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Smartes Elektro-Stadtauto – bis auf den Antrieb: Smart EQ ForFour auf Testfahrt

Christian Lorenz

Smart ist jetzt zur Elektromarke geworden. Der ForFour soll zudem zeigen, ob ein viertüriger Smart widersinnig ist. Oder ist er sogar der bessere Smart?

Lange hat's gedauert. Mit der kompletten Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb ist Smart 22 Jahre nach dem ersten Citycoupé bei der ursprünglichen Idee von Nicolas Hayek angekommen. In der urbanen Ultrakurzstrecke bietet nur der Elektroantrieb hohen Wirkungsgrad und konsequente Emissionsbeschränkung.

Aber als Viertürer? Verwässert ein Stretch Smart nicht den frechen Querparker zum orthodoxen Stadtmini? Oder ist der Forfour ein intelligenter Viersitzer, geringfügig kürzer als Volkswagens dreistimmiger Up-Gesang (3490 vs 3600 mm) und somit der smarteste Smart? Was freilich auch hieße, dass der beste Smart ein Renault Twingo wäre.

Smart EQ Forfour Außenansicht (0 Bilder) [1]

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Unerwartet punktet der Smart bereits beim Einstieg. In dieser Disziplin hat auch der Seat Mii electric (Test) [3] positiv überrascht. War man doch skeptisch im Spartanermodus auf ihn zugegangen. Beim Einsteigen schont der Mii den Rücken besser als mein 20 Jahre alter BMW 3er der Baureihe E46. Der Smart nimmt meine 84-jährige Mutter noch einmal merklich entspannter auf: Die höhere Sitzposition in Verbindung mit einer ausreichenden Kopffreiheit des Einstiegs lassen sie strahlen. Ein sympathischer Einstieg für den Smart.

Im Fond ist das Ziel aber nicht so überraschend wie der Weg. Hat man die Zweiersitzbank mal erstiegen, ist die Kniefreiheit naturgemäß eingeschränkt. Dass Smart nicht zaubern kann, zeigt eine im Up-Vergleich etwas stärker am Knie scheuernde Vordersitzlehne. Schließlich ist der Renault-Benz auch etwas kürzer. Ausdrücklich muss man aber beide Kleinstwagen dafür loben, wie anstandslos sie vier erwachsene Personen auch über längere Strecken aufnehmen können.

Mit 185 Litern Kofferraumvolumen zieht der lange Smart aber deutlich den Kürzeren hinter der Volkswagen-Konstruktion. Mit 250 Litern Volumen und einem verstellbaren Ladeboden deklassieren die drei Konzernkleinstwagen den Smart. Der Forfour bietet bei umgeklappter Rücksitzlehne mit 985 Litern immerhin das gleiche maximale Volumen. Beim Raum liegt er gleichauf mit den Volkswagen und ein verstellbarer Ladeboden (Serie bei Up, Mii und Citigo) wird nicht mehr vermisst, da sich automatisch eine ebene Fläche ergibt. Für den Einkauf sperriger Güter empfiehlt sich der Smart mit der optional klappbaren Beifahrersitzlehne.

Einen zugleich liebevollen wie kenntnisreichen Blick auf den Alltag offenbaren Details. Ein Gurt mit Klettverschluss am Beifahrersitz dient der Fixierung kleinerer Utensilien. Das im Testwagen verbaute Ablagepaket steuert ein praktisches Netz an der Beifahrerseite der Mittelkonsole bei. Zur Ausstattungslinie "passion" des Testwagens gehören Pompadourtaschen an den Vordersitzlehnen und praktische Ablagefächer in den Türen mit Netzen. Zum "exclusive"-Paket des Testwagens gehört eine Mittelarmlehne. Die Sitzposition ist angenehm aufrecht, bequem und in wenigen Sekunden gefunden. Allerdings vermitteln die Polster zu wenig Konturen und zu viel Schaumstoffanmutung – bei mit spitzem Stift berechneten Kleinwagen kein unübliches Phänomen.

