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Elektroauto Cupra Born im Test: Baustelle Software

Martin Franz
Cupra Born

(Bild: Pillau)

Der Cupra Born ist ein Ableger des VW ID.3. Er fährt insgesamt sehr angenehm, doch eine große Baustelle sollte der Konzern noch abarbeiten.

Für Volkswagen liegt die Hoffnung vermutlich nah: Das Elektroauto VW ID.3 und seine direkten Derivate sollen irgendwann das Erbe von Golf und Co mit Verbrennungsmotor antreten. Im Prinzip sieht die Sache gar nicht so schlecht aus, zumindest auf den ersten Blick. Denn Elektroautos wie der von uns getestete Cupra Born hätten dazu durchaus das Zeug. In der Umsetzung fehlt gar nicht mehr so viel, aber an ein paar Stellen sollte der Konzern nachschleifen. Ein Test zeigt dies ziemlich eindrücklich.

Zunächst einmal soll aber festgehalten werden, was der Cupra Born richtig gut kann: Fahren. Das Auto ist recht ordentlich gedämmt, bis hinauf zu Geschwindigkeiten, die auf der Landstraße üblich sind, ist es angenehm ruhig im Born. Hinzu kommt ein gekonnt abgestimmtes Fahrwerk. Cupra hat sich, ganz im Sinne der von Seat erdachten Ausrichtung der Marke, für eine eher straffe Grundnote entschieden. Doch trotz einer 245/35 R20-Bereifung, also sehr wenig Flankenhöhe, auf dem Testwagen war der Restkomfort weit mehr als nur passabel. Federung und Dämpfung sind offenbar sehr gekonnt auf das richtige Schluckvermögen abgestimmt und bieten so eine angenehme Rückmeldung von der Straße.

Die Lenkung arbeitet direkt und straff. Sie ist nur um ein geschicktes Maß gedämpft, kein Wunder, denn mit dem Heckantrieb müssen ja keine Antriebseinflüsse herausgefiltert werden. Natürlich gibt es keine Traktionsprobleme. Auch die Bremse lässt sich sehr gut dosieren.

Die Vorteile eines Konzepts, das auf die Belange eines Verbrennungsmotors keine Rücksicht mehr nehmen muss, werden auch im Innenraum deutlich. Das Platzangebot ist erheblich besser als in einem Golf, der insgesamt nur unwesentlich kürzer ist. Der Radstand ist mit knapp 2,77 m fast 15 cm länger als der des aktuellen Golfs. Beim Kofferraum herrscht nahezu Gleichstand, der Cupra fasst 385 Liter.

Die sündhaft teuren Sitze im Testwagen ("Dinamica Pack" für 1745 Euro) sind überaus bequem, ihre Massagefunktion fand ich ebenfalls sehr angenehm. Hätte Cupra der elektrischen Verstellung noch einen Speicherbaustein für verschiedene Sitzpositionen hinzugefügt, wäre dieser Bereich nahezu perfekt. Die nicht belegte Fläche für entsprechende Tasten hinter dem Massage-Knopf deutet darauf hin, dass Cupra darüber auch schon nachgedacht hat. Durchdacht sind dagegen Kleinigkeiten wie die gut zu erreichenden Isofix-Haken zur Befestigung von Kindersitzen oder die einfach zu reinigenden Teppiche.

Einige Materialien wie die obere Türverkleidung sind etwas schlicht ausgefallen, doch die Verarbeitung war insgesamt sehr ordentlich. Mitte des Jahres soll der ID.3 überarbeitet werden, und VW will ihn hochwertiger auskleiden. Gut möglich, dass der Born von einem solchen Update auch profitieren könnte. Der fast vollausgestattete Testwagen hatte einen Listenpreis von rund 47.500 Euro. Für eine solche Summe darf man sich schon fragen, ob der größte Vorzug einer Türverkleidung hinten sein sollte, dass man sie, etwas überspitzt formuliert, sorglos mit dem Hochdruckreiniger säubern kann. Vielleicht spart sich der Konzern auch deshalb die Sensoren in den hinteren Türgriffen. Wer dort vor Fahrtantritt etwas ablegen will, muss entweder zum Schlüssel greifen oder den vorderen Türgriff befummeln.

