PRISM: US-Regierung verspricht EU Aufklärung im Überwachungsskandal
Die Empörung in Deutschland ist weiterhin groß, jetzt versprechen die USA zumindest Aufklärung im mutmaßlichen Abhörskandal. Nicht öffentlich, aber über diplomatische Kanäle.
Der oberste Chef der US-Geheimdienste, James Clapper, hat die Aufklärung der Fragen um den mutmaßlichen Abhörskandal in europäischen Regierungs- und EU-Einrichtungen versprochen. "Die US-Regierung wird der Europäischen Union angemessen über unsere diplomatischen Kanäle antworten", erklärte das Büro des Geheimdienstdirektors. Klärung werde es auch in dem beidseitigen Experten-Dialog über die Geheimdienste geben, den die USA vor Wochen angekündigt haben.
"Wir werden diese Themen auch bilateral mit EU-Mitgliedsstaaten besprechen", so die Erklärung. "Während wir grundsätzlich bestimmte, mutmaßliche Geheimdienstaktivitäten nicht öffentlich kommentieren, haben wir klar gemacht, dass die USA ausländische Geheimdienstinformationen in der Weise sammeln, wie es alle Nationen tun."
In Deutschland reißt die Empörung über die Datenspionage der US-Geheimdienste nicht ab. Berichten zufolge war die Überwachung der Bundesrepublik durch den US-Geheimdienst NSA offenbar viel umfangreicher als bislang angenommen. "Das geht weiter als die Vorratsdatenspeicherung und ist ein schwerwiegender Eingriff in unsere Grundrechte", sagte der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, den Ruhr Nachrichten. "Die USA muss restlos aufklären." Es müsse genau geprüft werden, ob die Meldungen stimmten. "Es ist beunruhigend, dass die US-Seite die Meldung nicht von sich gewiesen hat, sondern sich gar nicht äußert."
Geheime Dokumente der NSA offenbaren nach Informationen des Spiegel, dass der Geheimdienst systematisch einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert. Monatlich würden in der Bundesrepublik rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen - Telefonate, Mails, SMS oder Chats - überwacht. Die dem Magazin vorliegenden Unterlagen bestätigten, "dass die US-Geheimdienste mit Billigung des Weißen Hauses gezielt auch die Bundesregierung ausforschen, wohl bis hinauf zur Kanzlerin".
Datenschützer Schaar sagte den Ruhr Nachrichten, wenn sich bewahrheite, dass Deutschland und andere EU-Staaten Ziel von Spähmaßnahmen gewesen seien, sei das nur mit dem Kalten Krieg vergleichbar. "Das wäre eine sehr schwere Vertrauenskrise zwischen Europa und den USA", sagte Schaar dem Blatt. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erklärte, es scheine darum zu gehen, in Verhandlungen, aber auch generell, einen Informationsvorsprung zu haben.
Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) kündigte an, er werde sich am Montag an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wenden, um ihm seinen Standpunkt darzulegen. "USA und GB müssen schleunigst über Hintergründe und Ausmaß ihrer Angriffe gegen Deutschland aufklären." Die Bundesregierung müsse den USA klarmachen, dass es an der Zeit sei, durch größtmögliche Transparenz wieder Vertrauen zu schaffen, damit das freundschaftliche Verhältnis nicht nachhaltigen Schaden erleidet".
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, sagte dem Kölner Stadtanzeiger: "Erklären kann ich mir das amerikanische Vorgehen nur vor dem Hintergrund des 11. September, weil ja die Terrorzelle in Deutschland gelebt hat." Dies sei aber weder eine Erklärung noch eine Rechtfertigung dafür, Daten zu speichern, die "ohne jede Sicherheitsrelevanz" seien. Er warnte zugleich: "Jetzt kommt es nicht auf Kraftmeierei an, sondern darauf, politisch-diplomatisch Druck auf die USA auszuüben, was nur dann geht, wenn Europa mit einer Stimme spricht."
Die massenhafte Ausspähung deutscher Kommunikationsverbindungen durch die NSA muss nach Meinung der SPD auch Konsequenzen für den deutschen Bundesnachrichtendienst haben. "Unsere Spionageabwehr muss auf ihre Effektivität überprüft werden, wenn es ausländischen Geheimdiensten ohne Mühe möglich ist, die Telefonate und E-Mails deutscher Bürger millionenfach abzufangen und auszuwerten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Frankfurter Rundschau. "Das stellt unseren Geheimdiensten kein gutes Zeugnis aus." (jk)