Was Fedora 10 Neues bringt

Das neue Fedora verspricht nicht nur einen schnelleren, sondern dank Kernel-Based Modesetting auch schöneren Startvorgang. Die Software-Ausstattung ist umfangreich und mit OpenOffice 3.0 oder der "Glitch-Free"-Version von PulseAudio auf dem neusten Stand.

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  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Etwas mehr als sechs Monate nach der Fertigstellung von Fedora 9 (Sulphur) hat das Fedora-Projekt nun den Nachfolger Fedora 10 (Cambridge) freigegeben – durch den Einbruch in die Serverinfrastruktur vier Wochen später als ursprünglich geplant, im Unterschied zu vielen der vorangehenden Fedora-Versionen aber immerhin ohne weitere Verzögerungen in letzter Minute.

Wie bei Fedora üblich enthält auch Cambridge wieder eine umfangreiche und überaus aktuelle Software-Ausstattung – selbst das erst vor kurzem vorgestellte OpenOffice 3.0 sowie Firefox 3.0.4 haben es in die neue Version der Linux-Distribution geschafft. Neben den vielfach unter Beteiligung von Fedora- und Red-Hat-Programmierern entstandenen Verbesserungen in neuen Versionen von Kernel, GNOME und Co. haben die Fedora-Entwickler auch an zahlreiche Neuerungen speziell für Fedora 10 gearbeitet. Speziell um diese sowie einige andere für Fedora-Anwender relevante Geschehnisse im Fedora-Umfeld dreht sich der folgenden Artikel.

Fedora 10 (10 Bilder)

GNOME-Desktop von Fedora 10 im Solar-Design

Fedora-Hauptsponsor Red Hat macht zwar einen Großteil seines Umsatz mit den Servern von Unternehmenskunden, hat bei Fedora 10 aber dennoch den einen oder anderen Red-Hat-Entwickler an primär für Endanwender und Desktop-Systeme interessanten Techniken arbeiten lassen. Dazu zählen verschiedene Verbesserungen, die den Bootvorgang verschönern und beschleunigen.

So bringt Fedora 10 Unterstützung für Kernel-Based Mode-Setting (KMS) für das Gros der Radeon-Grafikhardware ab dem Radeon-Modell 9500. Bei dieser Technik stellt der Kernel bereits direkt nach der Initialisierung der wichtigsten Hardware-Komponenten den zum jeweiligen Bildschirm passenden Grafikmodus ein. Der Kernel kümmert sich zudem auch im späteren Betrieb um das Einstellen der Bildschirmauflösung und nimmt so dem X-Server erhebliche Teile dieser Aufgabe ab. Das Umschalten zwischen X-Server und VGA-Text- oder Framebuffer-Konsole erfolgt dadurch deutlich schneller und fließender, da die Bildschirmauflösung beim Wechsel nicht mehr wie bisher neu eingestellt werden muss.

Der Kernel enthält durch KMS zudem mehr Kontrolle über die Grafikhardware – bisher kamen sich dabei die Framebuffer- und VGA-Treiber, die Direct Rendering Infrastruktur (DRI) des Kernels und der X-Server nicht selten ins Gehege. Die Kernel-Entwickler planen, den KMS-Code mit Linux 2.6.29 aufzunehmen, sodass KMS bald auch in anderen Distributionen auftauchen dürfte. Bereits Fedora 9 hatte KMS experimentell bei Intel-Grafikhardware unterstützt. Die Entwickler der Intel-Grafiktreiber haben den Intel-KMS-Code im vergangenen halben Jahr jedoch mehrfach stark unstrukturiert. Den Fedora-Entwicklern war dies teilweise durch GEM bedingte Hin und Her zu heikel, sodass sie die KMS-Unterstützung für Intel-Hardware bei Cambridge deaktivierten; ein Update soll KMS bei Systemen mit Intel-Chipsatzgrafik vielleicht später einschalten. Und auch die Radeon-Unterstützung für KMS läuft noch nicht ganz rund, taucht sie doch bereits bei der Freigabe von Fedora 10 auf der Wiki-Seite mit bekannten Problemen der Distribution auf.

Um den Bootprozess weiter aufzupeppen, haben die Red-Hat-/Fedora-Entwickler das Programm Plymouth entwickelt (siehe auch: Interview mit den Plymouth-Entwicklern). Bei Systemen mit VGA-Textkonsole zeigt es während des Startvorgangs einen einfachen ACSII-Fortschrittsbalken am unteren Rand an, während Kernel und Dienste im Hintergrund die Hardware initialisieren und die Arbeit aufnehmen – das Ganze erinnert ein wenige an den weißen Fortschrittsbalken, den man früher zu Beginn des Startvorgangs von Windows 2000 zu sehen bekam.

