"Kulturflatrate“: Noch eine Zwangsabgabe für Computernutzer?

Ein neuer Begriff geistert durch die Medien: "Kulturflatrate“. Noch nie davon gehört? Lesen Sie hier, warum sich auch die ITK-Händler in diese Diskussion einmischen sollten.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Harald A. Summa, Geschäftsführer des eco Verbands der deutschen Internetwirtschaft,

letzten Freitag nach der "heute“-Sendung: Ich zappe durch die Landschaft und lande bei 3Sat. Dort wird gerade eine Live-Diskussion von der Buchmesse in Frankfurt übertragen. Thema: Die so genannte Kulturflatrate. Fünf Menschen sitzen auf einem beigen Sofa und diskutieren über eine Schnapsidee. Wie bitte, Sie haben die Sendung am vergangenen Freitag verpasst? Kein Problem: In der Online-Mediathek von 3Sat können Sie sich die Sendung auch jetzt noch ansehen.

Harald A. Summa, Vertreter der Internetwirtschaft

(Bild: eco)

Flatrates – früher, als wir noch deutsch sprachen, sagte man dazu "Pauschaltarif ohne Zeittaktung“ – sind ja grundsätzlich eine prima Sache. Es gibt sie inzwischen in vielfacher Ausprägung: Telefon- und Internetflatrates sind die bekanntesten Formen, Alkoholflatrate und Sexflatrate dagegen grenzwertig. Flatrates gibt es auch für Leute, die gerne und viel essen ("All you can eat“) oder ins Fitnessstudio gehen. Was all diesen Flatrateangeboten gemeinsam ist: Der Mensch will das, wofür er die Gebühr bezahlt, haben, nutzen oder tun, und seine Entscheidung für die Flatrate ist eine rein ökonomomische: Sie ist für ihn attraktiver als die Einzelabrechnung.

Bei der sogenannten Kulturflatrate ist das ganz anders. So wie sie derzeit diskutiert wird, handelt es sich um eine Zwangsabgabe auf alle Internetanschlüsse. Es ist wie die GEZ-Gebühr oder wie die Urheberrechtsabgaben auf Speichermedien, Kopierer und PCs. Die Kulturflatrate soll einfach auf die Monatspauschale für die Internetnutzung draufgeschlagen werden, da wird der Nutzer gar nicht gefragt. Zwischen 5 und 50 Euro pro Monat – in diesem Spektrum bewegen sich die Vorstellungen der Befürworter der Kulturflatrate. Was bekommt der Nutzer dafür? Er darf sich im Gegenzug nach Herzenslust Musik, Filme, literarische Texte und weiß der Kuckuck sonst noch was aus dem Internet herunterladen, und zwar völlig legal und ohne Angst vor Strafverfolgung.

Wie, Sie wollen gar keine Musik, keine Filme, keine Bücher und sonstiges Gedöns aus dem Internet herumterladen? Und wenn, dann reichen Ihnen die bestehende Angebote mit Einzelabrechnung wie iTunes oder Maxdome? Pech! Auf Einzelschicksale können die Kulturflatrate-Apologeten leider keine Rücksicht nehmen. Alle müssen blechen, auch wenn sie die Angebote gar nicht nutzen. Die Kulturflatrate ist eine Bankrotterklärung, eine Kapitulation der Medienbranche vor der eigenen Phantasielosigkeit. Weil viele von ihnen keinen Schimmer haben, wie sie mit ihren Produkten im Internet Geld verdienen können, rufen sie den Staat um Hilfe. Denn ohne den Gesetzgeber läuft hier gar nichts. Mann, ist das armselig!

Viele Bürgermeister unserer Städte haben noch immer keine Idee, wie sie ihre städtischen Schwimmbäder aus den Miesen holen können. Ich frage mich, was die Befürworter der Kulturflatrate dazu sagen würden, wenn die Bürgermeister eines Tages beschließen, dass jeder Käufer einer Badehose zusätzlich zum Kaufpreis eine Zwangsabgabe zur Finanzierung und Sanierung der Frei- und Hallenbäder zu leisten hätte.

Natürlich kann der ITK-Branche inklusive dem Handel diese Diskussion nicht egal sein. Denn klar ist, dass die Umsetzung der Kulturflatrate-Idee zu einer Verteuerung der Computernutzung führen würde. Als ob es nicht schon genug Zwangsabgaben gäbe! Nach dem Motto "Wehret den Anfängen“ halte ich es für wichtig, dass sich auch die Verbände sehr schnell mit guten Argumenten in Stellung bringen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, auch für Ihren Verband, lieber Herr Summa. Auch der Bitkom hat die Brisanz des Themas offensichtlich noch nicht wirklich erkannt. Seine bisherigen verstreuten Statements – "Für den Bitkom kann eine Kulturflatrate auf Basis der bisherigen Modelle keine Lösung darstellen.“ – sind viel zu harmlos erwecken den Eindruck, dass sich die Experten aus Berlin noch nicht in der gebotenen Tiefe mit dem Thema vertraut gemacht haben. Auch auf der Homepage Ihres Verbandes, lieber Herr Summa, sucht man Stellungnahmen zur Kulturflatrate noch vergebens.

Noch befinden wir uns in einem Frühstadium der Meinungsbildung. Um so wichtiger, jetzt mit guten Argumenten die Kulturflatrate dorthin zu verbannen, wo sie hingehört: Auf den Misthaufen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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