Elektroauto Cupra Born im Test: Baustelle Software

Der Cupra Born ist ein Ableger des VW ID.3. Er fährt insgesamt sehr angenehm, doch eine große Baustelle sollte der Konzern noch abarbeiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 298 Kommentare lesen
Cupra Born

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 12 Min.
Inhaltsverzeichnis

Für Volkswagen liegt die Hoffnung vermutlich nah: Das Elektroauto VW ID.3 und seine direkten Derivate sollen irgendwann das Erbe von Golf und Co mit Verbrennungsmotor antreten. Im Prinzip sieht die Sache gar nicht so schlecht aus, zumindest auf den ersten Blick. Denn Elektroautos wie der von uns getestete Cupra Born hätten dazu durchaus das Zeug. In der Umsetzung fehlt gar nicht mehr so viel, aber an ein paar Stellen sollte der Konzern nachschleifen. Ein Test zeigt dies ziemlich eindrücklich.

Zunächst einmal soll aber festgehalten werden, was der Cupra Born richtig gut kann: Fahren. Das Auto ist recht ordentlich gedämmt, bis hinauf zu Geschwindigkeiten, die auf der Landstraße üblich sind, ist es angenehm ruhig im Born. Hinzu kommt ein gekonnt abgestimmtes Fahrwerk. Cupra hat sich, ganz im Sinne der von Seat erdachten Ausrichtung der Marke, für eine eher straffe Grundnote entschieden. Doch trotz einer 245/35 R20-Bereifung, also sehr wenig Flankenhöhe, auf dem Testwagen war der Restkomfort weit mehr als nur passabel. Federung und Dämpfung sind offenbar sehr gekonnt auf das richtige Schluckvermögen abgestimmt und bieten so eine angenehme Rückmeldung von der Straße.

Die Lenkung arbeitet direkt und straff. Sie ist nur um ein geschicktes Maß gedämpft, kein Wunder, denn mit dem Heckantrieb müssen ja keine Antriebseinflüsse herausgefiltert werden. Natürlich gibt es keine Traktionsprobleme. Auch die Bremse lässt sich sehr gut dosieren.

Die Vorteile eines Konzepts, das auf die Belange eines Verbrennungsmotors keine Rücksicht mehr nehmen muss, werden auch im Innenraum deutlich. Das Platzangebot ist erheblich besser als in einem Golf, der insgesamt nur unwesentlich kürzer ist. Der Radstand ist mit knapp 2,77 m fast 15 cm länger als der des aktuellen Golfs. Beim Kofferraum herrscht nahezu Gleichstand, der Cupra fasst 385 Liter.

Die sündhaft teuren Sitze im Testwagen ("Dinamica Pack" für 1745 Euro) sind überaus bequem, ihre Massagefunktion fand ich ebenfalls sehr angenehm. Hätte Cupra der elektrischen Verstellung noch einen Speicherbaustein für verschiedene Sitzpositionen hinzugefügt, wäre dieser Bereich nahezu perfekt. Die nicht belegte Fläche für entsprechende Tasten hinter dem Massage-Knopf deutet darauf hin, dass Cupra darüber auch schon nachgedacht hat. Durchdacht sind dagegen Kleinigkeiten wie die gut zu erreichenden Isofix-Haken zur Befestigung von Kindersitzen oder die einfach zu reinigenden Teppiche.

Einige Materialien wie die obere Türverkleidung sind etwas schlicht ausgefallen, doch die Verarbeitung war insgesamt sehr ordentlich. Mitte des Jahres soll der ID.3 überarbeitet werden, und VW will ihn hochwertiger auskleiden. Gut möglich, dass der Born von einem solchen Update auch profitieren könnte. Der fast vollausgestattete Testwagen hatte einen Listenpreis von rund 47.500 Euro. Für eine solche Summe darf man sich schon fragen, ob der größte Vorzug einer Türverkleidung hinten sein sollte, dass man sie, etwas überspitzt formuliert, sorglos mit dem Hochdruckreiniger säubern kann. Vielleicht spart sich der Konzern auch deshalb die Sensoren in den hinteren Türgriffen. Wer dort vor Fahrtantritt etwas ablegen will, muss entweder zum Schlüssel greifen oder den vorderen Türgriff befummeln.