Ascii-Art beim Booten von Cambridge ohne Kernel-Based Mode-Setting oder Framebuffer-Grafik

Wer hingegen eine Framebufferkonsole aktiviert oder Radeon-Hardware mit KMS-Unterstützung besitzt, sieht dank Plymouth während des Startvorgangs statt ASCII-Art einen hübsche animiert Grafik im Solar-Design von Fedora 10. Mit KMS-kompatibler Grafikhardware ist der Startvorgang von Fedora so komplett grafisch und zeigt nicht einmal ein kurzes Bildflackern, wenn der X-Server startet. Diesen Moment erkennt man nur am plötzlich erscheinenden Mauszeiger, bevor kurz darauf der Anmeldebildschirm von GDM erscheint -- Interessierte können sich das Ganze in einem vom Fedora-Projekt bereitgestellten Video ansehen.

Flackerfreier und animierter Startvorgang dank Kernel-Based Mode-Setting und Plymouth

Den Startvorgang wollen die Fedora-Entwickler überdies nicht nur verschönert, sondern auch beschleunigt haben. Auf dem für die c't 24/08 gebauten "Optimalen PC" startete Cambridge mit 28 Sekunden allerdings nur eine Sekunde flotter als eine Fedora-9-Installation. Auf einem Testsystem mit Asus P5N7A-VM (GeForce 9300 Chipsatz/mGPU) brauchte Fedora 10 sogar länger: Der Code in der Initrd wartete satte zehn Sekunden untätig auf die Erkennung aller Datenträger, bevor er die Root-Partition einhängte und den Startvorgang fortsetzte.

Als Kernel nutzt Cambridge eine im Vergleich zu anderen Distributionen eher spärlich erweiterte Linux-Version 2.6.27.5. Die größten der im Source-RPM des Fedora-Kernels genutzten Patches rüsten die Unterstützung für KMS, Squashfs und Utrace sowie die Treiber Atl2, At76, Lirc und Nouveau nach. Zudem haben die Fedora-Entwickler die Ext4-Unterstützung weitgehend auf den Stand des derzeit zu Kernel 2.6.28 führenden Hauptentwicklungszweigs von Linux aktualisiert, mit der die Kernel-Hacker die Hauptentwicklungsphase der Dateisystems beenden – mit Fedora 10 angelegte Ext4-Dateisysteme sollten sich daher auch mit zukünftigen Kerneln und Distributionen nutzen lassen. Im Installationsprogramm von Fedora lassen sich Datenträger aber nur mit Ext4 formatieren, wenn man direkt beim Start der Installation im Boot-Loader die Option "ext4" übergibt.

Ext4 lässt sich während der Installation nur auswählen, wenn man den Installer vorher mit dem Parameter "ext4" aufruft.

Manche nicht im Hauptentwicklungszweigs von Linux enthaltenen, bei anderen Distribution jedoch vielfach integrierten Treiber wie em8300, kqemu, madwifi, ndiswrapper, rt2860, rt2870 und zaptel liefert das Fedora-Projekt nicht mit. Die Hardware-Unterstützung ist dadurch nicht ganz so umfassend wie etwa bei dem kürzlich vorgestellten und ebenfalls auf Linux 2.6.27 aufsetzenden Ubuntu 8.10, sofern man die fehlenden Treiber nicht über eines der externen Paket-Depots mit RPM-Paketen für Fedora nachrüstet.

Die vergleichsweise geringe Patch-Zahl im Source-RPM des Kernels macht es den Betreuern des Fedora-Kernels aber recht einfach, später neuere Kernel-Versionen als reguläres Update nachzuliefern. Genau das dürfte bei Fedora 10 sicher häufiger passieren, es ist bei Fedora praktisch der Normalfall: Fedora 9 etwa wurde im Mai mit dem damals aktuellen Linux-Kernel 2.6.25 ausgeliefert, erhielt aber einige der in den vergangenen sechs Monaten erschienenen 2.6.25-, 2.6.26- und 2.6.27-Versionen als reguläres Update nachgeliefert. So kommt es, dass der beim Fedora-10-Start aktuelle Update-Kernel für Fedora 9 ebenfalls die Versionsnummer 2.6.27.5 trägt und sich nur wenig von dem Fedora-10-Kernel unterscheidet.

