmäßig austauschen.

Das hat eine Datenverwaltung und geringe Transparenz und damit eine ineffiziente und wenig effektive Cross-Channel-Vertriebssteuerung zur Folge. Gerade einmal 20 Prozent bieten einen Zustelldienst für Onlinekäufe in den jeweiligen lokalen Filialen an. Gesammelte Informationen aus online- und mobil-Kanälen werden den eigenen Filialen nur selten zur Verfügung gestellt. Allerdings liegt das nicht nur an der IT: Wie die Studie zeigt, haben die meisten Unternehmen große Schwierigkeit, bestehende Prozesse und Denkmuster neu auszurichten bzw. intern durchzusetzen. (gs)
(masi)