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Vitamin-CE-Mangel

Matthias Parbel

Fast jedes in der EU gehandelte Produkt muss seit 1993 das CE-Zeichen tragen. Doch was ist, wenn das Signet fehlt? Können Käufer ungekennzeichnete Geräte beim Verkäufer reklamieren? Muss man beim Betrieb oder Wiederverkauf rechtliche Probleme befürchten?

Dieses oft gesehene Signet repräsentiert den französischen Begriff "Conformité Européenne", behauptet also, dass der Artikel, auf dem es steht, den europäischen Bestimmungen entspricht.

Dieses oft gesehene Signet repräsentiert den französischen Begriff "Conformité Européenne", behauptet also, dass der Artikel, auf dem es steht, den europäischen Bestimmungen entspricht.

Um gleich zu Beginn mit einem Missverständnis aufzuräumen: Das CE-Zeichen (für "Conformité Européenne") ist kein Qualitätssiegel. Es wird nicht von einer Behörde verliehen (oder verweigert). Normalerweise kennzeichnet ein Hersteller ein Produkt, das er in Europa in den Handel bringt, eigenverantwortlich damit.

Wenn der Hersteller seinen Geschäftssitz außerhalb der Europäischen Union hat und es auch keinen von ihm Bevollmächtigten in diesem Wirtschaftsraum gibt, trifft die Kennzeichnungspflicht den Importeur. Das Symbol ist auf dem Artikel selbst, auf seiner Verpackung oder auf einem beiliegenden Garantieschein anzubringen. Damit und mit einer sogenannten Konformitätserklärung versichert man, dass der Artikel den EU-Richtlinien entspricht, die für die Gerätegattung in Frage kommen [1] [1].

Für Artikel der Informations- und Kommunikationstechnik finden sich diese Bestimmungen vor allem in zwei Richtlinien: Da ist zunächst diejenige über die elektromagnetische Verträglichkeit von Elektro- und Elektronikprodukten [2] [2]. Der deutsche Gesetzgeber hat sie im EMVG [3], dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln, umgesetzt. Dann gibt es die Richtlinie für Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen [3] [4], die im Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungengesetz (FTEG [5]) umgesetzt wurde.

Wenn ein Produkt nicht mit dem CE-Symbol gekennzeichnet ist, darf es grundsätzlich nicht im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Verkehr gebracht werden [4] [6]. Unter Inverkehrbringen versteht man die erstmalige Abgabe durch den Hersteller oder den Importeur. Für Verstöße gegen diese Verpflichtung droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro.

Wenn kleine Händler, private Gelegenheitsverkäufer oder Käufer von Gebrauchtwaren es mit Geräten ohne CE-Kennzeichnung zu tun bekommen, stellen sich ihnen verschiedene Fragen: Darf man die nicht gekennzeichneten Dinge überhaupt betreiben? Wie sieht es mit Verkauf oder Weiterverkauf aus?

Ärger mitgekauft?

Wenn ein Gerät – wie beispielsweise ein DVD-Player – nur dem EMVG unterliegt, ist der private Betrieb ohne CE-Kennzeichen nicht ausdrücklich verboten und auch die private Weitergabe ungekennzeichneter Exemplare hat zunächst keine Konsequenzen. Aber auch wenn es das Signet nicht aufweist, darf ein solches Gerät im EWR nur betrieben werden, wenn es die Anforderung für die CE-Kennzeichnung gemäß § 4 Abs. 1 EMVG erfüllt. Ob das der Fall ist, werden Laien kaum feststellen können.

Also ist vom Betrieb ungekennzeichneter Geräte grundsätzlich erst einmal abzuraten – erst recht, wenn deren Herkunft unsicher ist. Brennt aufgrund eines fehlerhaften ungekennzeichneten Geräts etwa ein Haus ab, könnte die Versicherung sich auf das Fehlen der Kennzeichnung berufen und die Zahlung oder Teile davon verweigern.

Ordnungswidrig handelt, wer ein nicht gekennzeichnetes Gerät "gewerbsmäßig" weitergibt oder in Betrieb nimmt. Wer also als Händler Geräte ohne CE-Kennzeichnung verkauft, muss mit einem Bußgeld rechnen. Das gilt auch, wenn er die Ware "in gutem Glauben" vom Hersteller oder Importeur direkt bezogen hat.

Telekommunikations-Endgeräte, die dem FTEG unterliegen, dürfen ohne CE-Kennzeichnung noch nicht einmal in Betrieb genommen werden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FTEG). Bußgelder drohen allerdings nur für gewerbsmäßige Weitergabe oder gewerbsmäßigen Betrieb.

