Widerrufs- und Rückgaberecht im Fernabsatzhandel

Am 11. Juni 2010 trat die Neufassung des Widerrufsrecht im Fernabsatzhandel in Kraft, mit wichtigen Änderungen die Musterwiderrufsbelehrung betreffend. Sie galt bisher als Empfehlung, war aber rechtlich nicht unangreifbar. Nun ist sie formelles Gesetz und die Händler damit auf der sicheren Seite.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Marzena Sicking
Inhaltsverzeichnis

Deutsche Gerichte müssen sich immer wieder mit Fragen zum Widerrufs- und Rückgaberecht im Fernabsatzhandel beschäftigen. Am 11. Juni 2010 trat nun die Neuordnung des Rückgabe- und Widerrufrechts in Kraft. Ziel war es, die Rechtssicherheit sowohl für Verbraucher wie auch für Händler zu verbessern. Das ist den Gesetzgebern aber leider nicht durchgehend gelungen.

Diese Rechte ermöglichen es dem Verbraucher, sich aus einem bestehenden Vertrag und der damit eingegangenen Kauf- und Zahlverpflichtung zu lösen. Dies kann entweder durch einen Widerruf des Vertrages (Widerrufsrecht) oder die Rückgabe der Waren (Rückgaberecht) erfolgen. Seine Entscheidung muss der Verbraucher gegenüber dem Händler nicht begründen, denn das Recht zur Rückabwicklung wird ihm vom Gesetzgeber zugestanden.

Natürlich sind die Widerrufs- und Rückgaberechte befristet, anders wäre ein funktionierender Handel gar nicht möglich. So hat der Kunde für Widerruf oder Rückgabe gemäß § 355 Absatz 2 Satz 1 BGB eine Frist von zwei Wochen oder einem Monat. Welche von den beiden Möglichkeiten eintritt, hängt davon ab, in welcher Form der Online-Händler seiner Informationspflicht nachgekommen ist. Hat er den Verbraucher vor Vertragsabschluss oder unmittelbar danach (d.h. spätestens am nächsten Tag) über sein Widerrufs- und Rückgaberecht informiert – wozu er durch den Gesetzgeber verpflichtet ist –, dann gilt eine Frist von zwei Wochen. Erfolgt die Belehrung später, verlängert sich die Frist auf einen Monat. Wichtig zu wissen: die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Kunde die Belehrung erhalten hat. Geht es nicht um Dienstleistungen, sondern um Waren, tickt die Uhr erst ab dem Tag der Lieferung.

Das Widerrufs- und Rückgaberecht im Fernabsatzhandel gilt laut Gesetzgeber für alle Geschäfte, die unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln wie Brief, Telefon, E-Mail, Internet, Fax, SMS etc. abgeschlossen werden. Somit fallen beispielsweise alle Geschäfte zwischen Online-Händlern und Verbrauchern in diese Kategorie.

Weil dieses Recht nur den Verbraucher, also den Kunden, der Waren oder Dienstleistungen zu privaten Zwecken einkauft, schützt. Geschäfte, die einen gewerblichen Hintergrund haben ("Business-to-Business"), werden von diesem Recht hingegen nicht berührt.

Eine Ware, die der Verbraucher zurück gibt und die von ihm schon genutzt wurde, lässt sich schwerlich wieder als "neu" verkaufen. Daher gesteht der Gesetzgeber dem Händler zu, einen Wertersatz für eine solche Wertminderung der Ware vom Verbraucher zu verlangen. Dazu musste der Unternehmer bisher den Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese mögliche Rechtsfolge und eine Möglichkeit, diese Rechtsfolge zu vermeiden, hinweisen. Nach neuer Rechtslage seit dem 11.6.2010 genügt es, wenn der Unternehmer den Verbraucher spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss entsprechend belehrt. Unverzüglich in diesem Sinne bedeutet in aller Regel, dass die Belehrung bis spätestens am nächsten Tag erfolgt sein muss. Max-Lion Keller, Rechtsanwalt in der IT-Recht-Kanzlei in München, weist allerdings darauf hin, dass trotz der neuen Regelungen die Rechtslage in diesem Punkt noch immer unsicher ist: "Zuletzt gab es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das es in Frage stellt, ob die deutsche Regelung zum Wertersatz tatsächlich rechtens ist. Bis hier endgültige Klarheit herrscht, besteht eine rechtliche Schwebelage, in der niemand genau weiß, was nun gilt. Es bleibt somit abzuwarten, bis hier eine endgültige Klärung eingetreten ist."

Wer besonders schlau sein will, dem Verbraucher die Informationen nicht liefert und auf eine stille Fristverstreichung hofft, wird sein "blaues Wunder" erleben: Zum einen riskiert man für diesen Verstoß von Wettbewerbern oder Verbänden abgemahnt zu werden – und das ist unterm Strich sicher teurer, als eine Rücksendung des verkauften Gerätes. Auch werden die Rechte des Kunden dadurch nicht beschnitten, sondern sogar ausgedehnt: Hat der Verbraucher keine Belehrung erhalten, beginnen die Fristen auch nicht zu laufen. Das heißt, er kann noch Wochen oder gar Monate später den Vertrag widerrufen.

Grundsätzlich erst mal der Händler. So hat in diesem Frühjahr der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass im Falle des Widerrufs dem Verbraucher auch die Hinsendekosten für die Ware erstattet werden müssen. Und auch die Rücksendekosten hat der Händler zu tragen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er die Rücksendekosten für Waren unter 40 Euro aber auch dem Verbraucher aufbürden ("40-Euro-Klausel").

Nein. Wenn er seinen Kunden einen besseren Service anbieten will, darf er das selbstverständlich tun. Rechtsanwalt Max-Lion Keller weist jedoch darauf hin, dass eine Verlängerung nicht von der gesetzlichen Informationspflicht entbindet: "Wichtig ist, dass der Händler dennoch – z.B. auf seiner Internetseite und in seinen E-Mails – ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht, so wie es das Gesetz vorsieht, belehrt. Ansonsten ist er abmahngefährdet. Der Händler sollte in jedem Fall seinen Kunden gegenüber deutlich machen, dass es zum einen das gesetzliche Widerrufsrecht gibt und er zum anderen jedoch darüber hinaus seinen Kunden – aus Kulanz – besondere Bedingungen einräumen kann." Das ist dann rechtlich nicht mehr zu beanstanden – und außerdem gutes Eigenmarketing.

Die wichtigste Änderung betrifft die Dauer der Widerrufsfrist. Seit dem 11.6.2010 gilt eine Widerrufsfrist von zwei Wochen auch dann, wenn der Händler unverzüglich, aber dennoch erst nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt. Bislang betrug die Frist in solchen Fällen vier Wochen. Von besonderer Bedeutung ist auch die neue Einstufung der Musterwiderrufsbelehrung. Diese war bislang "nur" eine Rechtsverordnung. Für einen juristischen Laien klingt das durchaus nach Rechtsicherheit, tatsächlich wurde die Musterwiderrufsbelehrung in vielen Fällen vor Gericht "zerrissen" – ein Schock für die Händler, die davon ausgegangen waren, mit dieser Belehrung alles richtig gemacht zu haben. Ab sofort ist das auch der Fall: Die Musterwiderrufsbelehrung ist nun keine "Empfehlung" mehr, sondern formelles Gesetz, d.h. sie genügt den gesetzlichen Anforderungen und ist auch vor Gericht unangreifbar. Eine Pflicht zu Verwendung dieser Musterbelehrung besteht allerdings nicht. (masi)