Mimikry-Marketing

Wer Webseiten ohne sichtbaren Inhalt einrichtet und mit typischen Begriffskombinationen fremder Anbieter präpariert, um suchmaschinengeführte Nutzerströme im Web gezielt zu eigenen Angeboten umzuleiten, verstößt damit gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs – so ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Menschen, die auf eine lange Lebenserfahrung zurückblicken, neigen gelegentlich dazu, die Vergangenheit in vergoldendes Licht zu tauchen. Wenn es um das Suchen von Informationen im Web geht, muss die Sehnsucht nach der Vergangenheit jedoch keineswegs von realitätsfremder Verklärung zeugen: Früher, so seufzt mancher Webnutzer sehr zu recht, konnte man mit Google noch aussagekräftige Webquellen zu Dingen finden, nach denen man tatsächlich gesucht hat. Heute dagegen füllen Linkfarmen und andere Klickschmarotzer, die unermüdlich immer wieder gegenseitig aufeinander verweisen, die Ergebnisseiten.

Ein Grund dafür liegt bei geschäftstüchtigen Betreibern zahlloser Null-Inhalt-Websites, die schnelles Geld durch Klicks suchmaschinengeführter Websurfer einnehmen wollen. Sie betreiben bei ihren Webangeboten gnadenlose Suchmaschinenoptimierung bis hin zur Suchmaschinenmanipulation.

Die Kunst der "Search Engine Optimization" (SEO) hat sich in den vergangenen Jahren zu einer gefragten Dienstleistung entwickelt, die zahlreiche Webdesigner und Consulting- Unternehmen anbieten [1]. Das Anliegen, ein Webangebot so suchmaschinenfreundlich zu gestalten, dass es für Interessenten an den darin behandelten Themen unter den ersten Fundstellen bei wichtigen Suchdiensten erscheint, ist grundsätzlich legitim. Allerdings wird keineswegs immer redlich um die Aufmerksamkeit geneigter Internetnutzer gebuhlt. Die Rechtsprechung musste sich etwa bereits mit der Verwendung fremder Markennamen in Metatags [2] und Google-Adwords [3] auseinandersetzen.

Die "Personensuchmaschine" Yasni zieht ihr Datenmaterial aus sozialen Netzwerken wie Xing, aus Telefonverzeichnissen und anderen Webquellen. Meist finden suchende Websurfer hier mehr Werbung als hilfreiche Informationen, aber dennoch taucht Yasni bei der Suche nach Personennamen oft weit vorn in den Google-Fundstellen auf.

Einen SEO-Fall besonderer Art hatte vor einigen Monaten das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in der Berufungsinstanz zu entscheiden [4]. Dabei ging es um die Auseinandersetzung zwischen Volker B., einem Suchmaschinenoptimierer, und der Yasni GmbH, Betreiberin der Personensuchmaschine "yasni.de". Der Webdienstleister warf der Yasni GmbH vor, sie würde Personen, die mit Hilfe von Suchmaschinen nach ihm – Volker B. – suchen, mit unlauteren Mitteln auf ihre eigene Website umleiten. Er behauptete, dass die Yasni GmbH Internetseiten mit nicht sichtbarem Text, die nur für Suchmaschinen auffindbar seien, installiert habe. Diese sogenannten Blind- oder Leerseiten seien mit bestimmten, seine Person betreffenden Schlüsselbegriffen versehen gewesen, was dazu geführt habe, dass Nutzer, die nach seinem Internetauftritt suchten, auf yasni.de umgeleitet worden seien.

B. sah darin nicht nur eine "unlautere Rufausbeutung" seiner Person. Er warf den Yasni-Betreibern auch eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne von § 4 Nr. 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor: Durch die zusätzlichen – irregeleiteten – Klicks auf "yasni.de" werde diese Seite für ihre Werbepartner besonders attraktiv.

Dieser Fall ist in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: Einerseits wirkt es pikant, dass hier ausgerechnet ein Suchmaschinenoptimierer wegen vermeintlich unlauterer Optimierungsmaßnahmen gegen einen Suchdienstbetreiber zu Felde zieht. Andererseits liefert die Sache auch neue Aspekte für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Suchmaschinenmanipulation: Beim Streit B. gegen Yasni ging es nämlich ausnahmsweise einmal nicht um eine Verletzung fremder Markenrechte. Vielmehr war jetzt zu klären, ob bereits die Umleitung von Nutzern durch die Einrichtung von Blindseiten mit bestimmten (markenrechtlich irrelevanten) Schlagwörtern wettbewerbswidrig ist oder nicht.

Bevor das Gericht in Hamm hierzu Stellung nehmen konnte, musste es sich der Frage zuwenden, ob und inwieweit zwischen Volker B. und der Yasni GmbH überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis bestünde. Denn aufgrund der Tatsache, dass "beide Parteien keine Waren oder Dienstleistungen desselben Marktsegments anbieten", hatte das in erster Instanz mit der Sache befasste Landgericht (LG) Bielefeld ein Wettbewerbsverhältnis verneint. Auf den Umstand, dass die Parteien sich auf dieselbe Art finanzierten, nämlich durch die Präsentation von Werbebannern, kam es nach Ansicht der Bielefelder Richter nicht entscheidend an [5].

