Selbständigkeit in der Insolvenz: Das Finanzamt darf gegenrechnen

Wer in der Insolvenz wieder selbständig arbeitet und sich freut, dass seine Einkünfte vom Insolvenzverwalter freigegeben würden, hat die Rechnung ohne das Finanzamt gemacht. Dieses darf Ansprüche gegen alte Schulden gegenrechnen, wie der BFH bestätigt.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Finanzamt kann ihm zustehende Insolvenzforderung gegen einen Umsatzsteuervergütungsanspruch aufrechnen, die durch eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit des Schuldners entsteht. Das hat der Bundesfinanzhof am 1. September 2010 entschieden (Az.: VII R 35/08). In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Schuldner noch während des Insolvenzverfahrens wieder eine selbständige Tätigkeit aufgenommen. Dafür hatte der Insolvenzverwalter den betreffenden Betrieb, der weitergeführt werden sollte, aus dem sogenannten "Insolvenzbeschlag" freigegeben. Im Rahmen der neuen Selbständigkeit erbrachte der Schuldner Lieferungen und Leistungen, für die nicht er, sondern seine Kunden die Umsatzsteuer schuldeten (§ 13b Umsatzsteuergesetz). Dadurch entstanden erhebliche Überhänge an Vorsteuerbeträgen und damit Ansprüche des Schuldners gegenüber dem Finanzamt.

Geld bekam er trotzdem nicht zu sehen: Das Finanzamt verrechnete die Ansprüche mit seinen Umsatzsteuer-Forderungen, die noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Behörde aufgelaufen waren. Damit waren die Schulden des Mannes beim Finanzamt beglichen, allerdings auch seine Ansprüche gegenüber der Steuerbehörde futsch. Gegen den Abrechnungsbescheid ging er gerichtlich vor und unterlag nun auch vor dem Bundesfinanzhof (BFH), der die Rechtmäßigkeit des Vorgehens bestätigte.

Grundsätzlich gehört das Vermögen, dass ein Schuldner während des Insolvenzverfahrens erwirbt, zur Insolvenzmasse und wird gleichmäßig unter allen Insolvenzgläubigern aufgeteilt (§ 35 der Insolvenzordnung, InsO). Anders sieht es allerdings aus, wenn der Insolvenzverwalter dem Schuldner eine gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht. So hat er im vorliegenden Fall erklärt, dass das hieraus herrührende Vermögen nicht zur Insolvenzmasse gehört und somit auch keine Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Der Schuldner hatte allerdings das Finanzamt nicht auf seiner Rechnung: Gibt der Insolvenzverwalter nämlich die Erklärung ab, dass er die Aktiva und Passiva aus dem Insolvenzbeschlag freigibt, hat dies nach der Entscheidung des BFH zur Folge, dass das Finanzamt einen durch die Tätigkeit gegebenenfalls begründeten Umsatzsteuervergütungsanspruch gegen Steuerforderungen verrechnen kann, die in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und unbefriedigt geblieben sind. Es gibt zwar ein Aufrechnungsverbot, das gilt aber nur gegen Ansprüche, die während des Insolvenzverfahrens entstanden sind (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ). Auch ist dem Bundesfinanzhof zufolge der Insolvenzordnung "kein ungeschriebenes allgemeines Verbot" zu entnehmen, Insolvenzforderungen gegen Ansprüche des Schuldners aufzurechnen, die nicht in die Insolvenzmasse fallen. Die Insolvenzordnung gebe nicht vor, dass Ansprüche der Gläubiger ausschließlich aus der Insolvenzmasse befriedigt werden dürfen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)