Wo bleibt der Linux-Desktop?

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Angesichts all dieser Schwierigkeiten stellt sich natürlich die Frage, ob die ganzen Bemühungen der Linux-Entwickler und Distributoren um den Linux Desktop überhaupt Sinn ergeben. Ich denke schon: Selbst wenn es nur um die Schaffung einer Alternative zu Windows geht, ist es schon die Mühe wert. Schließlich stimmen die wirtschaftlichen Interessen eines marktbeherrschenden internationalen Großkonzerns und die des einzelnen Anwenders, der mit dem Computer seine Probleme effizient und kostengünstig lösen möchte, nur bedingt überein. Ein gesunder Wettbewerb im Desktop-Markt schützt vor allzu großer Willkür eines zu dominanten Herstellers.

Im Tagesgeschäft haben allerdings meist kurzfristige wirtschaftliche Überlegungen Vorrang vor einer langfristigeb Sicherung der Unabhängigkeit. Trotzdem gibt es bereits Firmen, die Linux auf dem Desktop erfolgreich einsetzen. Die Stuttgarter Versicherung beispielsweise hat schon 2003 begonnen, erste Arbeitsplätze auf Linux mit KDE-Desktop zu migrieren. Heute sind alle 890 Workstations und Notebooks umgestellt. Es wurde eine flexible, leistungsfähige und kostengünstige Arbeitsplatzlösung geschaffen, die speziell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter der Stuttgarter Versicherung zugeschnitten ist. Das Projekt verlief nach Plan und ist unter den Benutzern auf große Akzeptanz gestoßen.

Ähnlich positive Erfahrung hat auch die Stadtverwaltung von Schwäbisch-Hall gemacht. Hier war der Kostendruck die Hauptmotivation. Im Laufe der Zeit erkannte man allerdings das Potenzial, das Linux durch seine Offenheit und Flexibilität besitzt. Heute arbeitet die IT-Abteilung bereits an einer Thin-Client-basierten nächsten Generation der Linux-Arbeitsplätze. Die zentrale Administrierbarkeit der Thin Clients soll die Verwaltungskosten noch weiter senken und auch für mobile Arbeitsplätze eine vollwertige Arbeitsumgebung zur Verfügung stellen.

Der Kostenvorteil von Linuxarbeitsplätzen durch fehlende Lizenzgebühren und einfachere zentrale Verwaltung kommt bei mittleren bis großen Installationen noch deutlicher zum Tragen. Wie die Erfahrungen der Polizei Niedersachsen zeigen, sind auch Installationen mit über 11.000 Arbeitsplätzen und 22.000 Benutzern mit Linux machbar. Im Rahmen des NIVADIS-Projektes wurde die gesamte Infrastruktur der Polizei inklusive der 100 Server auf Linux umgestellt.

Bei allen Hindernissen, die der Linux-Desktop noch zu überwinden hat, sollte man die Erfolge der letzten zehn Jahre nicht vergessen. Auch wenn der Linux-Hype nach dem Jahrtausendwechsel Erwartungen geweckt hat, die Linux auf dem Desktop bisher nicht erfüllten konnte, ist die Zahl der Linux-Desktops kontinuierlich gewachsen.

Auf der Konferenz Open Source Meets Business 2006 war ein kompletter Vortragstrack dem Einsatz von Linux auf dem Desktop gewidmet. Die dort refererierten Fallbeispiele aus Wirtschaft und Behörden zeigen, dass Linux erfolgreich auf dem Desktop eingesetzt werden kann. Denn überall dort, wo man nur eine überschaubare Anzahl von Programmen benötigt und durch zentrale Anschaffung die Hardwareunterstützung sicherstellen kann, ist Linux auch heute schon häufig die sicherere, flexiblere und kostengünstigere Alternative. (odi)

Chris Schläger war bis Anfang 2006 Vice President Research and Development Suse Linux bei Novell und für die Entwicklung aller Suse-Linux-Produkte verantwortlich. Er ist Mitglied des KDE-Teams. (odi)