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Im Testwagen war die Kombination aus 150-kW-Motor und 58-kWh-Batterie eingebaut. Geplant ist eine zusätzliche Version, die im Boost-Modus für einen kurzen Moment bis zu 20 kW mehr bereitstellt. Vermisst haben wir sie im Test nicht. Sicher, es mag noch wuchtiger antretende Elektroautos geben, doch der Cupra Born bietet für den Alltag weit mehr als nur genug Schwung. Einige unserer Leser sind seit Jahren mit E-Autos unterwegs, für andere ist das Fahrgefühl möglicherweise neu. Wer direkt von einem Verbrenner umsteigt, dem fällt sofort auf, wie leise, unterbrechungs- und verzögerungsfrei die Beschleunigung abläuft. In dieser Hinsicht hält kein konventioneller Antrieb mit.

Gleiches gilt für den Primärenergiebedarf im Betrieb. Wir haben den Cupra Born im Alltag bei Temperaturen zwischen -2 und 5 Grad mit Werten zwischen 18 und 24 kWh/100 km gemessen. Ersteres gemütlich über Land, letzteres bei Tempo 130 auf der Autobahn. Das sind keine sensationell niedrigen Verbräuche, die im Sommer noch sinken dürften. Doch wer nicht den Fehler macht, beim Verbrennungsmotor nur vom Tank bis zum Rad, beim E-Auto aber von der Quelle bis zum Rad zu bilanzieren, wird schnell feststellen, dass der Öl-Antrieb in diesem Vergleich chancenlos ist.

Je nach Außentemperatur schwankte die angezeigte Reichweite zwischen 270 und 304 km. Befüllt werden kann die Batterie an Wechselstrom dreiphasig mit bis zu 11 kW, an Gleichstrom mit 120 kW. Mit einem Update soll die Ladegeschwindigkeit steigen, zuletzt war von bis zu 170 kW die Rede. Doch grau ist alle Theorie. Da eine Vorklimatisierung der Batterie im Modularen Elektrobaukasten von Volkswagen nicht vorgesehen ist, müsste sich der Fahrer auf der Fahrt zu einer Ladesäule schon einer Fahrweise bedienen, die den Speicher fordert. Das bedeutet: Der Batterie viel Strom entnehmen und intensiv rekuperieren. Dazu sollte der Akku möglichst zwischen 5 und 15 Prozent Ladestand haben. Ist sie dann aufgewärmt und hat einen idealen SoC (state of charge – Ladestand), sind in der Spitze sicher mehr als 100 kW machbar. Wir kamen auf bestenfalls 70 kW Ladeleistung. Immerhin: Die hielt der Born bis zu einem SoC von 65 Prozent.

Fassen wir das bis zu diesem Punkt einmal zusammen: Der Cupra Born ist ordentlich verarbeitet, gefedert, gedämmt und bestuhlt, bietet ausreichend Platz und einen sympathischen Antriebsstrang. Volkswagen hat insgesamt keineswegs verlernt, wie man ein Auto baut, das sich angenehm fährt. All das wirkt so routiniert aufeinander abgestimmt, dass die eingangs beschriebene Hoffnung, mit diesen Modellen die erfolgreichen Verbrenner ablösen zu können, durchaus nicht vollkommen absurd erscheint. Doch die Plattform hat ein Problem, und das sollte der Konzern besser endlich lösen, denn es hat das Zeug dazu, viele Interessenten zu verprellen: Die Software befindet sich nicht auf Höhe der von der Konkurrenz.

Natürlich lebt ein so hartes Urteil ein Stück weit vom direkten Vergleich. Der Born hatte zwei Kandidaten in der Redaktion um sich, die es ihm nicht leicht gemacht haben. Mercedes baut im GLA das vor vier Jahren vorgestellte und sorgsam aktuell gehaltene MBUX ein – für reichlich Aufpreis, doch das System ist eben auch richtig gut. Parallel zum Born war der Hyundai Santa Fe da, dessen Unterhaltungselektronik zwar nicht perfekt ist, im Vergleich mit dem Born aber problemlos glänzt.

