MIT Technology Review 7/2022
S. 42
Titel
Pharmazie
Foto: Moment/Getty Images

Medikamente mit mehr Marge

Jahrzehntelang hat sich die Produktion von Arzneien konsequent nach Asien verlagert. Die Pandemie hat gezeigt: Das ist keine gute Entwicklung. Politiker fordern, die Pharmaproduktion wieder nach Europa zu holen, und die Pharmaindustrie entwickelt ihre eigenen Strategien.

Susanne Donner

SARS-CoV-2 hat uns eindringlich die Fragilität der globalen Pharmaproduktion vor Augen geführt. Bis heute weiten sich Lieferengpässe aus. Ob das Brustkrebsmedikament Tamoxifen, Fiebersaft für Kinder oder nun das Schlaganfallmedikament Actilyse – die Mangelwirtschaft ist im Westen neues Leid für Patienten und Apotheker. Lieferketten, einst just in time ein Räderwerk der Effizienz, stocken heute immer wieder. Ursache sind Flaschenhälse in der Produktionskette. Ein Wirkstoff oder ein Vorprodukt stammt manchmal nur noch aus einem einzigen Werk weltweit. Kann diese Fabrik nicht liefern, ist die weltweite Versorgung in Gefahr.

Würde ein Bakterium die nächste Pandemie auslösen, wären die Folgen vielleicht noch verheerender als während der aktuellen Viruspandemie: Die Infizierten würden massenhaft Antibiotika brauchen, weltweit. Aber 90 Prozent der Antibiotika kommen aus Asien. „Wir hätten es extrem schwer gehabt, unseren Arzneibedarf zu decken, wenn aus Ländern wie China und Indien bei enormem Eigenbedarf womöglich nichts mehr exportiert hätte werden können“, sagt Matthias Braun, bis Mai 2022 Geschäftsführer Pharmazeutische Produktion und Fertigung von Sanofi in Deutschland. Die globale Arbeitsspezialisierung und Monopolbildung sind vor allem eins: profitabel. Krisenfest sind sie dagegen definitiv nicht. Im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2021 kündigte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor diesem Hintergrund die Rückholung der Produktion wichtiger Arzneistoffe nach Europa an.