iX 9/2020
S. 41
Markt + Trends
Retrospektive

Vor 10 Jahren: Ein Zugpferd trabt los

Erst nach der Befreiung von der Pflicht zur digitalen Signierung konnten elektronische Rechnungen von der Ausnahme zur Regel werden.

Es ist eine eher unscheinbare Meldung, die in der iX 9/2010 unter dem Schlagwort „Recht“ zu lesen war: „Elektronische Rechnung wird vereinfacht“. Bis zum Herbst 2010 konnten Unternehmen und Freiberufler (wie etwa freie Journalisten) den Vorsteuerabzug von elek­tronischen Rechnungen nur dann geltend machen, wenn diese mit einer digitalen Si­gnatur übermittelt wurden. Im Zuge der Mehrwertsteuerdirektive der Europäischen Union wurde diese Bestimmung gelockert. Neben der Signatur wurden alle Verfahren anerkannt, die „zuverlässig einen Zusammenhang zwischen der Lieferung von Waren oder Dienstleistungen und einer Rechnung herstellen“.

Nach dieser Lockerung gingen Firmen zunehmend dazu über, elektronische Rechnungen zu verschicken – heute sind Papierrechnungen selten geworden. Sie wurden durch ein buntes Sammelsurium von einfach angehängten Textdateien oder PDFs ersetzt, im Behördenverkehr auch durch Dateien nach der Spezifikation „ZUGFeRD 2.0“.

Bei dieser Spezifikation des Forums elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) wird eine signierte PDF/A-3-Datei der Rechnung mit einer Rechnungsdatei im XML-Format kombiniert, die direkt von Buchhaltungsprogrammen eingelesen werden kann. Solche Rechnungen funktionieren auch europaweit, weil ihr Format durch die Norm EN 16931 festgelegt ist.

Die Lockerung bei der elektronischen Signatur auf Rechnungen wurde vor 10 Jahren kontrovers diskutiert. Gegner der Digitalisierung wandten ein, dass es Betrügern leicht gemacht würde, eine Rechnung zu fälschen. Aus heutiger Sicht eine kuriose Warnung, genügen doch ein Computer und ein Drucker zur Fälschung einer Papierrechnung. Andere Bedenken wogen schwerer, etwa die Warnung vor Phishingmails mit einer angeblichen Rechnung in einer Zipdatei, die beim Öffnen Schadsoftware installiert. Wie Warnungen der Banken zeigen, tappen Anwender immer wieder in die von fingierten Inkassofirmen ausgelegte Falle.

Während die Papierrechnung selten geworden ist, hat sich rund um die vom Parlament beschlossene und Anfang 2020 wirksam gewordene Belegausgabepflicht an der Registrierkasse ein hübsches Häufchen gebildet. Groß war die Aufregung um den Bondruck beim Bäcker – übrigens jetzt ebenfalls mit (TSE-)Signatur. Auch hier könnte die Digitalisierung helfen, doch weit gefehlt: Während es für alles Mögliche eine App gibt, hatte nur die Lidl-Kette zum Start der Bonpflicht eine App gegen die „Bonflut“ parat. Ob es wohl auch 10 Jahre dauern wird, bis der Bon ausgestorben ist? Detlef Borchers (odi@ix.de)

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