Muster ohne Wert

Online-Shop-Betreiber haben es nicht leicht, auf ihren Websites einwandfrei auf das Verbraucher-Widerrufsrecht hinzuweisen. Das vom Bundesjustizministerium entworfene Musterformular entspricht einem Urteil zufolge nicht dem, was das Gesetz erfordert.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Ein Alptraum für den Betreiber eines Online-Shops: Im Briefkasten liegt eine anwaltliche Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, die ein Mitbewerber in Auftrag gegeben hat. Bemängelt wird die Verbraucherinformation, welche die Shop-Seiten zum Thema Widerrufsrecht bieten: Diese erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen.

"Kann doch gar nicht sein", denkt sich der Shop-Betreiber. "Ich habe doch das amtliche Musterformular verwendet." Kann doch sein – so das Landgericht (LG) Halle: Das vom Bundesjustizministerium bereitgestellte Muster weist Mängel auf.

Abgesehen von der Abmahngefahr drohen auch Alpträume im Kundenverkehr: Eine mangelhafte Verbraucherbelehrung in puncto Widerrufsrecht könnte nämlich dazu führen, dass gewitzte Kunden auch nach langer Zeit noch Käufe widerrufen – und vor Gericht damit durchkommen.

Die Verpflichtung von Online-Verkäufern zur Information der Verbraucher über deren Widerrufsrecht ist seit Jahren ein Thema für heftige Diskussionen. Wirtschaftsverbände haben immer wieder Klarheit darüber gefordert, in welcher Form ein Verbraucher über sein 14-tägiges Widerrufsrecht nach § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aufgeklärt werden müsse. Als Ergebnis hat der Gesetzgeber ein Musterformular spendiert, das sich in Anhang 2 zu § 14 Abs. 1 der "Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht" (BGB-InfoV) findet [1].

Wenn die Bundesregierung in einem solchen Zusammenhang schon selbst ein Muster zur Verfügung stellt, müsste derjenige, der es verwendet, doch eigentlich auf der sicheren Seite sein: In dieser naheliegenden Annahme übernahmen viele Shop-Betreiber die Vorgaben. Immerhin sagt ja die BGB-InfoV, dass ein Verkäufer seiner Belehrungspflicht dann nachkomme, "wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird".

Aber offenbar können auch Rechtsexperten aus dem Bundesjustizministerium irren. So sieht es jedenfalls das LG Halle. In wünschenswerter Deutlichkeit schreiben die sächsischen Richter der Bundesregierung ins Stammbuch, das Muster führe den Verbraucher in die Irre und sei somit rechtlich ohne Bedeutung [2].

Als Konsequenz könne ein Käufer, der solchermaßen mangelhaft aufgeklärt worden sei, eine Kaufentscheidung auch ohne Einhaltung der 14-tägigen Frist widerrufen – diese Frist habe dann noch gar nicht zu laufen begonnen ebenso wie bei einer völlig unterbliebenen Belehrung [3].