"Wer Raubkopien nutzt, handelt unmoralisch"

Georg Herrnleben, Senior Director EMEA bei der Business Software Alliance (BSA) über Hintergründe und Bekämpfung der Softwarepiraterie in Deutschland.

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Von
  • Marzena Sicking

Georg Herrnleben, Senior Director EMEA, Business Software Alliance

(Bild: BSA)

Georg Herrnleben, Senior Director EMEA bei der Business Software Alliance (BSA) über Hintergründe und Bekämpfung der Softwarepiraterie in Deutschland.

Die meisten User gestehen den Entwicklern und Unternehmen ein Recht auf gerechte Entlohnung für ihre Werke zu. Zugleich ist der Anteil der Raubkopien so hoch wie noch nie. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?


Herrnleben: Es gibt leider – abgesehen vom "harten Kern" der illegalen Anwender, die wir alleine mit Aufklärung wohl nicht überzeugen werden – viele Anwender, die sich nicht vor Augen führen, welche Folgen Raubkopien haben. Sie machen sich nicht die Mühe, sich die Zusammenhänge von Software, gerechter Entlohnung und Innovation klar zu machen. Das führt dazu, dass sie ihr Gefühl für Fairness, dass in den Umfragewerten seinen Ausdruck findet, nicht in ihr Verhalten einbringen. So kommt es zu den hohen Pirateriezahlen.

Handelt es sich vielleicht um das gleiche Phänomen wie beim "grünen Bürger"? Natürlich sind alle dafür, die Umwelt zu schonen und Energie zu sparen. Zumindest solange sie es nicht selbst bezahlen müssen....

Herrnleben: Nein, ich denke es geht weniger ums Geld. In vielen Fällen ist es meiner Meinung nach die menschliche Eigenschaft, abstraktes Unrecht im eigenen Handeln zu ignorieren. Wenn man dann konkret darauf angesprochen wird, führt dies oft zu einer Verhaltensänderung. Geiz oder böse Absicht gegenüber Softwareherstellern ist dagegen eher selten das Motiv – kommt aber leider ebenfalls vor.

Nun ist die BSA doch sehr engagiert, wenn es um die Aufklärung bzw. auch Warnung der User geht. Warum greifen die vielen Kampagnen nicht?

Herrnleben: Wir als BSA und die Softwarehersteller als Branche können die Piraterie nicht alleine bekämpfen. Dafür ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens nötig, verbunden mit Unterstützung von Seiten der Regierung in Form von sogenannten Public-Private Partnerships. In Deutschland, das als innovative Industrienation auf den Schutz seines geistigen Eigentums angewiesen ist, funktioniert dies besser als in anderen Ländern. Dennoch liegt noch ein weiter Weg vor uns, wie die aktuellen Zahlen belegen.

Aber angesichts der steigenden Zahlen können Sie mit den Ergebnissen der BSA-Arbeit doch nicht zufrieden sein. Gibt es Punkte in Ihrer Arbeit, bei denen Sie aufgrund dieser Ergebnisse Optimierungsbedarf sehen?

Herrnleben: Wir sehen die größten Erfolge beim Schutz des Urheberrechts eigentlich immer bei einem Zusammenwirken von Regierung und Privatwirtschaft. Dazu sind vor allem die Einrichtung starker und unbürokratischer Schutzmechanismen für geistiges Eigentum nötig, wie im TRIPS (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights)-Abkommen der WIPO vereinbart. Dies umfasst auch die Ahndung widerrechtlicher Verwendung und Missbrauch neuer Software-Innovationen wie etwa Cloud Computing. Ein weiterer Punkt ist die Bereitstellung von Mitteln zur Verfolgung von Verletzungen des geistigen Eigentums. Schließlich sollten Regierungen und Verwaltungen mit gutem Beispiel voran gehen und sich zu legaler Software durch alle Behörden und staatliche Einrichtungen verpflichten und sie zum Ausschreibungskriterium für alle öffentlich vergebenen Aufträge machen.

BITKOM-Präsident Scheer hat mal gesagt: "In zehn Jahren sind Raubkopien kein Thema mehr". Kann man angesichts der aktuellen Entwicklung diese Einschätzung noch teilen? Wie lautet Ihre Prognose für die künftige Entwicklung?

Herrnleben: Es gibt tatsächlich Entwicklungen, die uns hoffen lassen, dass Raubkopien an Bedeutung verlieren werden. Zum einen ist dies die sehr lebhafte Diskussion um das Urheberrecht und die Bedeutung von Lizenzen für Entwicklung, Innovation und Kreative. Das war vor ein paar Jahren noch ein Thema für ein paar wenige Fachleute, ist aber im Allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs angekommen. Die Bedeutung, die es dadurch gewinnt, kann nur dazu führen, dass mehr Menschen sich Gedanken darüber machen, dass sie mit der Nutzung von Raubkopien unmoralisch handeln. Zum anderen eröffnen neue Technologien wie Cloud-Dienste und die neue Softwarelandschaft im Smartphone- bzw. Tabletbereich neue Möglichkeiten der Softwarenutzung, bei denen ein Schutz vor Piraterie vielleicht besser möglich ist.

Wäre im Kampf gegen Raubkopien nicht auch eine etwas userfreundlichere Preispolitik hilfreich? Gerade Jugendliche geben doch oft an, sie würden nicht zu Raubkopien greifen, wenn die legale Software nicht so teuer wäre. Oder halten Sie das für eine Ausrede?

Herrnleben: Ich kann dieses Argument nicht verstehen. Es gibt eine Vielzahl von Preismodellen und von Anbietern, heute noch mehr als noch vor wenigen Jahren. Jeder Nutzer hat eine freie Auswahl der Programme, die er nutzt, und damit verbunden der Kosten, die er dafür auf sich nehmen will. Wer angesichts dessen zu illegalen Kopien greift, der verhält sich unfair, wer mit angeblich überzogenen Kosten für legale Versionen argumentiert, ist zudem noch unaufrichtig, was seine Motive angeht.

Gibt es nach Ihrer Erfahrung eigentlich den "typischen" Raubkopierer überhaupt? Falls ja: wie sieht der aus?

Herrnleben: Den typischen Raubkopierer gibt es nicht. Wenn es eine Gemeinsamkeit der Menschen gibt, die absichtlich illegale Software einsetzen, dann ist es ein Unverständnis, wie viel Arbeit in die Entwicklung der Programme geflossen ist, die sie hier nutzen, wie sehr das illegale Verhalten die Innovation auf dem Gebiet der Software behindert, und nicht zuletzt, welchen persönlichen Vorteil jeder einzelne Anwender von den neuen Technologien hat. Wir sind dank der Software so viel produktiver als noch vor 10, 15 Jahren. Bisweilen ist man geneigt, das als selbstverständlich anzusehen, und funktionierende IT als Recht einzufordern. Wenn dies aber zum Diebstahl von Programmen führt, dann schadet man der Gemeinschaft der IT-Nutzer ebenso wie der der Entwickler. Dagegen kämpfen wir mit der BSA an. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)