Vom Sinn und Unsinn, Marktführer sein zu wollen

Endlich scheint sich unter den Broadline-Distributoren die Einsicht verbreitet zu haben, dass man nur von Gewinnen, nicht aber von Marktanteilen leben kann, da riskiert Actebis-Geschäftsführer Uwe Neumeier einen Preiskampf im VAD-Segment. Eine Rückkehr der schlechten Angewohnheiten?

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Von
  • Damian Sicking

Actebis-Geschäftsführer Uwe Neumeier

(Bild: Actebis)

Lieber Actebis-Geschäftsführer Uwe Neumeier,

es war klar, dass die Konkurrenz Ihre Ankündigung, Actebis werde bis 2015 Marktführer im Bereich VAD-Distribution sein, nicht einfach freundlich zur Kenntnis nehmen und kommentarlos zum Tagesgeschäft übergehen werde. So kam Ingram-Micro-Manager Gerhard Schulz die eigene Hausmesse IM.top am vergangenen Donnerstag gerade recht, um zu Ihrer Kampfansage Stellung zu nehmen. Sinngemäß sagte Schulz, dass Ingram in Deutschland seit mehreren Jahren Marktführer in der Broadline-Distribution sei; immer wieder käme jemand um die Kurve und kündigte an, Marktführer werden zu wollen, doch am Ende des Tages sei dann doch wieder Ingram vorne. Was den VAD-Bereich betrifft, so setze Ingram hier bereits 20 Prozent des Gesamtumsatzes um und liege in Deutschland hinter Azlan auf Platz 2. Und Schulz habe nicht die Absicht, sich zu verschlechtern.

Lieber Herr Neumeier, ich halte Ihre Kampfansage für falsch und grundsätzlich schädlich für den Markt. Klar, Marktführer zu sein, ist eine prima Sache. Man hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Einer der wichtigsten: Wer Marktführer ist, muss nicht erklären, warum er kein Marktführer ist. Der Marktführer ist immer besser als die anderen und macht fast alles richtig (sonst wäre er ja nicht Marktführer). Die Unternehmen auf den zweiten oder dritten Plätzen müssen immer erklären, warum sie tolle und leistungsstarke Firmen sind, obwohl sie nicht Marktführer sind. Der Marktführer ist qua Marktführerschaft eine tolle Firma. Punkt.

Blöd ist allerdings, wenn alle oder einige Wettbewerber glauben, unbedingt Marktführer werden zu müssen, so wie in Ihrem Fall, lieber Herr Neumeier. Die Marktführerschaft wird ja in der Regel in Marktanteilen gemessen, und Marktanteile – das hat die Erfahrung gezeigt – kosten Geld. Klar, auch über gute Leistungen kann man Marktanteile gewinnen, aber ein ganz wesentliches Element dieser guten Leistungen bemisst sich nun einmal in der Währung Euro. Das Ergebnis ist dann oft ein Preiskampf, und der ist für keinen gut. Weder für den amtierenden Marktführer noch für den oder die Herausforderer. Die Gewinne entwickeln sich unter diesen Bedingungen immer in südliche Richtung, also nach unten.

Die Frage ist, welcher Teufel Sie geritten hat, als Sie auf der Actebis-/NT-plus-Hausmesse Ihre Ambitionen auf die Marktführerschaft im VAD-Segment ausgesprochen haben. Ihre Ankündigung ist eine Provokation für alle anderen. Das Risiko, einen neuen Preiskampf in der Distribution anzuzetteln, muss Ihnen bewusst gewesen sein. Dass ausgerechnet Sie nun die schlechten Angewohnheiten der Broadline-Distribution, die man in jüngster Zeit fast überwunden zu haben hoffte, auf die Value-Add-Distribution übertragen, überrascht doch sehr. Jedenfalls setzen Sie damit Ihren guten Ruf, den Sie sich in Ihrer kurzen Zeit als Actebis-Geschäftsführer bei Ihren Mitbewerbern erworben hatten, schon wieder aufs Spiel. Die Konkurrenten haben es nämlich sehr honoriert, dass Sie im Gegensatz zu Ihrer Vorgängerin im Amt nicht nur das Thema Marktanteile kannten, sondern auf die Gewinnmarge achteten. "Das ist für uns alle gut", sagte mir kürzlich der Geschäftsführer eines anderen Distributors. Wenn jetzt erneut der Kampf um Marktanteile entfacht wird, wird es unterm Strich wieder schwierig werden. Dann werden die anderen Distributoren wissen, bei wem sie sich zu bedanken haben.

Es ist aus meiner Sicht klüger, gesünder und auch erfolgversprechender, Marktführerschaft nicht als Ziel, sondern als Folge eigenen Handels zu betrachten. Die Marktführerschaft ist dann sozusagen die Belohnung für gute Arbeit. Nicht Sie machen sich zum Marktführer, sondern Ihre Kunden tun dies. Also haben Sie es auch nur indirekt in der Hand, ob Sie Marktführer werden oder nicht. Sie können nur dafür sorgen, Ihren Kunden möglichst gute Leistungen zu bieten.

Für das Gros der Systemhäuser und Händler ist das Thema Marktführerschaft wenig relevant. Die meisten von ihnen wissen nicht einmal, wo sie im Wettbewerb stehen, weil es keine Marktforscher gibt, die das messen und es daher auch keine Statistiken gibt. Selbst wenn jemand glauben sollte, dass er in seinem Ort Marktführer ist, stellt sich die Frage, wie er dies belegen sollte. Also lieber gar nicht um das Thema kümmern! Lieber darauf achten, dass unterm Strich etwas übrig bleibt. Eine Strategie, mit der auch Distributoren besser fahren.

Beste Grüße

Damian Sicking

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