Smartes Elektro-Stadtauto – bis auf den Antrieb: Smart EQ ForFour auf Testfahrt

Smart ist jetzt zur Elektromarke geworden. Der ForFour soll zudem zeigen, ob ein viertüriger Smart widersinnig ist. Oder ist er sogar der bessere Smart?

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Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Lange hat's gedauert. Mit der kompletten Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb ist Smart 22 Jahre nach dem ersten Citycoupé bei der ursprünglichen Idee von Nicolas Hayek angekommen. In der urbanen Ultrakurzstrecke bietet nur der Elektroantrieb hohen Wirkungsgrad und konsequente Emissionsbeschränkung.

Aber als Viertürer? Verwässert ein Stretch Smart nicht den frechen Querparker zum orthodoxen Stadtmini? Oder ist der Forfour ein intelligenter Viersitzer, geringfügig kürzer als Volkswagens dreistimmiger Up-Gesang (3490 vs 3600 mm) und somit der smarteste Smart? Was freilich auch hieße, dass der beste Smart ein Renault Twingo wäre.

Smart EQ Forfour Außenansicht (9 Bilder)

Die Karosserie des Smart EQ Forfour ist baugleich mit derjenigen des Renault Twingo. Er ist 80 cm länger als ein Fortwo und einen Zentimeter kürzer als ein Up-Mii-Citigo aus dem Volkswagenkonzern. (Bild: Florian Pillau
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Unerwartet punktet der Smart bereits beim Einstieg. In dieser Disziplin hat auch der Seat Mii electric (Test) positiv überrascht. War man doch skeptisch im Spartanermodus auf ihn zugegangen. Beim Einsteigen schont der Mii den Rücken besser als mein 20 Jahre alter BMW 3er der Baureihe E46. Der Smart nimmt meine 84-jährige Mutter noch einmal merklich entspannter auf: Die höhere Sitzposition in Verbindung mit einer ausreichenden Kopffreiheit des Einstiegs lassen sie strahlen. Ein sympathischer Einstieg für den Smart.

Im Fond ist das Ziel aber nicht so überraschend wie der Weg. Hat man die Zweiersitzbank mal erstiegen, ist die Kniefreiheit naturgemäß eingeschränkt. Dass Smart nicht zaubern kann, zeigt eine im Up-Vergleich etwas stärker am Knie scheuernde Vordersitzlehne. Schließlich ist der Renault-Benz auch etwas kürzer. Ausdrücklich muss man aber beide Kleinstwagen dafür loben, wie anstandslos sie vier erwachsene Personen auch über längere Strecken aufnehmen können.

Mit 185 Litern Kofferraumvolumen zieht der lange Smart aber deutlich den Kürzeren hinter der Volkswagen-Konstruktion. Mit 250 Litern Volumen und einem verstellbaren Ladeboden deklassieren die drei Konzernkleinstwagen den Smart. Der Forfour bietet bei umgeklappter Rücksitzlehne mit 985 Litern immerhin das gleiche maximale Volumen. Beim Raum liegt er gleichauf mit den Volkswagen und ein verstellbarer Ladeboden (Serie bei Up, Mii und Citigo) wird nicht mehr vermisst, da sich automatisch eine ebene Fläche ergibt. Für den Einkauf sperriger Güter empfiehlt sich der Smart mit der optional klappbaren Beifahrersitzlehne.

Einen zugleich liebevollen wie kenntnisreichen Blick auf den Alltag offenbaren Details. Ein Gurt mit Klettverschluss am Beifahrersitz dient der Fixierung kleinerer Utensilien. Das im Testwagen verbaute Ablagepaket steuert ein praktisches Netz an der Beifahrerseite der Mittelkonsole bei. Zur Ausstattungslinie "passion" des Testwagens gehören Pompadourtaschen an den Vordersitzlehnen und praktische Ablagefächer in den Türen mit Netzen. Zum "exclusive"-Paket des Testwagens gehört eine Mittelarmlehne. Die Sitzposition ist angenehm aufrecht, bequem und in wenigen Sekunden gefunden. Allerdings vermitteln die Polster zu wenig Konturen und zu viel Schaumstoffanmutung – bei mit spitzem Stift berechneten Kleinwagen kein unübliches Phänomen.

