Bericht: US-Regierung zapft Kundendaten von Internet-Firmen an
Mit dem Versprechen von mehr Transparenz ist Obama 2009 ins Weiße Haus eingezogen. Jetzt häufen sich Berichte, nach denen die Regierung ihre eigenen Bürger massiv ausspioniert. Sie soll auch in den Rechnern von Internet-Firmen herumschnüffeln.
Die Serie von Berichten über angebliche Spionageaktionen der US-Regierung gegen die eigene Bevölkerung reißt nicht ab. Nach Informationen der Washington Post und der britischen Zeitung The Guardian zapfen der US-Geheimdienst NSA und die Bundespolizei FBI direkt die zentralen Rechner und damit die Kundendaten von fünf Internet-Firmen an – mit deren Zustimmung. Eines der angeblich beteiligten Unternehmen, Apple, wies das aber postwendend zurück.
Die US-Regierung habe unter anderem Zugang zu Videos, Fotos, E-Mails, Dokumenten und Kontaktdaten, hieß es in den Berichten, die in der Nacht zum Freitag veröffentlicht wurden. Dadurch seien Analysten in der Lage, die Bewegungen und Verbindungen von Personen über längere Zeiträume hinweg zu verfolgen.
Das Programm mit dem Code-Namen PRISM sei streng geheim. Die wenigen Washingtoner Kongressmitglieder, die davon wĂĽssten, seien zu striktem Stillschweigen verpflichtet.
Erst am Mittwoch hatte der Guardian enthüllt, dass die NSA heimlich Telefondaten von Millionen US-Bürgern sammelt. Das Weiße Haus verteidigte derartige Aktionen, ohne den Zeitungsbericht direkt zu bestätigen. Der Republikaner Mike Rogers, der den Geheimdienst-Ausschuss des Abgeordnetenhauses leitet, sagte, mit Hilfe der Daten habe in den vergangenen Jahren ein Terrorkomplott vereitelt werden können. Einzelheiten nannte er aber nicht.
Der Washington Post zufolge beteiligen sich die Internet-Firmen Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple an dem Programm PRISM. Apple erklärte indessen, es habe noch nie von dem Überwachungsprogramm gehört. "Wir geben keiner Regierungsbehörde direkten Zugang zu unseren Rechnern, und jede Regierungsbehörde, die Kundendaten anfordert, muss eine Gerichtsanweisung haben", zitierte das Wall Street Journal aus einer Stellungnahme des Unternehmens. Google sagte, das Unternehmen halte keine Hintertür für die Regierung offen.
Der Washington Post zufolge wurde PRISM 2007 ins Leben gerufen. Es habe sich im Laufe der Zeit massiv ausgeweitet. Papiere, die für die täglichen Briefings des Präsidenten vorbereitet würden, stützten sich mittlerweile größtenteils auf Erkenntnisse aus diesem Programm.
Die Washington Post beruft sich bei ihren Angaben auf eine interne Programm-Präsentation für leitende NSA-Analysten. Dazu gehörten Teile einer Präsentation, die der Zeitung zugespielt worden seien. Daraus gingen auch die Namen der beteiligten Firmen hervor.
Am Mittwoch hatte der Guardian berichtet, dass der US-Telecomkonzern Verizon der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA detaillierte Informationen über alle inneramerikanischen und internationalen Gespräche Sicherheitsbehörde geben müsse. Ein geheimes Gericht habe die Schnüffelaktion genehmigt.
Die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation gehen davon aus, dass solche Anordnungen für jeden großen US-Telecomkonzern existieren. Das bedeute, die NSA habe Zugriff auf die Daten jedes Gesprächs in den USA – und zwar mindestens über die vergangenen sieben Jahre.
Die Gerichtsentscheidung beruht offenbar auf dem "Patriot Act". Er wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet und gibt US-Behörden weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Terrorverdächtigen.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, nannte das Sammeln von Telefondaten unter diesem Gesetz legal. Derartige Aktionen erfolgten unter strikten Regulierungen und Kontrollen seitens des US-Kongresses, Justizministeriums und anderer Stellen. Sie hätten sich als "wichtiges Instrument beim Schutz der Nation vor Terrorbedrohungen erwiesen", sagte Earnest.
Erst vor wenigen Wochen war bekanntgeworden, dass sich das US-Justizministerium heimlich zahlreiche Verbindungsdaten der US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) beschafft hat.
[Update 7.6., 11:56 Uhr]: Außer Apple und Google haben auch Facebook, Yahoo und Microsoft erklärt, sie hätten keine "Hintertür" installiert, über die Behörden direkt auf ihre Server zugreifen könnten. Diesen Eindruck erweckt die von der Washington Post veröffentlichte Präsentation.
Die Unternehmen erklärten, dass Daten an Behörden nur auf der Basis eines Gerichtsbeschlusses übergeben würden. Dieses Verfahren ist bekannt, Google etwa veröffentlicht in seinen Transparenz-Reports regelmäßig eine Statistik zu solchen Anfragen. "Wir übergeben Daten der Regierung in Einklang mit dem Gesetz und wir prüfen alle solchen Anfragen gründlich. Von Zeit zu Zeit wird behauptet, dass wir für die Regierung eine "Hintertür" zu unseren Systemen geschaffen haben, aber Google hat keine Hintertür, über die die Regierung Zugriff auf private Daten der Nutzer hat", sagte jetzt Sprecher Kay Oberbeck.
Facebook gab eine ähnliche Erklärung ab: "Wir gewähren keiner Regierungsorganisation direkten Zugang zu Facebook-Servern." Jede Anfrage nach Daten oder Informationen zu bestimmten Personen werde gründlich nach der Gesetzeslage geprüft und nur so weit wie rechtlich nötig erfüllt.
Apple erklärte, nie von PRISM gehört zu haben. "Wir geben keiner Regierungsbehörde direkten Zugang zu unseren Rechnern. Und jede Regierungsbehörde, die Kundendaten anfordert, muss eine entsprechende Gerichtsanweisung haben", sagte ein Sprecher dem "Wall Street Journal"-Blog "All Things D".
Microsoft betonte ebenfalls, man gebe Daten von Kunden nach auf Grundlage von rechtlich bindenden Forderungen weiter. "Wenn die Regierung ein breiter angelegtes nationales Sicherheitsprogramm zur Sammlung von Kundendaten hat, nehmen wir nicht daran teil", hieß es in einer vom Blog "TechCrunch" veröffentlichten Erklärung. Auch Yahoo erklärte: "wir gewähren der Regierung keinen direkten Zugang zu unseren Servern, Systemen oder Netzwerk." (mit Material der dpa) / (anw)