Durch die Unmenge der in neue Linux-Kernel der Hauptentwicklungslinie einfließenden Verbesserungen wird so der Funktionsumfang und die Hardware-Unterstützung von Fedora mit der Zeit besser. Die meisten anderen Distributoren sind nicht so mutig und stopfen bei den von ihnen ausgelieferten Kernel-Updates nur Sicherheitslücken, ohne auf neuere Versionen zu wechseln – es dauert bei solchen Distributionen daher nicht selten mehrere Monate, bis im Hauptentwicklungszweig von Linux neu eingepflegte Treiber und andere Verbesserungen auch bei den Anwendern ankommen.

Der X-Server 1.5.3 kümmert sich bei Cambridge um die Ansteuerung der Grafikhardware. Da bereits Fedora 9 einen X-Server der 1.5er-Serie enthält, ist etwa die komfortable Bildschirmkonfiguration über auf RandR 1.2 zurückgreifende Programme nichts wirklich neues für Fedora-Anwender. So manchen Anwender dürfte es aber gehörig verwirren, dass der X-Server nun auf der ersten, über CTRL + ALT + F1 erreichbaren Konsole statt auf der siebten läuft. Im X-Server von Fedora 10 kümmert sich nun der Evdev-Treiber um die Handhabung der Events von Eingabegeräten wie Maus und Tastatur.

Wie bei Fedora üblich ist die Software-Ausstattung bei Fedora weitgehend auf dem neusten Stand – während das vor einigen Wochen erschienene Ubuntu 8.10 (Intrepid Ibex) etwa noch auf OpenOffice 2.4.1 setzt, liegt Cambridge bereits die Version 3.0 bei. Eclipse 3.4, Gimp 2.6.2 und Firefox 3.0.4 sind ebenfalls auf dem aktuellen Stand, Thunderbird hingegen nicht – die parallel zur Fertigstellung von Cambridge Ende vergangener Woche freigegebenen Version 2.0.0.18 des Mailers wird aber direkt zum Start von Fedora 10 als Update nachgeliefert.

OpenOffice 3.0 unter Fedora 10

GNOME 2.24.1 wird bei der Standardinstallation aufgespielt und bringt die verschiedenen mit der Version 2.24 eingeführten Neuerungen – darunter etwa Tabs im Dateimanager Nautilus. Das Fedora-Projekt wollte statt Pidgin eigentlich den zu GNOME 2.24 gehörenden Empathy als Standard-IM-Client für Cambridge nutzen – nach Problemen in der Testphase nahmen die Entwickler von diesem Plan aber wieder Abstand. KDE 4.1.2 ist bei der Installation mit wenigen Mausklicks wählbar – die Version 4.1.3 findet sich bereits im Paket-Depot updates-testing und dürfte Fedora-10-Anwendern so in Bälde als reguläres Update ins Haus flattern. XFCE ist auf dem Standard-Installationsmedien nicht enthalten, sodass man es während der Installation nur auswählen kann, wenn man die Online-Paketdepots als zusätzliche Installations-Quellen aktiviert.

Das Fedora-Projekt stellt neben den normalen Installationsmedien (eine DVD; sechs CDs) auch noch zahlreiche "Spins" bereits – ISO-Images von Live-Medien, die sich nicht nur auf CDs, sondern auch auf USB-Sticks transferieren lassen. Die Spins bringen jeweils eine auf bestimmte Anwendungsgebiete abgestimmte Software-Ausstattung mit – neben dem Desktop-Spin mit GNOME und einem Spin mit KDE gibt es auch einen mit XFCE. Da sich die Spins auch zur Installation eignen, dürfte letzterer für so manchen XFCE-Anwender das bevorzugte Medium zur Fedora-Installation darstellen.

Neben den drei genannten Spins gibt es noch einige weitere, darunter Fedora Education Math und Fedora Electronic Labs (FEL). Mit den Fedora beiliegenden Werkzeugen lassen sich schon länger verhältnismäßig einfach auch eigene Spins erzeugen. Solange man sich an einige kürzlich vorgestellte Regeln hält, darf man diese jetzt als "Fedora Remix" weiter verbreiten, ohne Namensrechte des Projekts zu verletzen.