Das OLG Hamm sah dies jedoch anders. Es hielt ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien für gegeben. Die Begründung: "Im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes sind an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen. Es wird insbesondere keine Branchengleichheit vorausgesetzt. Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass die Parteien durch eine Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind, auch wenn ihre Unternehmen im übrigen unterschiedlichen Branchen angehören."

Das sei, so das Gericht, beim vorliegenden Streit "insofern der Fall, als es einerseits im Verhältnis der Parteien darum geht, Einfluss auf die Suchmaschinen zu nehmen, mit der Folge, dass ein Umleiten der Besuche zur Seite der Antragsgegnerin zu einem Abfall der Besucherzahlen beim Antragsteller auch mit negativen wirtschaftlichen Folgen im Hinblick auf seine Werbeattraktivität führen kann. Andererseits bemühen sich beide Seiten im Rahmen des Werbegeschäfts um entgeltliche Werbeaufträge, die das Geschäft letztlich erst ausmachen. Jedenfalls in diesem Umfeld, um das es streitgegenständlich hier geht, sind die Parteien als Mitbewerber anzusehen." Mit anderen Worten: Bereits das Wetteifern um dieselben Besucherklicks auf der Website schafft eine Wettbewerbssituation.

Zu der Frage, ob und inwieweit die Yasni GmbH sich unlauter beziehungsweise wettbewerbswidrig verhalten habe, stellte das OLG Hamm zunächst fest: "Bei einer Einflussnahme auf Suchmaschinen zum Abfangen von Kunden liegt eine unlautere Behinderung der fremden Seite in der Regel nicht vor. Ein bloßes Hinlenken zur eigenen Seite, das auch von einer anderen Werbung ablenkt, wird grundsätzlich als wettbewerbskonform angesehen. Insofern müssen besondere zusätzliche Umstände vorliegen, um derartige Maßnahmen als unlauter anzusehen."

Nach Ansicht des Gerichts lagen im konkreten Fall jedoch solche "besonderen Umstände" vor: Als Schlagworte auf den Blindseiten wurden "von der Antragsgegnerin nicht nur Allgemeinbegriffe benutzt, die mit ihrem Angebot nichts zu tun haben. Dies mag noch als zulässig angesehen werden." Vielmehr habe man "konkrete fremde Namen in den Seiten geführt, um so eine Umleitung von der fremden Seite auf die eigene Seite zu erreichen."

Hierfür, so das Gericht, habe Yasni "Techniken eingesetzt, die nicht mehr als Suchmaschinenoptimierung, sondern als eine nicht mehr tolerable Suchmaschinenmanipulation anzusehen" seien: "Das ist der Fall, weil zum einen die Namen von Konkurrenten und anderen Personen für die Suchmaschinenoptimierung eingesetzt werden, zum anderen vor allem auch, weil für den Nutzer nicht sichtbare Seiten, die nur für die Suchmaschine sichtbar sind, installiert werden, um in den Suchlisten ein höheres Ranking zu erzielen."

Volker B. hatte einiges an Indizien aufgefahren und unter anderem die von Yasni in seinem Zusammenhang verwendeten Blindseiten gezählt. Das Gericht wies denn auch in seinem Urteil darauf hin, der Antragsteller habe "nach seiner Anhörung rund 26 000 davon festgestellt, ohne dass dem unmittelbar widersprochen worden ist … Dies führt im Streitfall konkret dazu, dass die Antragsgegnerin unter Einsatz des Namens des Antragstellers mit den genannten Techniken die Internetnutzer auf ihre Seite umleitet. Hierdurch wird erreicht, dass bei gezielter Suche nach dem Forum des Antragstellers es dann auch zu einem ‚Klick’ für die Antragsgegnerin kommt. Auf diese Weise wird die Antragsgegnerin für Werbepartner infolge manipulativer Maßnahmen, die unlauter sind, besonders attraktiv gemacht. Die 'Besuche' beim Antragsteller werden demgegenüber beeinträchtigt."

Im Ergebnis sah das Gericht daher "eine relevante Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten des Antragstellers" und untersagte der Yasni GmbH, Dateien mit der Kombination aus Volker B.s Namen und Begriffen wie "SEO", "Shopbetreiber", "ecombase", "Betreiber" oder "Modul" zu erzeugen und im Netz für Suchmaschinen bereitzustellen, wenn diese Dateien keinen "sichtbaren Inhalt" aufweisen.

Wer sich gelegentlich bei der Online-Suche nach Informationen im Dickicht inhaltsleerer Blindseiten und irreführender Linkfarmen verlaufen hat, wird das Urteil des OLG Hamm begrüßen. Leider zeigt es keine allgemeingültigen Kriterien auf, anhand derer man in jedem Einzelfall eine verlässliche Grenze zwischen zulässiger Suchmaschinenoptimierung und wettbewerbswidriger Manipulation ziehen könnte.

Sicher ist nur: Wer durch Blindseiten das Ranking bei bestimmten Suchmaschinen beeinflusst, bewegt sich – wenn diese Seiten mit konkreten Namen oder Begriffen bestückt sind, die den Inhalt fremder gewerblich betriebener Webseiten kennzeichnen – künftig auf dünnem Eis.

Der Autor Kai Mielke ist Rechtsanwalt in Hannover / (psz) (map)