Cupra Born (5 Bilder)

Der Cupra Born ist unverkennbar ein Ableger des VW ID.3.
(Bild: Pillau)

Im Testwagen war die Kombination aus 150-kW-Motor und 58-kWh-Batterie eingebaut. Geplant ist eine zusätzliche Version, die im Boost-Modus für einen kurzen Moment bis zu 20 kW mehr bereitstellt. Vermisst haben wir sie im Test nicht. Sicher, es mag noch wuchtiger antretende Elektroautos geben, doch der Cupra Born bietet für den Alltag weit mehr als nur genug Schwung. Einige unserer Leser sind seit Jahren mit E-Autos unterwegs, für andere ist das Fahrgefühl möglicherweise neu. Wer direkt von einem Verbrenner umsteigt, dem fällt sofort auf, wie leise, unterbrechungs- und verzögerungsfrei die Beschleunigung abläuft. In dieser Hinsicht hält kein konventioneller Antrieb mit.

Gleiches gilt für den Primärenergiebedarf im Betrieb. Wir haben den Cupra Born im Alltag bei Temperaturen zwischen -2 und 5 Grad mit Werten zwischen 18 und 24 kWh/100 km gemessen. Ersteres gemütlich über Land, letzteres bei Tempo 130 auf der Autobahn. Das sind keine sensationell niedrigen Verbräuche, die im Sommer noch sinken dürften. Doch wer nicht den Fehler macht, beim Verbrennungsmotor nur vom Tank bis zum Rad, beim E-Auto aber von der Quelle bis zum Rad zu bilanzieren, wird schnell feststellen, dass der Öl-Antrieb in diesem Vergleich chancenlos ist.

Je nach Außentemperatur schwankte die angezeigte Reichweite zwischen 270 und 304 km. Befüllt werden kann die Batterie an Wechselstrom dreiphasig mit bis zu 11 kW, an Gleichstrom mit 120 kW. Mit einem Update soll die Ladegeschwindigkeit steigen, zuletzt war von bis zu 170 kW die Rede. Doch grau ist alle Theorie. Da eine Vorklimatisierung der Batterie im Modularen Elektrobaukasten von Volkswagen nicht vorgesehen ist, müsste sich der Fahrer auf der Fahrt zu einer Ladesäule schon einer Fahrweise bedienen, die den Speicher fordert. Das bedeutet: Der Batterie viel Strom entnehmen und intensiv rekuperieren. Dazu sollte der Akku möglichst zwischen 5 und 15 Prozent Ladestand haben. Ist sie dann aufgewärmt und hat einen idealen SoC (state of charge – Ladestand), sind in der Spitze sicher mehr als 100 kW machbar. Wir kamen auf bestenfalls 70 kW Ladeleistung. Immerhin: Die hielt der Born bis zu einem SoC von 65 Prozent.

Fassen wir das bis zu diesem Punkt einmal zusammen: Der Cupra Born ist ordentlich verarbeitet, gefedert, gedämmt und bestuhlt, bietet ausreichend Platz und einen sympathischen Antriebsstrang. Volkswagen hat insgesamt keineswegs verlernt, wie man ein Auto baut, das sich angenehm fährt. All das wirkt so routiniert aufeinander abgestimmt, dass die eingangs beschriebene Hoffnung, mit diesen Modellen die erfolgreichen Verbrenner ablösen zu können, durchaus nicht vollkommen absurd erscheint. Doch die Plattform hat ein Problem, und das sollte der Konzern besser endlich lösen, denn es hat das Zeug dazu, viele Interessenten zu verprellen: Die Software befindet sich nicht auf Höhe der von der Konkurrenz.