Neben den bereits erwähnten Neuerungen von Fedora 10 haben die Entwickler noch zahlreiche andere Verbesserungen vorgenommen. Das von einem Red-Hat-Entwickler betreute, ursprünglich für Fedora entwickelte und mittlerweile auch von Ubuntu genutzte Programm zur Druckerkonfiguration etwa erhielt unter anderem ein neues Benutzerinterface und liefert bessere Statusinformationen zu aktuellen Vorgängen. Während die Software-Komponenten von Fedora meist recht aktuell sind, gilt das für die Druckertreiber nicht: Die für HP-Drucker und -Multifunktionsgeräte wichtigen HPLIP-Treiber liegen in der Ende Juli vorgestellten Version 2.8.7 vor – zwischenzeitlich hat das HPLIP-Projekt bereits drei neue Versionen vorgestellt, die Unterstützung für zahlreiche neuere HP-Geräte mitbringen. Auch die Treibersammlung Gutenprint liegt in der recht angestaubten Version 5.0.2 bei, obwohl das vor einem Monat vorgestellte Gutenprint 5.2.1 zahlreiche Vorteile geboten hätte – darunter Unterstützung für insgesamt 655 Drucker, mit denen die 5.0-Serie der Druckertreibersammlung nichts anzufangen weiß.

Neu bei Cambridge ist die "Glitch-Free"-Version des Audio-Servers PulseAudio. Den hat dessen bei Red Hat angestellter Autor stark überarbeitet, sodass die Audio-Ausgabe nun ähnlich wie bei MacOS X oder Vista nach einem zeitbasierten Modell erfolgt und nicht mehr über Interrupts getrieben wird – das soll nicht nur Aussetzer vermeiden helfen, sondern auch die CPU bei der Audio-Wiedergabe entlasten, was wiederum die Leistungsaufnahme reduziert und bei Notebooks die Akku-Laufzeit erhöht. Für Net- und Notebooks gab es zudem einige andere Verbesserungen – einen speziellen Netbook-Spin bietet das Projekt aber nicht an.

Der NetworkManager zum Verbindungsaufbau über LAN, WLAN, VPN, GPRS oder UMTS bietet nun auch Unterstützung für Connection Sharing und eignet sich so zum Aufsetzen von AdHoc-Netzwerken. Für Webcams liegen Fedora 10 unter anderem der Treiber uvcvideo und die Treibersammlung gspca bei, die sich für Webcams einer Vielzahl verschiedener Hersteller eignen. Neben einigen anderen Verbesserungen für Webcams haben die Fedora-Mitstreiter zudem die Software-Bibliothek libv4l entwickelt, auf deren Hilfe Anwendungen bei der Ansteuerung von Webcams nun zurückgreifen können, statt alles selbst zu machen. Und auch die Handhabung und Konfiguration von Infrarot-Fernbedienungen wollen die Fedora-Entwickler optimiert haben.

Das Programm gnome-lirc-properties erleichtert die Konfiguration vor IR-Fernbedienungen

Zur Virtualisierung mit Fedora 10 bietet sich das auf Virtualisierungstechniken in der CPU angewiesene KVM an. Nachdem Fedora bereits mit der Version 9 die Unterstützung zum Betrieb als Xen-Gastgeber (Host/Xen Dom0) fallen ließen, bleibt diese auch bei Fedora 10 außen vor, weil die offiziellen Xen-Dom0-Patches weiterhin nur für veraltete, neue Hardware schlecht unterstützende Kernel-Versionen existierten. Die Möglichkeit zum Betrieb als privilegierte Xen-Domäne wollen die Fedora-Entwickler aber unter Umständen nachrüsten, sobald die Kernel-Hacker den dafür nötigen Code in den Hauptentwicklungszweig von Linux aufgenommen haben – das könnte schon mit Linux 2.6.29 der Fall sein. Als Xen-Gast kann Cambridge aber durchaus arbeiten und greift dabei auf die Xen-Unterstützung zurück, die der Kernel seit 2.6.23 bietet. Zur Verwaltung (virtueller) Datenträger für virtuelle Maschinen sowie zur Netzwerkinstallation gab es ferner einige Verbesserungen in der libvirt und dem darauf aufsetzenden Verwaltungstool virt-manager (1, 2).

RPM liegt nun in der kürzlich veröffentlichten Version 4.6 von rpm.org bei. Das für seine behäbige Arbeitsweise bekannte Paketverwaltungswerkzeug Yum arbeitet bei Cambridge deutlich flotter als früher. Man muss sich zur Installation und Aktualisierung von Anwendungen aber nicht unbedingt mit dem Kommandozeilenprogramm auseinander setzen, da Fedora PackageKit-Frontends für GNOME und KDE mitbringt und automatisch installiert.

