"Ghost of Tsushima" angespielt: Samurai mit großem Vorbild

Schön und blutig: Sucker Punch macht im PS4-exklusiven Action-Spektakel "Ghost of Tsushima" keine halben Sachen, verlässt sich aber zu sehr auf Bewährtes.

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"Ghost of Tsushima" angespielt: Samurai mit großem Vorbild

(Bild: Sony)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Idyllische Ritte durch traumhafte Blumenwiesen, dichtende Samurai und blutige Gemetzel – der PS4-Exklusivtitel "Ghost of Tsushima" von Sucker Punch ist ein Spiel der Gegensätze. Wo erst noch Idylle herrscht, regiert im nächsten Moment Chaos und Gewalt. Die "Infamous"-Macher wagen einen wilden Ritt zwischen deftiger Hack'n'Slay-Action, Schleichabenteuer und Samurai-Pathos.

Die Handlung von "Ghost of Tsushima" spielt im Japan des Mittelalters und erzählt von der ersten Mongoleninvasion Japans. Zurückgedrängt von den mordlustigen Eroberern wächst langsam der Widerstand auf der idyllischen Insel Tsushima. Unter den Rebellen ist Fürstensohn Jin Sinkai, der seinen Onkel aus den Fängen der Mongolen befreien will. Zusammen mit anderen Überlebenden stellt sich Jin einem übermächtigen Feind.

Sucker Punch geht in diesem Open-World-Abenteuer keine Experimente ein. Wie in der "Assassin’s Creed"-Reihe, die offensichtliche Inspiration der Macher, kämpft und meuchelt sich Jin bei seinem Freiheitskampf durch die offene Spielwelt. Abseits der Hauptstory bekommt der Samurai-Held zahlreiche Nebenaufgaben: Er muss Mongolenstützpunkte einnehmen, Sonderaufgaben für seine Mitstreiter erledigen oder sich auf die Suche nach legendären Rüstungen und Kampfstilen machen. Lässt man sich ein wenig Zeit für die Dialoge, entstehen viele kleine emotionale Geschichten über ein Land, das der Krieg an den Rand des menschlichen und wirtschaftlichen Abgrunds treibt.

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Schade, dass diese tiefgründigen Momente nur Beiwerk sind. Primär ist "Ghost of Tsushima" ein brutales Actionwerk: Das Spiel ist in seinem Element, wenn Jin mit seiner Truppe eine Burg stürmt und seine Gegner gleich reihenweise niedermetzelt. Dabei sieht es prächtig aus: ob in den blutigen Kämpfen oder beim Ritt durch blühende Blumenwiesen im Sonnenuntergang – die PS4 Pro ist hier am Limit. Das harmonische Spiel zwischen Farben und Licht verzückt. Wer will, kann im sogenannten Kurosawa-Modus – angelehnt an den berühmten japanischen Regisseur – die Bilderwelt in Schwarzweiß tauchen. An der Inszenierung des Spiels ändert das aber nichts.

Besonders die unterschiedlichen Kampfstile und Haltungen bringen taktische Abwechslung ins Spiel. So kann sich Jin seinen Gegnern wie ein ehrenvoller Samurai im Kampf stellen und seine Attacken und Blocks dem jeweiligen Gegner anpassen. Dazu benutzt er schnelle und harte Schläge oder Kombos, die die Verteidigung durchbrechen und den Gegner kurze Zeit ins Taumeln bringen. Perfekte Paraden ermöglichen einen Konter und bringen theoretisch Finesse in die Kämpfe. Praktisch geraten die Kämpfe in "Ghost of Tsushima" aber oft zu chaotischem Gekloppe, da gerade beim Kampf gegen mehrere Feinde die Übersicht fehlt. Die Kamera verliert das Kampfgeschehen außerdem oft aus dem Blick.

"Ghost of Tsushima" angespielt (5 Bilder)

"Ghost of Tsushima" von Sucker Punch ist traumhaft schön, aber spielerisch einfallslos. (Bild: heise online)

Neben dem ehrenvollen, direkten Samurai-Stil kann sich Jin auch für den Weg des titelgebenden Geists entscheiden. Dann gelten für ihn keine Regeln mehr: Er schleicht sich an seine Gegner an, sticht sie brutal ab oder tötet sie mit Giftpfeilen. Wie in anderen Spielen üblich kann er dabei mit seinen Sinnen Gegner durch Wände hindurch orten. Dieses hinterhältige Assassinen-Verhalten trifft bei seinen Verbündeten aber nicht immer auf Zustimmung und sorgt für Spannungen.

Anders laufen die Duelle gegen die größeren und kleineren Endgegner ab. Wie es sich für echte Samurai gehört, treffen sich die beiden Gegner in einer kleinen Arena und verlassen sich ganz auf ihr Können. Keine Giftpfeile, keine fliegenden Messer, sondern nur ein Tanz der Klingen auf Leben und Tod. Auch wenn manche dieser Gegner ihre Angriffsmuster wiederholen und mit der gleichen Taktik zu besiegen sind, zählen diese Szenen zu den Höhepunkten des Spiels. Nach dem Kampf kann Jin seine Ausrüstung und seine Fähigkeiten aufbessern. Jin besitzt nur ein einziges Schwert und die wenigen Rüstungen sind mächtig, aber rar gesät. Fortschritt gibt es daher vor allem beim Kampfstil, den Jin mit zahlreichen Fähigkeiten verfeinern kann.

Abseits der brutalen Kämpfe gibt es in Tsushima viel zu entdecken: Füchse führen Jin zu heiligen Schreinen, Heilquellen stärken seine Lebenskraft und nützliche Talismane finden sich in verborgenen Heiligtümern, die der Samurai nach einer ausgedehnten Klettertour erreicht. Wegen der zahlreichen Nebenquests kann sich das Spiel weit über die rund 20-stündige Storykampagne strecken.

Nach den mutigen Genreausflügen mit "Death Stranding" und besonders "The Last of Us 2" setzt Publisher Sony mit "Ghost of Tsushima" auf Bewährtes. "Ghost of Tsushima" ist ein imposantes, aber konventionelles Actionspektakel vor einer betörend schönen Naturkulisse. Schade, dass hinter dem spannenden Szenario und den Kurosawa-Anleihen nur eine oberflächliche Story steckt, die weder überrascht noch lange spannend unterhält. Stattdessen geht es sehr vorhersehbar mit viel Pathos und Blut derbe zur Sache.

Die spielerischen Einflüsse der "Assassin's Creed"-Reihe sind bei "Ghost of Tsushima" unverkennbar. Die daraus resultierende Mischung aus Anspruch und bewährtem Open-World-Spektakel mag Genre-Fans unterhalten, ergibt aber doch ein sehr reißbrettartiges Actionfeuerwerk, dem etwas mehr Originalität gutgetan hätte.

Ghost of Tsushima erscheint am 17. Juli exklusiv für PS4. Es kostet ca. 70 €. USK ab 18. Für unseren Test haben wir es auf der PS4 Pro durchgespielt.

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(dahe)