Die Neuerungen von Red Hat Enterprise Linux 5.5

Optimierungen bei der Virtualisierung, Unterstützung für neue AMD- und Intel-Prozessoren, neue Versionen von OpenOffice, PostgreSQL und Samba sowie zahlreiche frische Treiber zählen zu den wichtigsten Neuerungen von RHEL 5.5.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Nach der Freigabe einer Beta-Version Anfang Februar hat Red Hat nun die Version 5.5 von Red Hat Enterprise Linux (RHEL) veröffentlicht. Wie im ersten Lebensabschnitt der auf Unternehmenskunden abgestimmten Linux-Distribution üblich bringt die neue Version nicht nur neue Treiber und diverse Korrekturen, sondern auch zahlreiche neue Funktionen.

Zahlreiche Verbesserungen gab es wieder bei den Virtualisierungsfunktionen, insbesondere rund um den Hypervisor KVM (Kernel-based Virtual Machine). Ihn hatte Red Hat bei der vor sieben Monaten erschienenen Version 5.4 als Alternative zu Xen integriert. Die kommende Version 6 von RHEL wird wohl ausschließlich auf KVM setzen; auch Suse Linux Enterprise (SLES) 11 wird KVM in Zukunft offiziell unterstützen.

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Varianten und Versionen

Kunden mit Support-Vertrag können das neue RHEL ab sofort über das Red Hat Network herunterladen. Wer schon eine RHEL5-Installation im Einsatz hat, braucht diese nur über Yum oder das Red Hat Network aktualisieren, um auf RHEL 5.5 zu wechseln.

Red RHEL 5 steht in drei Varianten zur Verfügung: Die Advanced Platform, verfügbar für x86-32, x86-64, Itanium, System p (Power) und System z, erlaubt eine unbegrenzte Anzahl an virtuellen Gästen, enthält Unterstützung für den Cluster-Betrieb und läuft auf Rechnern mit beliebig vielen CPUs. Der RHEL 5 Server, ebenfalls für alle genannten Plattformen erhältlich, ist auf vier Gastsysteme und zwei Prozessorsockel begrenzt und kommt ohne das Clusterpaket. Der RHEL 5 Desktop ist in verschiedenen Varianten mit und ohne Virtualisierung, mit und ohne Server- und Entwicklungstools und mit unterschiedlichen Hardware-Limits für x86-32- und x86-64-Systeme erhältlich.

Verschiedene Unternehmen und Projekte erstellen Nachbauten von RHEL. Der populärste Klon ist das kostenlos erhältliche CentOS, dass volle Kompatibilität zur Vorlage verspricht – daher nimmt CentOS in die Distribution selbst normalerweise keine Funktionen auf, die der Vorlage fehlen, wie es etwa bei Scientific Linux der Fall ist. Zwischen der Freigabe einer neuen RHEL-Version und dem Erscheinen der Nachbaus von CentOS vergehen meist eineinhalb bis drei Monate; CentOS 5.4 etwa erschien sieben Wochen nach RHEL 5.4.

So wird nun die Verwaltung von KVM-Gästen mit der Cluster Suite voll unterstützt. Libvirt beherrscht den Umgang mit mehr als 256 Gastsystemen und versucht nun automatisch, größere Speicherseiten (Huge Pages) zu nutzen; das soll den Overhead für die Speicherverwaltung reduzieren und mit modernen Prozessoren die Performance signifikant steigern.

Viele Verbesserungen gab es rund um das Weiterreichen kompletter PCI/PCIe-Geräte oder Teilfunktionen solcher an Gastsysteme. Dadurch lassen sich PCI/PCIe-Komponenten nun zur Laufzeit bei einem Gastsystem abmelden und einem anderen zuweisen. Zudem nahm Red Hat Treiber für verschiedene 10-GB-Netzwerkchips mit SR-IOV-Unterstützung in den Kernel auf. Von diesen und einigen weiteren Optimierungen wird auch die Version 2.2 des kürzlich in einer Vorabversion erschienenen Red Hat Enterprise Virtualization profitieren, denn die wird den Kernel von RHEL 5.5 einsetzen.

Den Kernel und einige anderen Komponenten erweiterte Red Hat um Unterstützung für die Intel-Platformen Boxboro-EX und Boxboro-MC sowie AMDs Magny-Cours 6000 und IBMs Power7. Damit ist die Linux-Distribution nicht nur für die am Montag eingeführten 12-Kern-Opteron-Prozessoren von AMD gut gerüstet, sondern auch für die nur einen Tag später vorgestellten Achtkern-Prozessoren von Intel der Xeon-Baureihen 6500 und 7500 (Nehalem-EX).

In dem (mittlerweile schon recht angestaubt wirkenden) Kernel auf Basis von Linux 2.6.18 haben die Red-Hat-Entwickler wie üblich zahlreiche Treiber aktualisiert und neue integriert. So wurden zahlreiche WKAN-Treiber aktualisiert oder neu aufgenommen, etwa für die Intel-WLAN-Hardware der Reihen iwl1000 und iwl6000 sowie neuere WLAN-Chips von Atheros. Auch mehrere Storage-Treiber hat Red Hat aktualisert. Durch ein Update der Alsa-Treiber erhofft sich der Distributor deutliche Verbesserungen bei der Unterstützung von HD-Audio (HDA).