Mit Cambridge ziehen ferner das Security-Audit- und Intrusion-Detection-System Sectool und die Enticklungsumgebung Netbeans in Fedora ein. Nachdem Fedora die Verzeichnisse /sbin und /usr/sbin mit den für Systemverwalter gedachten Programmen lange nicht im Pfad einfacher Benutzer hatte, wurde dies Vorgehen nun aufgegeben. Der von OLPC-Laptops bekannte Sugar-Desktop ist nun ebenso in Fedora verfügbar wie die nicht so hohe Hardware-Anforderungen stellenden Desktop-Umgebung LXDE. Im Fehlerfall hilft in Zukunft das FirstAidKit bei Reparaturaufgaben. Zudem bietet Fedora jetzt auch Werkzeuge zum Aufsetzen von Appliances und bringt die AMQP (Advanced Message Queuing Protocol) Infrastructure (AMQPI) mit – bei letzterem handelt es sich praktisch um den Messaging-Bestandteil von Red Hat Enterprise MRG.

Das neue Security-Audit- und Intrusion-Detection-System Sectool

Mit Ausnahme einiger Firmware-Dateien besteht Fedora 10 genau wie seine Vorgänger komplett aus Open-Source-Software, die unter einer der vom Fedora-Projekt anerkannten Lizenzen steht; Lizenzen, die etwa eine Nutzung der Software im kommerziellen Umfeld verbieten oder die Weitergabe der Software durch Dritte untersagen, schaffen es nicht auf diese Liste. Aber auch Software, die bekanntermaßen durch Patente geschützte Techniken nutzt, lässt das Fedora-Projekt genauso außen vor wie proprietäre Software und Treiber. Das alles soll Anwender, die Fedora kommerziell nutzen, oder Dritte, die die Linux-Distribution separat oder zusammen mit Hardware vertreiben wollen, vor Ansprüchen durch die Copyright- und Patenthalter schützen.

In Fedoras Paketdepots, die auf der i386-Architektur rund 11.400 Pakete enthalten, finden sich daher bekannte kommerzielle Anwendungen oder die proprietären Grafiktreiber von AMD und Nvidia genauso wenig wie Software zur Wiedergabe vieler gängiger Audio- und Video-Formate. Das schließt selbst die Unterstützung zur Wiedergabe von MP3s ein, da die Patentverwertungsfirma Sisvel bekanntermaßen Ansprüche der Rechteinhaber von MP3 geltend macht.

Wirklich Einsatzbereit ist eine Fedora-10-Installation daher eigentlich erst nach Aktivieren von Paketdepots, über die sich die vom Fedora-Projekt ausgeklammerte Software sowie die Unterstützung zur Wiedergabe der nicht unterstützteb Audio- und Video-Codecs nachinstallieren lässt. Um dem Anwender die gelegentlich auftretenden Probleme beim Mischen verschiedener Paketdepots zu ersparen haben sich kürzlich drei der bekanntesten Depots für Fedora – Dribble, Freshrpms und Livna – zum RPM-Fusion-Projekt zusammengeschlossen. Das hat nach einer längeren Aufbau und Testphase vor knapp einem Monat die offizielle Verfügbarkeit der Paketdepots angekündigt und bietet nun auch Pakete für Cambridge an.

Bei Fedora 10 muss man nun nicht mal mehr wissen, welches RPM-Paket man aus Add-on-Depots wie RPM Fusion oder alternativen Depots wie ATrpms braucht, um gängige Audio- und Video-Formate abzuspielen. Sobald nämlich auf dem Gstreamer-Framework aufsetzende Multimediaanwendungen wie Totem auf Dateien mit nicht unterstütztem Audio- oder Video-Codecs treffen, erscheint das Dialogfenster eines PackageKit-Plugins. Das sucht anschließend in allen aktivierten Paketdepots nach RPM-Paketen mit passenden Gstreamer-Plugins und spielt diese auf Wunsch mit wenigen Mausklicks ein. Das mit Fedora 8 eingeführte und unter den auf Open-Source bedachten Fedora-Entwicklern von Anfang an umstrittene Programm Codeina (gelegentlich auch als Codec Buddy bezeichnet) zur einfachen Nachinstallation kostenloser oder kostenpflichtiger proprietärer Gstreamer-Plugins von Fluendo installiert Fedora 10 nicht mehr.