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Das Armaturenbrett wirkt sehr reduziert, die Bedienung wurde weitgehend auf den Bildschirm in der Mitte verlegt.
(Bild: Pillau)

Verzögerungen auf Eingaben, eine Sprachsteuerung, die neben der Lösung von Mercedes wie im Entwicklungsstadium erscheint, dazu lästige Bugs wie die verschobenen Radiofavoriten: Volkswagen sollte all das endlich in den Griff bekommen. Dazu kommt ein Navigationssystem, das auf den Wunsch nach Ladesäulen zunächst mit "keine in der Nähe gefunden" reagiert. Wer dann zu schnell aufgibt, verpasst, dass sich die Software doch noch auf die Suche begibt und die Ladesäulen anzeigt. Leider lassen sich diese weder nach Anbieter noch nach Ladetempo sortieren.

Ein Problem der Werkslösung ist, dass ein paar Klicks weiter Apple CarPlay und Android Auto zu haben sind – im Born, wie zuvor schon im VW Polo erlebt [5], übrigens kabellos. Sie führen vor, was man sich auch von den Systemen der Hersteller wünscht, nämlich eine schnelle, zuverlässige und ja, auch das, hübsche Kartendarstellung. Für Volkswagen bleibt an dieser Stelle noch viel zu tun. Das Gute daran ist: Diese Probleme sind heilbar, sofern der Konzern das eben will. Für den ID.3 rollt VW seit Anfang des Jahres ein großes Update aus, das natürlich auch der Born bekommt. Der Testwagen hatte es nicht.

Auch das Wisch-Konzept hat uns in der Redaktion erneut nicht überzeugt. Zu oft müssen Befehle wiederholt werden. Den Schallpegel der Soundanlage wunschgemäß zu regulieren, gelingt zu selten auf Anhieb. Sitz- und Lenkradheizung lassen sich erst in einem Untermenü aktivieren. Die große, dreigeteilte Wisch-Furche ist unbeleuchtet. Der Konzern darf aber hoffen: Jugendliche Mitfahrer fanden das Gewische spannend und toll. Dass die Bedienung einmal problemlos und ohne langes Gewurschtel möglich war, wissen sie nicht. Vielleicht akzeptieren sie es so leichter als jemand, der über 40 ist und es anders kennengelernt hat.

Sie stört es möglicherweise auch nicht, dass das Tempolimit im Head-up-Display winzig angezeigt wird. Verlassen würde ich mich auf all das aber nicht. Mein Kollege Christian störte sich zudem am Kombiinstrument: "Das Kombiinstrument ist ein kleiner Bildschirm, den ich bei einem chinesischen Discount-Pedelec noch akzeptieren könnte – nicht aber in einem so teuren Pkw." Dass eine Handyhülle die induktive Ladeschale so weit ausbremst, dass das Ladetempo ziemlich gemächlich wird, kannten wir aus anderen Testwagen in der Form auch noch nicht.

Vielleicht nutzt der Konzern die Gelegenheit für eine Überarbeitung auch, um noch ein paar andere Dinge auszusortieren. Wer für ein Glasdach über 1000 Euro extra haben möchte, sollte eine Öffnungsfunktion einbauen. Ein Assistent, der mich hartnäckig überreden will, auf meiner Spur zu bleiben, sollte bitte ruhig sein, wenn ich dort fahre. Sehr angenehm, so eine automatische Geschwindigkeitsübernahme durch den intelligenten Tempomaten. Doch wenn ich aufpassen muss, dass mich ein solcher Helfer innerorts nicht auf Tempo 100 beschleunigt, erscheint mir diese Art der Unterstützung noch nicht recht überzeugend.

Cupra Born (10 Bilder) [6]

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Die sündhaft teuren Sitze des Testwagens waren sehr bequem, boten eine angenehme Massage und einen hochwertigen Bezug.
(Bild: Pillau)

Uncharmant auch, dass es Matrix-Licht nur im ID.3 gibt, dem Born diese wichtige Assistenz also vorenthalten bleibt. Es mag zudem Controller in freudige Erregung versetzen, wenn die hinteren Fensterheber keine Tasten mehr in der Fahrertür haben. Sie teilen sich die Knöpfe mit den vorderen Fensterhebern, umgeschaltet wird über eine Touchfläche. Klar, es wird nun Menschen geben, die argumentieren: "Aber ich benutze die doch nie!" Doch die, die sie nutzen, werden sich über die Umständlichkeit der Moderne ärgern.