Das Smart-Cockpit kann hier nur mit dem Rückzug ins Objektive behandelt werden. Man mag es oder eben nicht. Der geblähte Halbkreistacho lässt sich ordentlich ablesen und gibt viel Raum für einen schmucklosen, aber pragmatischen Bordcomputer. Das Powermeter-Micky-Maus-Ohr, das anstelle eines Drehzahlmessers die Stromleistung anzeigt, ist bestenfalls unnötig. Aber das gehört eben zur Smart-Folklore.

Sämtliche Bedienelemente sind ergonomisch und selbsterklärend. Mit dem in den teuren Linien und Paketen enthaltenen Media-System mit eingebautem 8-Zoll-Touchscreen kommt man schnell zurecht, ohne die Bedienungsanleitung konsultieren zu müssen. Smart hat im Bereich Multimedia traditionell teurere und umfassendere Lösungen als die Kleinstwagenkonkurrenz. Android Auto und Apple Car Play gehören zum Mediapaket ebenso dazu wie eine Rückfahrkamera mit großem Bild.

Smart EQ Forfour Platzangebot (0 Bilder) [4]

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Bei Multimedia und Konnektivität können Up, Mii und Citigo also nicht mithalten. Eine Rückfahrkamera gibt es nur für den VW und mit vergleichsweise winzigem Bild. Multimedia beschränkt sich bei Volkswagens Kleinsten auf eine Smartphonehalterung mit App. Allerdings ist das bei Volkswagen serienmäßig, während in der Ausstattungspakethierarchie von Smart das Konnektivitätspaket mindestens den Einsatz von knapp 2000 Euro voraussetzt. Serienmäßig ist hingegen nicht einmal ein USB-Stecker.

Sinnvolle Sonderausstattungen wie Sitzheizung im Fond oder ein großes, elektrisch zu öffnendes Stoffdach gibt es dagegen in dieser Klasse nur im Smart Forfour. In der sündhaft teuren Ausstattungslinie "prime" sind sogar Lederpolster enthalten. Die windige Kofferraumabdeckung aus notdürftig kaschierten Eierkartons hingegen würde wohl nicht einmal Lada anzubieten wagen. Bei jedem Aus- und Einbau präsentiert sich so die Haptik des Prekariats – und eben nicht stylische Urbanität.

Die neue Mobilität wird gestartet wie vorgestern. Das ist bei kostensensiblen Elektrostadtmobilen immer so. Also wird der Bartschlüssel im Zündschloss gedreht, bis man wie beim Eierkocher unschön von einem Warnsummer aufgeschreckt wird. Im linken unteren Teil des riesigen Tachometers, der hier das ganze Kombiinstrument übernimmt, erscheint grün die Anzeige "ready". Mit der gewohnten Mühelosigkeit, die immer wieder für die Elektromobilität einnimmt, setzt sich der Forfour in Bewegung. Die maximal 60 kW zaubern ein Lächeln ins Gesicht, wenn auch das Fußgängerwarngeräusch den leichtfüßigen Smart scheinbar stöhnen und röcheln lässt. Da erscheint ein Soundcheck wünschenswert.

One-Pedal-Fahren ist mit dem Smart nicht möglich. Im Normalmodus soll sich die Rekuperation zwar via Radar an den Vordermann anpassen. In der Praxis spürt man davon aber so gut wie nichts. Auch die maximale Rekuperationsleistung, die im effizienzoptimierten Fahrprogramm ECO (nur 41 kW Leistung) eingestellt ist, bremst nicht annähernd zum Stillstand. Das ist zwar Geschmackssache, aber eine einstellbare Rekuperation wäre schön gewesen.

Zunächst ungläubig reagiert man auf die Verbrauchsanzeige. Auch im Eco-Modus, der im alltäglichen Stadtverkehr mit seinen 37 kW vollkommen ausreicht, sind Verbräuche weit über 20 kWh/100 km auch ohne gemeingefährlichen Fahrstil möglich. Den Momentanverbrauch in die Nähe von 12 kWh/100 km zu drücken, erfordert kriminelle Energie gegenüber dem nachfolgenden Verkehr. Der Testverbrauch von 16,8 kWh ist zu achtzig Prozent bei nahezu idealen Bedingungen im Eco-Modus bei Stadtverkehr erreicht worden. Das sind in Anbetracht der Fahrzeuggröße indiskutable Werte.