Wenn die BNetzA klingelt

Ob man nun privater oder gewerbsmäßig tätiger Verkäufer ist: In beiden Fällen kann es geschehen, dass man es bei der Verbreitung nicht gekennzeichneter Geräte nach dem EMVG beziehungsweise dem FTEG mit der Bundesnetzagentur (BnetzA [7]) zu tun bekommt. Sie darf nämlich nach § 6 Abs. 2 EMVG "alle erforderlichen Maßnahmen [treffen], um das Inverkehrbringen oder die Weitergabe des betreffenden Gerätes einzuschränken, zu unterbinden oder rückgängig zu machen oder seinen freien Warenverkehr einzuschränken."

Die Maßnahmen der BNetzA können sich gegen jeden richten, der ein solches Gerät in Verkehr bringt oder weitergibt; es kann also auch den unvorsichtigen eBay-Verkäufer treffen. Die Kosten dieser Maßnahmen muss aber erfreulicherweise derjenige tragen, der das Gerät in Deutschland oder auf dem Markt der Europäischen Union bereitgestellt hat (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 EMVG).

Innerhalb des gesetzlichen Gewährleistungszeitraums müssen Verkäufer bekanntlich für Sachmängel geradestehen. Käufer können eine angemessene Frist zur Erledigung der Sache setzen und nach deren fruchtlosem Verstreichen vom Kauf zurücktreten oder den Preis mindern.

Ob das Fehlen einer CE-Kennzeichnung einen solchen Sachmangel darstellt, hängt zunächst einmal davon ab, was genau man beim Kauf vereinbart hat. Gemäß § 434 Abs. 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie zum Kauf- beziehungsweise Übergabezeitpunkt die vereinbarte Beschaffenheit hat. Wenn der Verkäufer ausdrücklich auf das Fehlen des Kennzeichens und die Folgen hingewiesen oder das Gerät als "defekt" beziehungsweise als "Bastelmaterial zum Ausschlachten" verkauft hat, kann der Käufer hinterher das Fehlen des CE-Signets nicht als Mangel reklamieren.

Ansonsten ist gekaufte Ware immer dann frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung eignet und so beschaffen ist, wie man es bei Artikeln dieser Art erwartet. Wer zum Beispiel im Versandhandel oder von privat einen DVD-Player erwirbt, der kann – auch ohne ausdrückliche Vereinbarungen – davon ausgehen, dass dieser die in der EU maßgeblichen technischen Richtwerte einhält. Anderenfalls muss das Gerät allemal als mangelhaft gelten, mit oder ohne Kennzeichnung.

Bei Telekommunikations-Endgeräten ist der Betrieb ohne Kennzeichnung nicht gestattet, sodass in diesen Fällen ebenfalls ein Mangel vorliegt. Streiten könnte man sich allenfalls bei Geräten, die nur dem EMVG unterliegen, die dort erforderlichen Richtwerte einhalten und denen "nur" das CE-Zeichen fehlt. Der bloße private Betrieb hat dann keine unmittelbaren Konsequenzen. Da man aber zumindest theoretisch mit Verfügungen der BNetzA rechnen muss, dürften auch solche Geräte als mangelhaft gelten. (psz)

Literatur

[1] Einzelheiten finden sich beim Portal des VDI-Verlags [8] zur CE-Kennzeichnung: www.ce-richtlinien.de

[2] Richtlinie 2004/108/EG (PDF [9])

[3] Richtlinie 1999/5/EG (PDF [10])

[4] Kennzeichnungspflicht: z.B. § 6 Abs. 1 Satz 2 EMVG [11]; § 10 Abs. 1 Satz 1 FTEG [12] (map [13])


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[1] http://www.heise.de/resale/artikel/109923/3
[2] http://www.heise.de/resale/artikel/109923/3
[3] http://www.bundesrecht.juris.de/emvbg/index.html
[4] http://www.heise.de/resale/artikel/109923/3
[5] http://www.bundesrecht.juris.de/fteg/index.html
[6] http://www.heise.de/resale/artikel/109923/3
[7] http://www.bundesnetzagentur.de/
[8] http://www.vdi-nachrichten.com
[9] http://www.vdi-nachrichten.com/_framework/tools/download.asp?id=109
[10] http://www.vdi-nachrichten.com/_framework/tools/download.asp?id=112
[11] http://www.bundesrecht.juris.de/emvbg/__6.html
[12] http://www.bundesrecht.juris.de/fteg/__10.html
[13] mailto:map@ix.de