Einen großen Versionssprung gab es bei OpenOffice, denn das liegt nun nicht mehr in Version 2.3.0, sondern als 3.1.1 bei; die neue Office-Suite soll insbesondere den Datenaustausch mit Microsoft Office 2007 verbessern. Ein besseres Zusammenspiel mit Windows 7 soll Samba 3.3 ermöglichen, das sich in Paketen mit dem Namen "samba3x" findet; das bisher bei RHEL5 eingesetzte Samba 3.0 liegt weiter bei, sodass der Systemverwalter wählen kann, welche der zwei Versionen er einsetzt.

PostgreSQL 8.4 findet sich in Paketen, deren Namen mit "postgresql84" beginnt. Eigentlich hatte das neue PostgreSQL die früheren RHEL5-Versionen beiliegende PostgreSQL 8.1 ersetzen sollen – da es aber kleinere Inkompatibilitäten zwischen den beiden Versionen gibt, nahm Red Hat von dem Plan Abstand. Auch bei Freeradius hat der Administrator nun die Wahl zwischen Versionen der 1er- und 2er-Serie.

Neu dabei ist Netzwerk-Bootloader gPXE. Verbesserungen gab es auch an den Kickstart-Mechanismen zur voll- oder halbautomatischen Installation sowie den Debugging-Techniken GDB, Valgrind und Systemtap. Details zu diesen und vielen weiteren Neuerungen von RHEL 5.5 liefern die Release Notes (HTML, HTML single page, PDF). Wer genaue wissen will, welche Neuerungen es bei einzelnen Paketen gab, findet die Details in den Technical Notes (HTML, HTML single page, PDF).

Derweil mehren sich im Red-Hat-Bugzilla, auf Fedora-Mailinglisten sowie bei Twitter und Co. die Zeichen, dass Red Hat fleißig an Red Hat Enterprise Linux 6 arbeitet; auch mehrere Vorträge des im Juni in Boston stattfindenden Red Hat Summit beschäftigen sich mit der kommenden RHEL-Version. Sofern Red Hat bei der Entwicklung wie bisher vorgeht, dürften in den kommenden Wochen und Monaten wenigstens eine, möglicherweise auch zwei öffentlich zugängliche Vorabversion von RHEL6 erscheinen. Zum Veröffentlichungstermin von RHEL6 hat Red Hat allerdings bislang keine genaueren Aussagen getätigt – derzeit deutet aber vieles auf das zweite Halbjahr dieses Jahres hin. (thl)

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Versionsschema

Red Hat Enterprise Linux 5.5 bringt vor allem zahlreiche Fehlerkorrekturen und neue Treiber für RHEL5. Damit scheinen "Minor Releases" wie eben die fünfte Ausgabe von RHEL5 auf den ersten Blick einem Service-Pack für Windows zu ähneln. RHEL5 findet sich derzeit aber noch im ersten, "Production 1" genannten Phase des Red Hat Enterprise Linux Life Cycle. In dieser Phase enthalten neue Minor Releases auch immer neue Funktionen – deutlich mehr, als sie bei Service-Packs für Windows üblich sind.

Bei der Basis-Software der Distribution – etwa dem Linux-Kernel oder die Glibc – macht Red Hat jedoch in der Regel keine größeren Sprünge auf neue Versionen. Vielmehr basiert der Kernel von RHEL 5.5 ebenso wie der von RHEL 5.0 auf der mittlerweile recht angestaubt wirkenden Version 2.6.18. Der Red-Hat-Kernel unterscheidet sich aber in vielerlei Hinsicht von dem auf kernel.org erhältlichen Vanilla-Kernel 2.6.18, denn die Red-Hat-Entwickler haben unzählige Neuerungen aus neueren Versionen des Linux-Kernels auf den RHEL-Kernel zurückportiert, darunter viele Treiber für neuere Hardware. Bei Desktop-Software wie Evolution, Firefox, OpenOffice oder Thunderbird ist der Linux-Distributor nicht so strikt und aktualisiert diese im Rahmen eines neuen Release gelegentlich auf aktuelle Programmversionen.

Systeme mit einem RHEL der 5er-Reihe bekommen die bei RHEL 5.5 aktualisierten Softwarepakete mit der Freigabe der neuen Version als reguläre Updates angeboten. Sofern das System alle angebotenen Updates einspielt, wechselt es so automatisch auf die jüngste RHEL-Version; wer hingegen nur Sicherheitsupdates einspielt, bekommt nach und nach Teile von RHEL 5.5.

Manche Unternehmenskunden wollen das vermeiden: Sie fürchten, dass sich zusammen mit den Verbesserungen der neuen Version auch neue Fehler einschleichen oder Software-Updates zu Inkompatibilitäten führen könnten. Daher bietet Red Hat bei manchen Releases für einige Monate einen separaten, aufpreispflichtigen Update-Kanal im Red Hat Network an, der die nun eigentlich veraltete Version mit Sicherheits-Updates und Fehlerkorrekturen versorgt. Diese Versionsreihe bezeichnet das Unternehmen auch als Z-Stream.

(thl)