Smart EQ Forfour Cockpit (8 Bilder) [6]

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Typisches Smart-Cockpit, das sich trotz unkonventioneller Optik ergonomisch sinnvoll bedienen lässt.
(Bild: Florian Pillau
)

Verbunden mit einer Batteriekapazität von 17,6 kWh kann man von Glück reden, wenn man in der Praxis 100 km weit kommt. Ein Glück, das meist den Verzicht auf Heizung und Klimaanlage erfordern wird. Positiv bei unserem Testwagen war die Ausstattung mit LED-Scheinwerfern, die aber leider die Investition in ein knapp 3000 Euro teures Paket zusätzlich zur Ausstattungslinie Passion (knapp 2000 Euro) erfordert. Immerhin, beim Up und seinen Gleichmodellen gibt es sowas gar nicht. Schade, denn das LED-Licht hatte den geringsten Anteil an der geringen Reichweite des Smart.

Den Smart Forfour gibt es inzwischen auch als Renault Twingo [8]. Dieser soll noch zum Jahreswechsel 20/21 als Twingo Electric mit einem auf 21 kWh vergrößerten Akku auf den Markt kommen. Ob der Smart dieses Update bekommt, ist nicht sicher. Die über 32 kWh – wohlgemerkt netto – die der Akku der Volkswagen-Up-Gleichmodelle bietet, bleiben aber eine komplett andere Liga. Der Smart-Antrieb ist zwar elektrisch, aber trotzdem nicht auf der Höhe der Zeit.

Das ist insofern schade als das heckgetriebene Ei mit den kleinen Rädern auch auf kurvigen Landstraßen Spaß macht. Die Federung wirkt nicht störend straff. Im Kleinstwagenbereich erwartet man kein großes Schluckvermögen. Aber der Forfour enttäuscht auch nicht. Die Lenkung ohne Antriebseinflüsse ist ein bauartbedingtes Alleinstellungsmerkmal unter den Kleinstwagen. Da der Lenkeinschlag ohne Rücksicht auf Antriebswellengelenke viel größer ist, verkleinert sich der Wendekreis. Parallel zur Fahrbahn einparken wird damit zum Kinderspiel.

Alle Smart-Modelle sind serienmäßig mit einem Bordlader ausgestattet, der maximal 4,6 kW Ladeleistung bereitstellt [9]. Laut Werk kann der Akku so an einer Wallbox (bei Smart 870 Euro plus Installationskosten) in 3,5 Stunden von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Gegen knapp 1000 Euro Aufpreis ist ein 22-kW-Bordlader erhältlich der diese Ladezeit auf nur 45 min minimieren soll. Empfehlenswert ist es grundsätzlich, Angebote von Wallboxen genau zu vergleichen. Ein Drittanbieter kann hier die viel günstigere Wahl sein.

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Interessant ist bei Smart, dass der optionale 22-kW-Bordlader das Aufladen an der gängigen 230-Volt-Steckdose erschwert. Braucht ein serienmäßiger Smart hier für die Ladung von 10 auf 80 Prozent 6 Stunden, erhöht sich mit 22-kW-Bordlader diese Ladezeit auf 8,5 Stunden. Der Hersteller erklärt dies mit einem schlechteren Wirkungsgrad des auf stärkeren Strom ausgelegten Systems im Haushaltsnetz.

Bei den Preisen verlangt Smart für den Forfour einen saftigen Lifestyle-Aufschlag, was angesichts des unterdurchschnittlichen Antriebs mutig erscheint. Der fortwo beginnt in Grundausstattung bei gut 18.000 Euro in Schwarz. Unser Testwagen der Linie passion mit exclusive-Paket inkl. LED-Scheinwerfern, Multimedia-System, Tempomat sowie Winterpaket mit beheizbarem Lederlenkrad, Sitzheizung vierfach kommt brutto auf 27.000 Euro.

