Kolumne: SaaS - Handel desinteressiert, Hersteller uneins

Während viele IT-Händler glauben, sich für das Thema "Software-as-a-Service" (SaaS) nicht interessieren zu müssen, diskutieren Hersteller und Analysten bereits über die Zukunft des Modells. Oder besser darüber, ob es überhaupt eine Zukunft hat.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg,

in den vergangenen zwei Tagen erschienen zwei Artikel in Online-Newsdiensten für Reseller, die sich kontrovers mit dem Thema "Software-as-a-Service" (SaaS) auseinandersetzen. SaaS ist ja spätestens seit der Ankündigung von Microsoft, sich diesem Vertriebsmodell zu widmen, ein wichtiges Thema auch für den Handel und die Microsoft-Vertriebspartner. Allerdings scheinen das noch nicht alle mitbekommen zu haben.

Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg

(Bild: Microsoft)

Das läßt jedenfalls die Marktstudie (PDF) von Softnews Online vermuten. Denn von den 648 Händlern, die für diese Studie befragt wurden, gaben lediglich knapp 30 Prozent der Befragten an, sich mit dem Thema SaaS bereits eingehend auseinandergesetzt zu haben. Allerdings fand die Befragung im Zeitraum vom 26. Mai bis zum 15. Juli statt, also im Wesentlichen vor dem Microsoft-Partnerkongress in Houston in der zweiten Juli-Woche, auf dem Microsoft seine eigenen Ambitionen beim Thema SaaS vorstellte.

Der Studie zufolge haben sich nicht nur die meisten Händler noch gar nicht mit Software-Mietmodellen befasst, viele haben auch nicht die Absicht, dies zu tun. Die Frage "Planen Sie, sich in den nächsten zwölf Monaten mit dem Thema SaaS zu befassen?", ist von jedem zweiten befragten Händler gar nicht beantwortet worden. Bei dem Rest allerdings ist die Bereitschaft mehrheitlich vorhanden, sich dem Thema zu widmen, sei es dass die Kunden das Thema ansprechen (25 Prozent), die Hersteller entsprechende Schulungen oder Info-Veranstaltungen anbieten (18 Prozent) oder um eigene Softwarelizenzen und die damit verbundenen Kosten flexibler zu gestalten (16 Prozent).

Interessant am Rande: Von den Studienteilnehmern, die angaben, sich noch nicht mit dem Thema SaaS befasst zu haben, waren sich immerhin 37 Prozent sicher, dass Mietmodelle auch in Zukunft nur eine untergeordnete Rolle für ihr Geschäft haben werden (woher sie das wissen, wenn sie sich noch nicht mit dem Thema befasst haben, bleibt offen – Intuition?).

Sind die Ergebnisse repräsentativ? Wohl kaum, und mit diesem Anspruch tritt die Studie auch nicht an. Knapp 40 Prozent der Teilnehmer erzielen einen Jahresumsatz von weniger als 125.000 Euro, knapp 64 Prozent haben bis zu 5 Mitarbeiter. Allerdings: Von den 648 Teilnehmern sagen 23 Prozent, dass Software-Vermarktung ihr Kerngeschäft sei, bei weiteren 21 Prozent ist es ein wichtiges Geschäftselement, und für weitere 26 Prozent ist es ein Ergänzungsgeschäft, welches sie allerdings aktiv betreiben

Fazit: Das Informationsdefizit im Handel in Bezug auf SaaS ist noch sehr groß, viele sehen auch noch gar nicht die – mögliche – Relevanz für ihr Geschäft. Vielleicht sind am Ende diejenigen, die das Thema einfach an sich vorbeiziehen lassen, die Schlaueren? Denn dass SaaS sich durchsetzen wird, ist schließlich noch keine ausgemachte Sache. Es gibt ernst zu nehmende Menschen, die sagen, dass dem Thema schon bald die Luft ausgehen wird.

Zu diesen Menschen gehört Harry Debes, CEO des amerikanischen ERP-Anbieters Lawson. Das Branchenblatt Computer Reseller News (CRN) zitiert den Manager in einem Artikel mit der Überschrift "SaaS wird kollabieren". Die Argumentation von Debes steht auf recht dünnen Beinen, im Wesentlichen darauf, dass die Vorgänger-Modelle "Service Bureaux" und "Application Service Providing" (ASP) auch nicht funktioniert hätten. Darüber hinaus sagt er voraus, dass der Markt kollabieren werde, wenn SaaS-Pionier Salesforce.com schlechte Geschäftszahlen ausweisen werde. Warum, erfahren wir leider nicht. Sein Unternehmen Lawson habe das SaaS-Modell unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lange und ausführlich geprüft und sei zu der Erkenntnis gelangt, dass ein Einstieg in dieses Geschäftsmodell den eigenen Untergang heraufbeschwören könnte. Mit anderen Worten: Debes glaubt nicht, dass ein Hersteller mit SaaS Geld verdienen könne. Auch andere Hersteller wie SAP und Oracle würden zunehmend Zweifel am Erfolg von SaaS bekommen, schreibt die CRN in ihrem Artikel. (Inzwischen hat die CRN eine differenzierte Antwort auf die Position von Debes veröffentlicht. Überschrift: "Warum Software-as-a-Service funktionieren wird". Man sieht, die Diskussion kommt in Schwung.)

Ist SaaS also eine Totgeburt, wie Debes meint und die phlegmatische Haltung des Handels nahelegt? Ich glaube nicht. Ich denke vielmehr, dass wir hier erst am Anfang stehen. Ob SaaS ein Modell mit Zukunft ist, entscheiden letztlich weder die Hersteller noch die Händler. Sondern die Anwender. Natürlich: Die Hersteller, die SaaS zum Erfolg verhelfen wollen, müssen den Anwendern Angebote machen, die für sie nützlich und attraktiv sind. Letzten Endes aber entscheidet, wie immer, der Anwender, der Kunde.

Warum ein Hersteller grundsätzlich mit dem SaaS-Modell nicht rentabel arbeiten kann, wie Lawson-Chef Desbes meint, ist nicht ersichtlich. Natürlich, wer ein Programm kostenpflichtig anbietet, welches der User in vergleichbarer Qualität bei einem anderen Anbieter kostenlos bekommt, hat wenig Chancen. Aber das ist kein spezielles Problem von SaaS. Und: Niemand sagt, dass sämtliche Software-Anwendungen für SaaS geeignet sind. Was funktioniert und was nicht, gilt es noch herauszufinden.

Ich bin wirklich gespannt, was die Zukunft in dieser Sache bringt. Sicher wird mitentscheidend sein, was Microsoft tut. Wie sehen denn Ihre Pläne in Deutschland konkret aus, lieber Herr Berg?

Beste Grüße

Damian Sicking

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