Was Fedora 10 Neues bringt

Das neue Fedora verspricht nicht nur einen schnelleren, sondern dank Kernel-Based Modesetting auch schöneren Startvorgang. Die Software-Ausstattung ist umfangreich und mit OpenOffice 3.0 oder der "Glitch-Free"-Version von PulseAudio auf dem neusten Stand.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Etwas mehr als sechs Monate nach der Fertigstellung von Fedora 9 (Sulphur) hat das Fedora-Projekt nun den Nachfolger Fedora 10 (Cambridge) freigegeben – durch den Einbruch in die Serverinfrastruktur vier Wochen später als ursprünglich geplant, im Unterschied zu vielen der vorangehenden Fedora-Versionen aber immerhin ohne weitere Verzögerungen in letzter Minute.

Wie bei Fedora üblich enthält auch Cambridge wieder eine umfangreiche und überaus aktuelle Software-Ausstattung – selbst das erst vor kurzem vorgestellte OpenOffice 3.0 sowie Firefox 3.0.4 haben es in die neue Version der Linux-Distribution geschafft. Neben den vielfach unter Beteiligung von Fedora- und Red-Hat-Programmierern entstandenen Verbesserungen in neuen Versionen von Kernel, GNOME und Co. haben die Fedora-Entwickler auch an zahlreiche Neuerungen speziell für Fedora 10 gearbeitet. Speziell um diese sowie einige andere für Fedora-Anwender relevante Geschehnisse im Fedora-Umfeld dreht sich der folgenden Artikel.

Fedora 10 (10 Bilder)

GNOME-Desktop von Fedora 10 im Solar-Design

Fedora-Hauptsponsor Red Hat macht zwar einen Großteil seines Umsatz mit den Servern von Unternehmenskunden, hat bei Fedora 10 aber dennoch den einen oder anderen Red-Hat-Entwickler an primär für Endanwender und Desktop-Systeme interessanten Techniken arbeiten lassen. Dazu zählen verschiedene Verbesserungen, die den Bootvorgang verschönern und beschleunigen.

So bringt Fedora 10 Unterstützung für Kernel-Based Mode-Setting (KMS) für das Gros der Radeon-Grafikhardware ab dem Radeon-Modell 9500. Bei dieser Technik stellt der Kernel bereits direkt nach der Initialisierung der wichtigsten Hardware-Komponenten den zum jeweiligen Bildschirm passenden Grafikmodus ein. Der Kernel kümmert sich zudem auch im späteren Betrieb um das Einstellen der Bildschirmauflösung und nimmt so dem X-Server erhebliche Teile dieser Aufgabe ab. Das Umschalten zwischen X-Server und VGA-Text- oder Framebuffer-Konsole erfolgt dadurch deutlich schneller und fließender, da die Bildschirmauflösung beim Wechsel nicht mehr wie bisher neu eingestellt werden muss.

Der Kernel enthält durch KMS zudem mehr Kontrolle über die Grafikhardware – bisher kamen sich dabei die Framebuffer- und VGA-Treiber, die Direct Rendering Infrastruktur (DRI) des Kernels und der X-Server nicht selten ins Gehege. Die Kernel-Entwickler planen, den KMS-Code mit Linux 2.6.29 aufzunehmen, sodass KMS bald auch in anderen Distributionen auftauchen dürfte. Bereits Fedora 9 hatte KMS experimentell bei Intel-Grafikhardware unterstützt. Die Entwickler der Intel-Grafiktreiber haben den Intel-KMS-Code im vergangenen halben Jahr jedoch mehrfach stark unstrukturiert. Den Fedora-Entwicklern war dies teilweise durch GEM bedingte Hin und Her zu heikel, sodass sie die KMS-Unterstützung für Intel-Hardware bei Cambridge deaktivierten; ein Update soll KMS bei Systemen mit Intel-Chipsatzgrafik vielleicht später einschalten. Und auch die Radeon-Unterstützung für KMS läuft noch nicht ganz rund, taucht sie doch bereits bei der Freigabe von Fedora 10 auf der Wiki-Seite mit bekannten Problemen der Distribution auf.

Um den Bootprozess weiter aufzupeppen, haben die Red-Hat-/Fedora-Entwickler das Programm Plymouth entwickelt (siehe auch: Interview mit den Plymouth-Entwicklern). Bei Systemen mit VGA-Textkonsole zeigt es während des Startvorgangs einen einfachen ACSII-Fortschrittsbalken am unteren Rand an, während Kernel und Dienste im Hintergrund die Hardware initialisieren und die Arbeit aufnehmen – das Ganze erinnert ein wenige an den weißen Fortschrittsbalken, den man früher zu Beginn des Startvorgangs von Windows 2000 zu sehen bekam.

Ascii-Art beim Booten von Cambridge ohne Kernel-Based Mode-Setting oder Framebuffer-Grafik

Wer hingegen eine Framebufferkonsole aktiviert oder Radeon-Hardware mit KMS-Unterstützung besitzt, sieht dank Plymouth während des Startvorgangs statt ASCII-Art einen hübsche animiert Grafik im Solar-Design von Fedora 10. Mit KMS-kompatibler Grafikhardware ist der Startvorgang von Fedora so komplett grafisch und zeigt nicht einmal ein kurzes Bildflackern, wenn der X-Server startet. Diesen Moment erkennt man nur am plötzlich erscheinenden Mauszeiger, bevor kurz darauf der Anmeldebildschirm von GDM erscheint -- Interessierte können sich das Ganze in einem vom Fedora-Projekt bereitgestellten Video ansehen.