Der Cupra Born fährt, wie man es seit vielen Jahren von Volkswagen gewohnt ist. Das Paket hat das Zeug dazu, Interessenten durch diese Konstanz in den grundsätzlichen Fahreigenschaften an die Elektromobilität heranzuführen. Komfort, wesentlich geprägt durch Fahrwerk, Dämmung und Sitze, bietet der Born, und das ist ein gutes Rüstzeug, um zu überzeugen. Arbeiten muss Volkswagen daran, auch bei Temperaturen unter 5 Grad eine höhere Ladeleistung zu ermöglichen. Das wird vermutlich kurzfristig nicht gelingen. Dringend nachlegen muss Volkswagen vor allem bei der Software, so vieles erscheint hier einfach nicht ausgereift. Das ist schade, denn es überdeckt etwas, wie gut sich das Auto an sich fährt.

Die hartnäckige Geschichte vom unglaublich teuren Elektroauto widerlegt sich übrigens im direkten Vergleich – auch ohne Subventionen: Ein ähnlich großer Seat Leon mit 140-kW-Benziner, der mit 18-Zoll-Felgen, Standheizung und LED-Scheinwerfern auf das serienmäßige Ausstattungsniveau des Born gebracht wird, ist nicht mehr dramatisch günstiger. Samt der Zuschüsse, die es aktuell beim Kauf gibt, ist der Leon finanziell chancenlos. Im Unterhalt ist er ohnehin das teurere Auto. Letztlich wird die eingangs beschriebene Hoffnung des Konzerns, die ID.3-Derivate mögen den Erfolg von Golf und Co in die Zukunft tragen, auch von solchen Überlegungen unterfüttert.

Der Testwagen wurde vom Hersteller gestellt und überführt, Kosten für Strom hat der Verlag übernommen.

Modell Cupra Born
Preis für diese Ausstattungslinie 37.220
Infotainment
USB-Anschluss Serie
Soundsystem 510
Navigationssystem 1380 (im Paket)
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display 1010
Android Auto/Apple CarPlay Serie
kabelloses Laden von Handys 560 (Paket)
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 1380 (Paket)
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent 805 (Paket)
Rückfahrkamera 1380 (Paket)
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht -
Fernlichtassistent 1380 (Paket)
Nachtsicht-Assistent -
Verkehrszeichenerkennung 1380 (Paket)
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe -
Alarmanlage 410
schlüsselloser Zugang 560 (Paket)
Fahrwerksoption 860 (adaptives Fahrwerk)
Wärmepumpe 1010
Komfort
Sitzheizung 410
Sitzbelüftung -
Massage 1745 (Paket)
Ledersitze -
beheizbares Lenkrad Serie
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Glasdach 1010
Sonstiges
Metalliclack 615
Leichtmetallfelgen Serie (18 Zoll)
Preisliste Stand Februar 2022
Hersteller Cupra
Modell Born
Motor und Antrieb
Frontmotor -
Heckmotor Art permanenterregter Synchronmotor
Leistung in kW Heckmotor 150
Drehmoment in kW Heckmotor 310
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1537
Spurweite hinten in mm 1514
Reifengröße 215/45 R20
Maße und Gewichte
Länge in mm 4322
Breite in mm 1809 (mit Außenspiegeln 2070)
Höhe in mm 1540
Radstand in mm 2766
Kofferraumvolumen in Litern 385
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1811
Zuladung in kg 524
Batterie in kWh (netto) 58
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 7,3
Höchstgeschwindigkeit in km/h 160
Verbrauch
Verbrauch WLTP in kWh/100 km 15,5 bis 16,8
Ladeleistung an AC in kW 11
Ladeleistung an DC in kW 120
Reichweite in km (WLTP) 424
Daten Stand Februar 2022

(mfz [8])


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