Automatische Gstreamer-Plugin-Installation mit PackageKit bei Fedora 10 (6 Bilder)

Auch Fedora 10 ist von Haus aus nicht zur Wiedergabe gängige Audio- und Video-Formate in der Lage.

Die Paketdepots von RPM Fusion lassen sich nicht nur nach dem Aufspielen von Fedora aktivieren, sondern bei Fedora 10 auch bereits während der Installation; anders als bei früheren Fedora-Versionen werden dabei einige etwa für GNOME oder KDE wichtige Pakete gleich automatisch eingespielt, je nachdem, welchen der beiden Desktops man auswählt. Durch die Aufteilung der RPM-Fusion-Depots in die Bereiche free und nonfree könnten auf Open-Source-Software bedachte Anwender zudem problemlos Software ausklammern, die nicht unter einer den vom Fedora-Projekt anerkannten Lizenzen steht. Open-Source-Puristen können bei Fedora 10 nun auch das Gros der dem Linux-Kernel beiliegende Firmware einfach deinstallieren, da diese nun in einem separaten RPM-Paket ausgeliefert, was der Linux-Kernel 2.6.27 recht einfach macht.

In RPM Fusion finden sich zwar viele der gängigen Anwendungen und Treiber, die Fedora bewusst außen vor lässt, aber keineswegs alle. Den Adobe Reader und das Adobe Flash-Plugin etwa bezieht man am besten über das von Adobe selbst gepflegte Paketdepot; auch Google pflegt ein eigenes Depot, über das man Picasa oder Google Earth erhält. Einige nicht in Fedora oder RPM Fusion enthaltene Software findet sich zudem in anderen Paketdepots für Fedora, wobei es nicht selten zu Problemen kommt, wenn man mehrere von ihnen nutzt.

Wie bei anderen im Halbjahresrhythmus entwickelten Linux-Distributionen bringt die neue Fedora-Version eine deutlich aktualisierte Software-Ausstattung und eine Vielzahl evolutionärer Verbesserungen. Nüchtern betrachtet lohnt sich ein Umstieg von Fedora 9 auf 10 aber eigentlich nur, wenn man eine der Neuerungen auch tatsächlich nutzen möchte. Bei einer frischen Installation von Fedora ist die zehnte Version aber mit Sicherheit nun die erste Wahl, spart sie doch das Herunterladen der zahlreichen für Fedora 9 verfügbaren Updates. Eine Breitband-Internet-Anbindung ist aber trotzdem ratsam, da das Fedora-Projekt auch für Cambridge wieder eine Unmenge an Updates herausgeben wird; bereits zur Veröffentlichung der Distribution finden sich hunderte neue und aktualisierte Pakete in den Update-Depots.

Auch wenn Fedora 10 wieder einige Verbesserungen bringt, die dem Anwendern und Entwicklern das Leben einfacher machen: Für Linux-Einsteiger ist Cambridge genauso wie seine Vorgängern nicht so gut geeignet wie etwa die aktuellen Versionen von OpenSuse oder Ubuntu. Das liegt nicht unerheblich an der selbst auferlegten Beschränkung auf Open-Source-Software und eine überaus vorsichtige Herangehensweise an Software, die möglicherweise patent- und lizenzpflichtige Techniken nutzt. Dafür bringt der steten Update-Fluss bei Fedora aktuelle Programme und verbessert nebenbei auch die Hardware-Unterstützung erheblich – bei den beiden anderen großen Distributionen erhält man neue Software und Treiber meist erst mit einer neuen Version der Distribution. Zudem bekommt man mit Fedora heute schon einen Vorgeschmack auf Neuheiten wie Kernel-Based Mode-Setting, Glitch-Free Audio mit Pulseaudio oder Connection Sharing mit dem NetworkManger, die andere Distributionen sicherlich bald auch mitbringen werden. (thl)

Weitere Inforamtionen

Bezugsquellen:

Fedora-Historie
Vorgestellt Erscheinungsdatum Codename
Fedora Core 1 11/2003 Yarrow
Fedora Core 2 05/2004 Tettnang
Fedora Core 3 11/2004 Heidelberg
Fedora Core 4 06/2005 Stentz
Fedora Core 5 03/2006 Bordeaux
Fedora Core 6 10/2006 Zod
Fedora 7 05/2007 Moonshine
Fedora 8 11/2007 Werewolf
Fedora 9 05/2008 Sulphur
Fedora 10 11/2008 Cambridge

(thl)