Das Smart-Cockpit kann hier nur mit dem Rückzug ins Objektive behandelt werden. Man mag es oder eben nicht. Der geblähte Halbkreistacho lässt sich ordentlich ablesen und gibt viel Raum für einen schmucklosen, aber pragmatischen Bordcomputer. Das Powermeter-Micky-Maus-Ohr, das anstelle eines Drehzahlmessers die Stromleistung anzeigt, ist bestenfalls unnötig. Aber das gehört eben zur Smart-Folklore.

Sämtliche Bedienelemente sind ergonomisch und selbsterklärend. Mit dem in den teuren Linien und Paketen enthaltenen Media-System mit eingebautem 8-Zoll-Touchscreen kommt man schnell zurecht, ohne die Bedienungsanleitung konsultieren zu müssen. Smart hat im Bereich Multimedia traditionell teurere und umfassendere Lösungen als die Kleinstwagenkonkurrenz. Android Auto und Apple Car Play gehören zum Mediapaket ebenso dazu wie eine Rückfahrkamera mit großem Bild.

Smart EQ Forfour Platzangebot (6 Bilder)

Die Sitzposition ist gut, der Einstieg bequem. Der Schalter für die Sitzheizung ist ein ergonomischer Ausreißer. Der Gurt zur Fixierung von Utensilien auf dem Beifahrersitz ist ebenso wie das Netz an der Mittelkonsole eine gute, praktische Idee. Beide gehören aber zu einem teuren Ausstattungspaket. (Bild: Florian Pillau)

Bei Multimedia und Konnektivität können Up, Mii und Citigo also nicht mithalten. Eine Rückfahrkamera gibt es nur für den VW und mit vergleichsweise winzigem Bild. Multimedia beschränkt sich bei Volkswagens Kleinsten auf eine Smartphonehalterung mit App. Allerdings ist das bei Volkswagen serienmäßig, während in der Ausstattungspakethierarchie von Smart das Konnektivitätspaket mindestens den Einsatz von knapp 2000 Euro voraussetzt. Serienmäßig ist hingegen nicht einmal ein USB-Stecker.

Sinnvolle Sonderausstattungen wie Sitzheizung im Fond oder ein großes, elektrisch zu öffnendes Stoffdach gibt es dagegen in dieser Klasse nur im Smart Forfour. In der sündhaft teuren Ausstattungslinie "prime" sind sogar Lederpolster enthalten. Die windige Kofferraumabdeckung aus notdürftig kaschierten Eierkartons hingegen würde wohl nicht einmal Lada anzubieten wagen. Bei jedem Aus- und Einbau präsentiert sich so die Haptik des Prekariats – und eben nicht stylische Urbanität.

Die neue Mobilität wird gestartet wie vorgestern. Das ist bei kostensensiblen Elektrostadtmobilen immer so. Also wird der Bartschlüssel im Zündschloss gedreht, bis man wie beim Eierkocher unschön von einem Warnsummer aufgeschreckt wird. Im linken unteren Teil des riesigen Tachometers, der hier das ganze Kombiinstrument übernimmt, erscheint grün die Anzeige "ready". Mit der gewohnten Mühelosigkeit, die immer wieder für die Elektromobilität einnimmt, setzt sich der Forfour in Bewegung. Die maximal 60 kW zaubern ein Lächeln ins Gesicht, wenn auch das Fußgängerwarngeräusch den leichtfüßigen Smart scheinbar stöhnen und röcheln lässt. Da erscheint ein Soundcheck wünschenswert.

One-Pedal-Fahren ist mit dem Smart nicht möglich. Im Normalmodus soll sich die Rekuperation zwar via Radar an den Vordermann anpassen. In der Praxis spürt man davon aber so gut wie nichts. Auch die maximale Rekuperationsleistung, die im effizienzoptimierten Fahrprogramm ECO (nur 41 kW Leistung) eingestellt ist, bremst nicht annähernd zum Stillstand. Das ist zwar Geschmackssache, aber eine einstellbare Rekuperation wäre schön gewesen.