MIT Technology Review 6/2019
S. 12
Aktuell

Interview

Künstliche Intelligenz wird kreativ

Meredith Rose ist Politikberaterin bei der amerikanischen Non-Profit-Organisation Public Knowledge, die sich für ein offenes Internet mit breitem Austausch einsetzt, das sich jedoch zunehmend mit den Wünschen der Rechteinhaber beißt – zu beobachten kürzlich bei der EU-Urheberrechtsreform.

TR: KI-Algorithmen sind mittlerweile in der Lage, Musik zu erzeugen, die ziemlich gut klingt. Wer hat in einem solchen Fall die Copyright-Rechte an der Musik, die Programmierer der Algorithmen, die Nutzer der Algorithmen im Musikstudio – oder vielleicht sogar niemand?

Rose: Es gibt eine große Debatte um die Frage der Besitzverhältnisse für solche Inhalte. Rechtswissenschaftler wie Annemarie Bridy von der University of Idaho haben viel darüber geschrieben. Die Kurzfassung ist, dass rational gesehen der Algorithmus oder das Programm der Autor solcher Musik ist – und das Urheberrecht der Vereinigten Staaten historisch nichtmenschliche Autoren nie anerkannt hat. (Das europäische Urheberrecht erkennt die Maschine als Schöpferin ebenfalls nicht an; Anm. d. Red.)

Allerdings stammt das Material, von dem sie lernen konnten, von echten Künstlern, und das ist wiederum häufig urheberrechtlich geschützt. Sehen Sie darin kein Problem?

Die Debatte rund um das Copyright im Bereich des maschinellen Lernens dreht sich grundsätzlich um folgende Frage: Wenn ich die digitale Kopie eines Werkes habe, was darf ich dann damit machen? Ist das Einspeisen dieser Musik in eine KI Fair Use? (Fair Use ist eine amerikanische Rechtsdoktrin, die bestimmte Nutzungen geschützten Materials auch ohne Entgelt erlaubt; Anm. d. Red.) Damit man das machen kann, muss man natürlich eine Kopie des Werkes erstellen, also eine Reproduktion anfertigen. Und das könnte dann wieder – so zumindest die Diskussion – gegen die Reproduktionsrechte des Rechteinhabers verstoßen. Diese Debatte tobt noch.

Musik ist nicht das einzige kreative Betätigungsfeld, in dem KI-Technik zunehmend zum Einsatz kommt. Mittlerweile gibt es Algorithmen, die realistisch klingende Romane schreiben können. Wie groß werden die Auswirkungen dieses Problems werden?

Bei KI-generierten Texten und den damit verbundenen Urheberrechtsauswirkungen werden wir die Debatte vermutlich vor allem in Bereichen wie dem Nachrichtengeschäft sehen. Da gibt es schon verschiedene Beispiele von Algorithmen, die News- oder sogar Meinungsstücke verfassen, die passabel überzeugend wirken.

Zurück zur Musik – wie gut klingt die KI-Musik?

Ich habe selbst noch nicht viel KI-generierte Musik angehört, deshalb kann ich mir da keine echte Meinung bilden. Ich habe allerdings kürzlich von einer künstlichen Intelligenz erzeugten Metal gehört – und der war zumindest so überzeugend, dass er klang, als sei er vom Menschen gemachte Musik des Genres.

Wann werden wir das erste Nummer-eins-Album sehen, das komplett von einer KI stammt?

Keine Ahnung. Interview: Ben Schwan

LEICHTBAU

Platte stabiler als Gitter

Verschachtelte Flächen machen die Würfel steif. Foto: Marc Day/ ETH Zürich

Gitterstrukturen sind ideal für den Leichtbau, denken die meisten. Falsch, fanden Forscher der ETH Zürich und des Massachusetts Institute of Technology heraus – tatsächlich haben Strukturen aus Platten ein viel besseres Verhältnis von Gewicht zu Stabilität. Die Wissenschaftler haben mathematisch ermittelt, wie steif Materialien mit inneren Hohlräumen theoretisch werden können. Dann simulierten sie, wie nahe verschiedene Bauformen diesem Maximum kommen. Als nahezu optimal stellten sich Gebilde heraus, die aus ineinander verschachtelten Würfeln oder Tetraedern bestehen (DOI: 10.1002/adma.201803334). Sie waren bei gleichem Gewicht und Volumen bis zu dreimal steifer als Gitter. Sowohl der Widerstand gegen elastische als auch dauerhafte Verformung käme dem theoretischen Optimum sehr nahe, so die Forscher – unabhängig von der Richtung der Belastung. Zudem gelte das Prinzip im Nano- wie im Metermaßstab. Mit diesen Erkenntnissen lassen sich etwa Füllstrukturen im 3D-Druck optimieren. GREGOR HONSEL