Flackerfreier und animierter Startvorgang dank Kernel-Based Mode-Setting und Plymouth

Den Startvorgang wollen die Fedora-Entwickler überdies nicht nur verschönert, sondern auch beschleunigt haben. Auf dem für die c't 24/08 gebauten "Optimalen PC" startete Cambridge mit 28 Sekunden allerdings nur eine Sekunde flotter als eine Fedora-9-Installation. Auf einem Testsystem mit Asus P5N7A-VM (GeForce 9300 Chipsatz/mGPU) brauchte Fedora 10 sogar länger: Der Code in der Initrd wartete satte zehn Sekunden untätig auf die Erkennung aller Datenträger, bevor er die Root-Partition einhängte und den Startvorgang fortsetzte.

Als Kernel nutzt Cambridge eine im Vergleich zu anderen Distributionen eher spärlich erweiterte Linux-Version 2.6.27.5. Die größten der im Source-RPM des Fedora-Kernels genutzten Patches rüsten die Unterstützung für KMS, Squashfs und Utrace sowie die Treiber Atl2, At76, Lirc und Nouveau nach. Zudem haben die Fedora-Entwickler die Ext4-Unterstützung weitgehend auf den Stand des derzeit zu Kernel 2.6.28 führenden Hauptentwicklungszweigs von Linux aktualisiert, mit der die Kernel-Hacker die Hauptentwicklungsphase der Dateisystems beenden – mit Fedora 10 angelegte Ext4-Dateisysteme sollten sich daher auch mit zukünftigen Kerneln und Distributionen nutzen lassen. Im Installationsprogramm von Fedora lassen sich Datenträger aber nur mit Ext4 formatieren, wenn man direkt beim Start der Installation im Boot-Loader die Option "ext4" übergibt.

Ext4 lässt sich während der Installation nur auswählen, wenn man den Installer vorher mit dem Parameter "ext4" aufruft.

Manche nicht im Hauptentwicklungszweigs von Linux enthaltenen, bei anderen Distribution jedoch vielfach integrierten Treiber wie em8300, kqemu, madwifi, ndiswrapper, rt2860, rt2870 und zaptel liefert das Fedora-Projekt nicht mit. Die Hardware-Unterstützung ist dadurch nicht ganz so umfassend wie etwa bei dem kürzlich vorgestellten und ebenfalls auf Linux 2.6.27 aufsetzenden Ubuntu 8.10, sofern man die fehlenden Treiber nicht über eines der externen Paket-Depots mit RPM-Paketen für Fedora nachrüstet.

Die vergleichsweise geringe Patch-Zahl im Source-RPM des Kernels macht es den Betreuern des Fedora-Kernels aber recht einfach, später neuere Kernel-Versionen als reguläres Update nachzuliefern. Genau das dürfte bei Fedora 10 sicher häufiger passieren, es ist bei Fedora praktisch der Normalfall: Fedora 9 etwa wurde im Mai mit dem damals aktuellen Linux-Kernel 2.6.25 ausgeliefert, erhielt aber einige der in den vergangenen sechs Monaten erschienenen 2.6.25-, 2.6.26- und 2.6.27-Versionen als reguläres Update nachgeliefert. So kommt es, dass der beim Fedora-10-Start aktuelle Update-Kernel für Fedora 9 ebenfalls die Versionsnummer 2.6.27.5 trägt und sich nur wenig von dem Fedora-10-Kernel unterscheidet.

Durch die Unmenge der in neue Linux-Kernel der Hauptentwicklungslinie einfließenden Verbesserungen wird so der Funktionsumfang und die Hardware-Unterstützung von Fedora mit der Zeit besser. Die meisten anderen Distributoren sind nicht so mutig und stopfen bei den von ihnen ausgelieferten Kernel-Updates nur Sicherheitslücken, ohne auf neuere Versionen zu wechseln – es dauert bei solchen Distributionen daher nicht selten mehrere Monate, bis im Hauptentwicklungszweig von Linux neu eingepflegte Treiber und andere Verbesserungen auch bei den Anwendern ankommen.

Der X-Server 1.5.3 kümmert sich bei Cambridge um die Ansteuerung der Grafikhardware. Da bereits Fedora 9 einen X-Server der 1.5er-Serie enthält, ist etwa die komfortable Bildschirmkonfiguration über auf RandR 1.2 zurückgreifende Programme nichts wirklich neues für Fedora-Anwender. So manchen Anwender dürfte es aber gehörig verwirren, dass der X-Server nun auf der ersten, über CTRL + ALT + F1 erreichbaren Konsole statt auf der siebten läuft. Im X-Server von Fedora 10 kümmert sich nun der Evdev-Treiber um die Handhabung der Events von Eingabegeräten wie Maus und Tastatur.