Nach Abzug der Umweltboni von 9000 Euro bleiben 18.000 Euro übrig. Ein hoher Preis, für den er gegen VW Up (Test) & Co. [11] keine Chance hätte, die unterm Strich auf maximal 14.000 Euro kämen, wenn man sie denn bekäme. Bei Volkswagen kommen – nach derzeitigem Stand – zu 16 Monaten Wartezeit auch ein Preis von 23.000 Euro. Für dieses Geld sollte man sich eher einen Opel Corsa-e (Test) [12] ansehen, der zwar nicht im Platzangebot im Fond, aber in Anmutung, Leistung und Reichweite eine Klasse höher liegt. Nach objektiven Kriterien zuraten kann man zum Smart nicht. Aber das ist nichts Neues. Trotzdem hat die Marke eine eingeschworene Fangemeinde.

Der Smart Forfour ist ein polarisierender Kleinstwagen mit guter Ergonomie, hohem Nutzwert und erfrischenden Ideen. Der Elektroantrieb ist jedoch nicht auf der Höhe der Zeit. Seine unglaubliche Ineffizienz führt zu geringer Reichweite. Da bekommt man woanders Besseres für weniger Geld. Schade, denn der Forfour kann Spaß machen.

Beide Überführungen wurden vom Hersteller übernommen, die Stromkosten trug der Autor.

Datenblatt
Hersteller Smart
Modell EQ Forfour
Motor und Antrieb
Motorart Fremderregter Drehstom-Synchronmotor
Leistung in kW (PS) 60 (82 PS)
Drehmoment in Nm 270
Antrieb Heck
Speicher
Energiegehalt brutto in kWh 17,6
Max. Ladeleistung DC in kW (optional) 22
Max. Ladeleistung AC einphasig in kW 4,6
Fahrwerk
Lenkung Elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung (EPS)
Wendekreis in m 9,05
Reifengröße vorn 165/65 R 15
Reifengröße hinten 165/65 R 15
Maße und Gewichte
Länge in mm 3495
Breite in mm 1665
Höhe in mm 1554
Radstand in mm 2494
Kofferraumvolumen in Litern 185 - 975
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1200
Zuladung 370
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 12,7
Höchstgeschwindigkeit in km/h 130
Verbrauch im WLTP in kWh/100 km 15,9 - 17,3
Reichweite im WLTP 140 bis 153
Daten Stand Juli 2020
Preisliste
Modell smart EQ forfour
Ausstattungslinie Passion
Preis für diese Ausstattungslinie 23.833
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss 930 (Advanced-Paket)
Soundsystem 599 Euro (nur i.V.m exclusive Paket für 2574 Euro)
Navigationssystem 930 (Advanced-Paket)
Verkehrsdaten in Echtzeit 930 (Advanced-Paket)
Freisprecheinrichtung 930 (Advanced-Paket)
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat -
Einparksensoren vorn -
Einparksensoren hinten 930 (Advanced-Paket)
Rückfahrkamera 1647 (Premium-Paket)
LED-Scheinwerfer 2573 (Exclusive-Paket)
Komfort
Sitzheizung 624 (vorne und hinten, Winterpaket)
Ledersitze - (Serie teuerste Ausstattungslinie)
beheizbares Lenkrad 624 (Winterpaket)
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Schiebedach 965 (Faltdach)
Glaspanoramadach (fest) mind. 1647 (nur im Paket)
Sonstiges
Metalliclack 409
Metalliclack Tridion-Sicherheitszelle 244
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand Juli 2020
Mehrwertsteuer 16 Prozent

(chlo [13])


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[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4943877.html?back=4939710
[8] https://www.heise.de/tests/E-Auto-Renault-Twingo-Z-E-1-Bedaechtig-zu-befuellen-4667003.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Warum-wieder-nur-7-4-kW-4430579.html
[10] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[11] https://www.heise.de/tests/VW-e-Up-im-Test-Doppelschritt-4664230.html
[12] https://www.heise.de/tests/Opels-Elektro-Kompaktwagen-Corsa-e-im-Test-Das-beste-Paket-4873509.html
[13] mailto:chlo@heise.de